Puzzle Quest: Challenge of the Warlords17.10.2007, Benjamin Schmädig
Puzzle Quest: Challenge of the Warlords

Im Test:

Ob sich Alexey Pajitnov in einer ähnlichen Notlage befand, als er vor über 20 Jahren Tetris erschuf? Die australischen Entwickler bei Infinite Interactive erdachten ihre Notlösung jedenfalls erst, nachdem kein Publisher ihre aufwändigeren Projekte finanzieren wollte. Also vermengten sie Knobelei und Rollenspiel wie einst Pajitnov Pentomino und Reaktionsspiel, vereinten die zwei Elemente auch im Namen - wie es damals mit Tetra und Tennis geschah - und waren selbst überrascht, als Puzzle Quest im Handumdrehen zum Straßenfeger wurde. Genau so, wie es Alexey Pajitnov einst erging.

Scheinbar unscheinbar

Es fängt so unscheinbar harmlos an: Auf acht mal acht Feldern liegen Steine in vier verschiedenen Farben, Totenschädel, lilafarbene Sterne, Münzen sowie Joker. Eure Aufgabe ist es, eins der Symbole horizontal oder vertikal so zu verschieben, dass eine waagerechte oder senkrechte Kette aus mindestens drei gleichen Symbolen entsteht. Auf diese Weise zieht ihr abwechselnd mit eurem Gegner auf demselben Spielfeld - von oben rücken stets neue Symbole nach. Noch erinnert das Zusammenlegen an eine Version des Knobel-Klassikers Bejeweled - eine weitere Variation des abgekupferten Prinzips, von dem es ohnehin längst Dutzende Versionen auf sämtlichen Plattformen gibt.

Doch nach und nach wird deutlich, dass Puzzle Quest viel mehr ist als der  tausendste Klon eines Denkspiels. Hat man erst einmal Zeit damit verbracht, scheint es vielmehr, als wäre das Genre der Puzzler nur ein Skelett, eine Tech-Demo - das Gegenstück

Auf den ersten Blick macht Puzzle Quest einen unspektakulären Eindruck... (Xbox 360)
zu einer Ego-Shooter-Studie, mit der man in einem weißen Raum auf bunte Zielkreise schießt. Denn so sehr das Kombinieren der acht Teile auch im Vordergrund steht: Worum es in Puzzle Quest geht, steht im zweiten Teil des Namens. Denn die Australier haben nicht weniger getan, als ein ausgewachsenes Rollenspiel zu entwickeln! Und das Puzzeln ist ihr Kampfsystem - und zwar ein enorm umfangreiches.

Mana, Geld und Totenköpfe

Denn hat man das einfache Zusammenlegen einmal verinnerlicht, erweitern zahllose Möglichkeiten den Horizont des Normal-Puzzlers. Auf Dauer reicht es nicht mehr, Dreierketten zu bilden: Vier nebeneinander liegende Steine werden z.B. mit einem Extra-Zug belohnt, eine Fünferreihe lässt zusätzlich einen Joker erscheinen. Dieser nimmt die Farbe der zwei anliegenden Steine an und dient, ebenso wie die Anzahl der abgeräumten Steine, als Multiplikator der eingehenden Mana-Menge. Und Mana benötigt ihr, um einen von bis zu sieben Zaubersprüchen einzusetzen. Jeder Spruch verschlingt dabei eine feste Menge an roter, blauer, grüner oder gelber Energie (Feuer, Wasser, Erde, Luft), weshalb ihr diesen Manavorrat stets füllen solltet, indem ihr die entsprechenden Steine kombiniert. Das Aneinanderreihen von Münzen spült hingegen Geld in eure Kasse, während lilafarbene Sterne die Anzahl der 

Ungewöhnlich, aber inhaltlich gleich: Die Demo für PC zum Download.
im Kampf gewonnen Erfahrungspunkte erhöht. Totenschädel fügen wiederum eurem Gegner Schaden zu, und auch hier gilt: je mehr Schädel, desto größer der Schaden. Letztendlich geht es schließlich darum, die Lebenskraft des Feindes auf Null zu reduzieren.

Wollt ihr einen Zauberspruch einsetzen, müsst ihr meist auf euren Zug verzichten - und spätestens hier kommen knifflige Überlegungen ins Spiel. Solltet ihr lieber das dringend benötigte blaue Mana sammeln oder ist dies der richtige Zeitpunkt für einen defensiven Zauber? Und ist es in Anbetracht des gefährlichen Gegners sinnvoll, drei komplette Säulen samt Totenschädeln vom Feld zu räumen, um dem Widersacher zu schaden? Die nachrückenden Symbole könnten ihm schließlich viel neuen Spielraum zum Kombinieren bieten... Vom ganz normalen "Wie rücken die Symbole nach, wenn ich diese Reihe Steine abräume?" ganz abgesehen.

Kopfzerbrechen zu zweit

Die Gegner (Orks, Elfen, Skelette, Wölfe, Fledermäuse, Zwerge, Drachen usw.) stellen euch dabei vor eine knackige,

... doch dann ist man schneller und vor allem länger dabei, seinen Charakter weiter und weiter zu entwickeln, als dem Tagesplan gut tut! (PSP)
aber jederzeit zu meisternde Aufgabe: Sind die ersten Goblins noch leicht zu knacken, weil sie ungeschickt kombinieren, sich Fehler erlauben und schwache Zaubersprüche einsetzen, kontern spätere Widersacher mit mächtigen Angriffen. Mitunter wirkt es dabei so, als wüssten die vom Programm gesteuerten Wesen, welche Symbole nachrücken. Allerdings ist ihnen das Glück keineswegs durchgehend treu, und wer vorausschauend verschiebt, kann den Faktor Glück minimieren. Absolut nicht planbar ist nur die "Heroische Tat" - eine Kette von fünf aufeinander folgenden Kombinationen, die mit einem Batzen Erfahrungspunkte belohnt wird. Weil nach jedem Zug der Gegner schieben darf, ist es allerdings ein Ding der Unmöglichkeit, eine solche Kette zu planen. Lediglich zwei, höchstens drei Kombination in Folge sind mit einem Zug errechenbar. Abgesehen davon spielen Glück sowie Anzahl und Wirkung der Zaubersprüche aber nur eine untergeordnete Rolle: Das intelligente Verschieben steht im Vordergrund, so dass man theoretisch die meisten Kämpfe selbst mit einem schwachen Charakter meisten kann. So muss ein geschickt gestricktes Spiel aussehen!

Die Entwickler haben sich aber auch Gedanken darum gemacht, die unabhängig von der Handlung austragbaren Duelle - dazu zählen auch Mehrspieler-Kämpfe über WiFi an DS und PSP, per Splitscreen auf Wii, PS2 und 360 sowie zusätzlich via Xbox Live auf 360 - so ausgeglichen wie möglich zu inszenieren: Der stärkere Charakter erhält auf Wunsch einfach ein Handicap. Damit wird jede Auseinandersetzung zu einem fairen Duell. Das Messen der Fähigkeiten ist so vor allem deshalb so reizvoll, weil die beiden Kontrahenten mit einem in der Kampagne entwickelten Charakter das Gefecht austragen. Mit jedem Stufenaufstieg erhält das Alter Ego schließlich einen weiteren Zauberspruch, man darf seine Fertigkeiten verbessern und jedes eingefangene Reittier erlaubt den Einsatz einer zusätzlichen Fähigkeit.               

Böser Bane!

Zugegeben: Die Geschichte um Bösewicht Bane, der das Land Etheria heimsucht, haben die Entwickler im RPG-Fanshop um die Ecke gekauft. Sie führt an sicherer Hand durch das Abenteuer - ihr fehlen aber überraschende Wendungen, außergewöhnliche Höhepunkte oder eine reizvolle Charakterisierung der Figuren. Schön wäre auch gewesen, wenn die wenigen Entscheidungen, die ihr während einer Mission treffen müsst (liefert ihr die Königstochter ihrem vom Vater gewählten Gemahl aus oder lasst ihr sie ziehen) spielerische Folgen hätten und es mehr solcher Verzweigungen gäbe. Immerhin findet ihr in den Tavernen

Die Geschichte wird auf allen Systemen in unbewegten Bildern erzählt (DS)
der Städte viele Informationen zum Hintergrund der Geschichte. Zudem begegnen euch hin und wieder amüsante Gestalten, die einige der zahlreichen freiwilligen Aufgaben auflockern. In solchen Momenten verleiht die Sprache des Drehbuchs den Akteuren auch eine Eigenständigkeit, welche die Unterhaltungen sonst missen lassen. Infinite weiß übrigens um diesen Makel; er soll in Zukunft nicht mehr auftauchen...

Nein, Puzzle Quest ist kein Epos - doch das schadet ihm nicht. Denn so könnt ihr euch darauf konzentrieren, die offene Welt frei zu erforschen (euer Alter Ego bewegt sich auf einer vorgegebenem Schiene zum ausgewähltem Ziel), Nebenaufträge zu erledigen, Runen den Klauen mächtiger Wächter zu entreißen und zu Waffen zu schmieden, Reittiere zu fangen und zu dressieren, Monster zu bändigen und ihre Zauber zu erlernen, eure Zitadelle zu erweitern, Städte zu belagern und stärkere Ausrüstung zu kaufen. Spätestens an diesem Punkt wird klar: Dies ist kein simples Knobeln. Im Grunde ist Puzzle Quest ein ausgewachsene Taktik-Rollenspiel - nur dass es seine Spieler nicht mit dem Regelwerk vom Umfang eines Lexikons überrollt.

Pimp your ride

Denn das Trainieren von Reittieren, also das Verbessern ihrer Fähigkeiten, oder das Lernen der Zaubersprüche von Monstern sowie das Erstellen neuer Waffen aus aufgelesenen Runen ist den Kämpfen z.B. sehr ähnlich. Allerdings geschieht dies mit einer jeweils anderen Variation des zugrunde liegenden Prinzips. Schließlich müsst ihr gegen die gefangenen Tiere unter Berücksichtigung eines knappen Zeitlimits kämpfen, eine bestimmte Anzahl an Mana plus nur hier vorkommende Schriftrollen sammeln sowie eine vorgegebene Anzahl auf dem Spielfeld verteilter Hämmer und Ambosse abräumen. Die Herausforderungen sind mitunter ausgesprochen knifflig und lockern den Heldenalltag spürbar auf - eine hervorragende Idee!

Doch bevor ihr überhaupt so aktiv werden könnt, müsst ihr eure Zitadelle um neue Gebäude erweitern: u.a. eine Höhle, die als Gefängnis dient, und eine Schmiede, in der ihr die Runen verarbeitet. Seid ihr an zusätzlichem Einkommen interessiert, solltet ihr außerdem eine Belagerungshalle bauen, denn nur dann stehen euch Katapulte zur Verfügung, mit denen ihr Städte angreifen könnt. Eine knifflige Aufgabe, denn besonders in den ersten Stunden gehören die Städte zu den stärksten Widersachern. Doch wer siegreich ist, streicht anschließend die Steuern des eroberten Gebietes ein! Und davon erhalten Abenteurer nicht nur frische Kettenhemden, Helme, Schuhe oder Schwerter; gegen Geld dürfen sie auch ihre 

Der Trailer vermittelt einen kurzen Eindruck des genialen Spielprinzips.
Werte aufbessern - falls der nächste Stufenaufstieg wieder einmal in zu weiter Ferne liegt.

Allzu umfangreich fällt die Entwicklung des eigenen Charakters allerdings nicht aus; schon allein deshalb, weil die vier Charakterklassen (Druide, Krieger, Magier, Ritter) lediglich die Grundausstattung der Klischeekiste abdecken. Zudem lassen sich die Figuren nur begrenzt den eigenen Vorlieben anpassen, da jede Klasse im Verlauf des Abenteuers einen vorgegebenen Satz an Zaubersprüchen lernt. Immerhin wird jeder Spieler ein ihm eigenes Set an Zaubersprüchen mit in den Kampf nehmen, sobald er sich für ein Reittier entscheiden und aus seinem später großen Vorrat an Zaubern höchstens sechs auswählen muss.

Vom Kleinsten auf die Größte

Bleibt nur die Frage, inwiefern sich die Versionen für PSP, DS  360, Wii sowie PS2 voneinander unterscheiden.

Auf dieser Weltkarte steuert ihr eure zahlreichen Ziele an. (360)
Grundsätzlich erhaltet ihr dabei auf allen Plattformen dasselbe Spiel. Systembedingt müssen DS-Taktiker allerdings auf einige Finessen verzichten. Dabei handelt es sich um das auf Wii, PSP und 360 übersichtlichere Spielfeld (wegen des ins Vollbild gestauchten PS2-Bilds hier nur mit Einschränkungen), schönere Charakter- und Landschaftszeichnungen, einige Stücke der aufwendigen, melancholischen bis kämpferischen Orchestermusik samt Chor sowie eine bequeme Handhabung über die Richtungstasten. Warum sich Puzzle Quest auf dem Nintendo-Handheld ausschließlich per Touchscreen steuern lässt, bleibt ein Rätsel, denn die kleinen Symbole kosten spätestens auf wackligen U-Bahn-Fahrten einige "Unerlaubte Züge", was nicht nur dem Gegner einen Zug schenkt, sondern auch fünf Punkte von der Lebensenergie abzieht. PSP-Spieler können über die kurzen Ladezeiten nörgeln, die vor dem Anzeigen der Effekte einiger Zaubersprüche anfallen, wogegen sich Konsolen-Besitzer über eine Hand voll zusätzlicher (englischer) Sprachaufnahmen freuen. In Sachen Nunchuk und Remote trauen sich die Entwickler übrigens wenig: Puzzle Quest lässt sich zwar ähnlich wie am PC per "Mausschlenker" steuern, die Kontrolle über das Digipad ist allerdings wesentlich schneller und komfortabler.

Die einzigen spielerischen Unterschiede sind zum einen das Set vorherbestimmter Spielfelder für jedes DS-Monster und zum anderen die an wenigen Punkten verbesserten Regeln für einige Zauber der Konsolenvarianten. Neu ist z.B. die Wartezeit von besonders starken Sprüchen vor ihrem nächsten Einsatz. Vorteile haben Besitzer der Microsoft-Konsole, weil sie mit 1200 Punkten deutlich günstiger wegkommen als andere Spieler und nicht nur im gleichen Raum gegen einen Kumpel antreten, sondern sich auch online mit Freunden und Unbekannten messen dürfen.  

Fazit

Es ist enorm, welche riesige Staubwolke ein so scheinbar kleines Spiel aufwirbeln kann! Puzzle Quest wurde aus der Not heraus geboren - schlug aber ein wie der Sprengkopf einer dicken Blockbuster-Bombe. In dem Krater, den es hinterlässt, werden sich mit Sicherheit nicht nur Nachkommen niederlassen, sondern auch etliche Nachahmer. Doch wieso? Genau genommen ist es weder innovativ noch reizt es seine Rollenspielaspekte voll aus. Das muss es aber nicht, denn seine wahre Stärke liegt in dem auf den ersten Blick banalen, beim zweiten Hinsehen enorm tiefgründigen Kampfsystem. Mit allem, was dazu gehört, denn der Zitadellen-Bau, das Erobern von Städten, das Einfangen von Monstern oder Reittieren und nicht zuletzt das Schmieden besonders starker Waffen haben direkt mit dem Kampf zu tun. Das komplette Spiel wirkt wie aus einem Guss - ein Guss, in dem alles greifbar scheint und trotzdem stets eine Herausforderung stellt. Dass verschiedene Aufgaben zusätzlich das Prinzip abwandeln und so zum Umdenken zwingen, tut dem Antrieb ebenso gut wie die durchdachten Mehrspieler-Duelle. Wer Puzzle Quest außen vor lässt, verpasst eines der packendsten Spiele, welche das Jahr 2007 - und im Fall der Wii- sowie PS2-Umsetzungen: 2008 - zu bieten hat!

Pro

einzigartiges, taktisch forderndes Kampfsystem
süchtig machendes Spielprinzip
Aufbau der eigenen Zitadelle
zahlreiche Nebenaufgaben
Monster können gefangen werden
Ausrüstung aus Runen bauen
Belagerung von Städten
verschiedene Variationen des Puzzle-Prinzips
orchestrale Musik von melancholisch bis kämpferisch
viele Informationen zur Hintergrundgeschichte
einige witzige Charaktere
zahlreiche Ausrüstungsmöglichkeiten
Splitscreen-Multiplayer auf allen Konsolen, WiFi auf Handhelds
Online-Multiplayer auf 360
Mehrspieler: ausgeglichene Helden trotz unterschiedlicher Stufen

Kontra

belanglose Handlung
keine Digipad-Steuerung am DS
eingeschränkte Charakterwahl und -entwicklung
Online-Multiplayer nur auf 360

Wertung

360

Dank leicht verfeinerten Regeln und Online-Mehrspieler-Duellen die beste Version des genialen Spielprinzips!

NDS

Die schwächste Version des Taktik-Kobel-Knüllers ist immer noch ein Platinkandidat!

PlayStation2

Obwohl das Bild etwas gequetscht wird: Auch auf PS2 macht Puzzle Quest süchtig!

PSP

Bis auf den nicht vorhanden Online-Modus der 360-Fassung ebenbürtig - süchtig machend!

Wii

Umständliche Remote-Steuerung - aber auch die Wii-Umsetzung macht ungemein süchtig!

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