Im Test:
Korbkriege
Erinnert ihr euch? Als die NBA Street-Serie geboren wurde, begann der schleichende Abstieg der bis dato führenden Jam-Reihe, die im Jahre 2003 eingestampft wurde. Aber Midway gab nicht auf, orientierte sich an EAs Frischling und versucht mit einer neuen Franchise zurückzuschlagen. Die ist jetzt auch endlich hierzulande erschienen und will der fast schon bodenständigen Konkurrenz von "Homecourt" einen lauten und schrillen Hochglanz-Basketball mit viel Blingbling entgegen stellen.
Ihr seid in der Rolle eines unbekannten, aber innerhalb akzeptabler Möglichkeiten frei editierbaren Basketball-Emporkömmling unterwegs, um in einer Art Reality-TV-Show die Größen der NBA aufzumischen und den Titel als Auserwählter zu erreichen. Dass die Geschichte direkt an den Vorgänger NBA Ballers Phenom anschließt ist einerseits vorteilhaft, da innerhalb der Serie eine gewisse Struktur erkennbar scheint. Da aber Phenom hierzulande nicht veröffentlicht wurde, fehlt den Ballwerfern in Deutschland natürlich der Zusammenhang. Auf den ersten Blick wirkt die Kulisse ebenso interessant wie die frischen Ideen in der Spielmechanik. Doch der Lack kriegt sehr schnell erste Kratzer...
I Love this Game?
Die Story wird durch interessante Zwischensequenzen in Engine-Grafik sowie mit Realsequenzen in einem an ESPN erinnernden Studio mit Rapper Chuck D als Moderator erzählt. Sie bietet allerdings keinerlei Einflussmöglichkeiten und ist letztlich nur ein Hochglanzumschlag für die zahlreichen Duelle auf dem Court.
Gerade die gestalten sich jedoch bei genauem Hinsehen als Problemkind. Auf den ersten Blick scheint noch alles gelungen und eine lohnenswerte Alternative zu den diversen NBA Streets darzustellen: Es gibt zahlreiche Matchvarianten (1-gegen-1, 2-gegen-2, 1-gegen-1-gegen-1), die wiederum mit besonderen Siegbedingungen und Sonderregeln versehen wurden. Mal zählen nur durch Dunks erzielte Körbe, ein anderes Mal muss der Ball nicht erst geklärt werden, bevor man versucht, seinerseits den Korbleger zu setzen.
Und dann wiederum bekommt nach einem Korb nicht derjenige den Ball, der das Nachsehen hatte, sondern der Punktsieger behält die Kugel. Zusammen mit einem durchaus ansprechenden, mit seinem Schulterknopfeinsatz an frühe Steet-Teile erinnernden Tricksystem inklusive Sonderbewegungen in Form eines Reaktions-Minispielchens, die wiederum dafür sorgen, dass die drei "Power-Balken" für Superaktionen schneller aufgeladen werden, verspricht Chosen One eine Menge Spaß. Midway wollte hoch hinaus. Doch außer spektakulären Dunks hat Chosen One der Konkurrenz kaum etwas entgegenzusetzen.
Kein richtiger Gegner
Leider hält der nicht lange an. Denn alle guten Ideen fallen vor allem im Zusammenspiel miteinander einer Spaßbremse namens Spielbalance zum Opfer - vornehmlich im Einzelspielermodus. Denn hier stellt sich die KI dermaßen dumm an, dass man bis auf sehr wenige Ausnahmen alle Spiele mit Hilfe eines kleinen Tricks problemlos gewinnen kann.
Mit dem bereits angesprochenen Minispielchen ("Act-A-Fool") lässt sich nicht nur die KI sehr schnell schwindelig spielen, sondern auch die erste der drei Power-Leisten füllen - im Normalfall reicht ein erfolgreiches Act-A-Fool mit anschließendem Dunk. Jetzt kann man diese Power-Leiste z.B. für einen "Powersteal" nutzen, um wieder in Ballbesitz zu gelangen, da dieser nahezu unmöglich zu blocken ist. Und was hindert einen jetzt daran, das ganze Spielchen mit Act-A-Fool, Korbleger und Powersteal fortzusetzen? Richtig: Nichts! Und damit wird die in Ansätzen interessante Karriere sehr schnell sehr langweilig.
Besondere Dunks oder der Superblock, die mit zwei gefüllten Leisten möglich sind, sehen zwar beim ersten Mal spektakulär aus, sollten jedoch nur sporadisch eingesetzt werden. Denn wer geduldig sammelt und die dritte Leiste füllt, kann von nun an einen "Spiel-beenden-Spezialangriff" starten. Selbst wenn ihr 0:70 hinten liegt, habt ihr mit dieser Bewegung, die darüber hinaus nicht geblockt werden kann, sofort gewonnen. Und spätestens hier hat sich die Balance in ihren ohnehin nicht verdienten Sommerurlaub verabschiedet...
Dynamik? Wo denn? Hier jubelt Kobe noch. Aber offensichtlich musste er auch nicht NBA Ballers Chosen One spielen...
Doch dies ist nur eines der Probleme, die Chosen One zum Verhängnis werden. Denn so ansehnlich die mit den Powerleisten zusammenhängenden Bewegungen auch sind, so schnell hat man sich an ihnen satt gesehen. Denn letztlich kann man innerhalb des Editors für jede Aktion (Steal, Dunk, etc.) nur eine Bewegung festlegen. Doch das allein wäre auch noch nicht der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass überlaufen lässt.
Aber dass eben diese Bewegungen bar jeder Spieldynamik eine festgelegte Videosequenz starten, die man nicht abbrechen kann und die mit ihrer Dauer zwischen sechs und neun Sekunden irgendwann nur noch nervt, ist kaum verzeihlich. Hier ist die Street-Konkurrenz (egal ob letzte oder diese Generation) einfach drei bis vier Schritte voraus. Zugegeben: Die Specials in Homecourt wirken vielleicht nicht so spektakulär wie hier, sind dafür aber wesentlich homogener in den Spielverlauf eingebunden. Eine Lösung, die ich auf lange Sicht bevorzuge.
Dazu kommt, dass die Geschichte der sechs Kapitel spätestens nach Abschnitt drei keinerlei Überraschungen mehr bietet - auch die Spielmodi hat man zu diesem Zeitpunkt schon alle kennen und dazu leider auch hassen gelernt (inkl. eines klassischen Drei-Punkte-Wettbewerbes). Zumal abgesehen von der Soundkulisse mit guter Sprachausgabe, den üblichen Court-Geräuschen und fetten Beats technisch eher durchschnittliche Kost geboten wird. Die Animationen sind sauber, reißen aber auch keine Bäume aus. Dadurch lenken sie aber wenigstens auch nicht von den ebenfalls biederen Hintergründen ab.
Im Mehrspieler-Modus fallen immerhin die KI-Probleme weg. Und schon wird Chosen One zumindest im Ansatz erträglich und erreicht bei Spielern mit ähnlicher Qualität einen akzeptablen Unterhaltungswert: Sowohl das Reaktionsspielchen Act-A-Fool als auch die sonstigen Trickmöglichkeiten sorgen für ein Hin und Her, das beinahe dynamisch genannt werden kann. Dass aber dennoch der Superpowermove das Ende eines Duells bedeuten kann, bleibt ein Dorn im Auge.
Fazit
Vielleicht hätte Midway sich wie beim Vorgänger "Phenom" auch bei NBA Ballers Chosen One dafür entscheiden sollen, den Titel hierzulande nicht auf den Markt zu bringen. Ein großer Verlust wäre das für Basketball-Fans jedenfalls nicht gewesen. Die spieltechnischen Ideen des Arcade-Basketballs klingen auf dem Papier allesamt gut, leiden in der Umsetzung aber an fehlender Balance (Stichwort: Powermove der Stufe 3 = sofortiger Sieg) sowie mangelnder Dynamik. Rap-Legende Chuck D wirkt als Moderator ebenso verheizt wie die NBA-Lizenz im Allgemeinen. Und dass die Technik insgesamt nur Durchschnittswerte erreicht, hilft auch nicht gerade, den dank mäßiger KI ohnehin kaum motivierenden Einzelspieler-Modus aufzuwerten. Zu zweit wird wenigstens das Manko der schwachen CPU-Intelligenz ausgeräumt, so dass das Spiel dadurch zumindest kurzfristig unterhält. Midway wollte viel, hat dabei aber den Sinn für das Wesentliche verloren. Denn egal, wie arcadig sich ein Basketball-Spiel auch präsentiert - wenn das Balancing den Bach runter geht, können selbst spektakuläre Dunks nicht mehr viel retten. Hier wurde eine ganz große Chance verpasst, sowohl der eigenen NBA Jam-Vergangenheit die Ehre zu erweisen als auch der ohnehin spärlich vorhandenen Konkurrenz Paroli zu bieten. Schade.
Pro
Kontra
Wertung
360
NBA Ballers Chosen One steckt voller guter Ideen. Doch die spketakulären Dunks fallen einem grausamen Balancing zum Opfer...
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