Halo: Reach30.07.2010, Jan Wöbbeking
Halo: Reach

Vorschau:

Nun ist aber endgültig Schluss. Reach wird Bungies letztes Halo und als Abschiedsgeschenk bekommen Fans vor allem mehr Freiheiten als früher: Der Leveleditor ist mächtiger geworden, der Multiplayer bietet Spezialfähigkeiten wie Jetpacks und jede Menge Schnickschnack für Konfigurationsfanatiker. Außerdem darf man den launigen Gegneransturm »Firefight«, der in ODST debütierte, endlich nicht mehr nur mit Freunden, sondern auch per Spielervermittlung mit Fremden zocken. Wir haben auf einem Event in München um die Wette geballert.

Malerische Panoramen

An die Kampagne durften wir auf der Veranstaltung leider nicht Hand anlegen. Trotzdem ließ Bungie es sich nicht nehmen, den anwesenden Journalisten ein wenig den Mund wässrig zu machen und spielte die ersten Minuten auf der Leinwand vor. Unter technischen Gesichtspunkten hat mich das Gezeigte zwar nicht vom Hocker gehauen - trotzdem sah man auf Anhieb, dass deutlich mehr Details in die weitläufigen Areale geflossen sind als in den Karten der Reach-Beta oder gar in ODST. Hinter feinen Nebelschwaden ragen riesige Gebirgszüge in die malerisch aufgetürmten Wolken, während eine emotionale Streicher-Melodie erklingt. 

Zurück in die Vergangenheit: Der Master Chief ist nicht dabei, doch vier seiner Spartan-Vorgänger kämpfen im Noble Team Seite an Seite.
Landschaftsmaler Bob Ross würde gewiss eine Träne der Rührung verdrücken, wenn er das noch erleben dürfte. Mit einem wohligen Kribbeln erinnere ich mich an meine erste Landung auf Halo im Jahr 2001.

Der Flashback ist durchaus beabsichtigt, denn Reach kehrt zurück zu seinen Wurzeln und soll das verkörpern, was Halo seinerzeit zu etwas besonderem machte: Massenschlachten vor eindrucksvollen Kulissen. Auch geschichtlich geht es einen großen Schritt zurück, denn Reach spielt im Jahr 2552, also noch vor dem ersten Teil. Der Master Chief taucht nicht auf, wohl aber jede Menge andere Spartans. Der Spieler wird Teil des vierköpfigen Noble Teams, welches einem Notruf einer Relais-Station nachgeht. Kaum sind die vier losgeflogen, bricht auch schon die Funkverbindung zur Basis ab und sie sind auf sich allein gestellt.

Freund oder Feind?

Nachdem die zwei Helis am Ziel der Mission landen, herrscht zunächst Stille. Lediglich ein paar aufgescheuchte Alien-Strauße trippeln über den verwucherten Trampelpfad. Als nächstes schreiten zwei ängstliche Planetenbewohner mit erhobenen Händen aus dem 

Unbewaffnete Einwohner und wilde Tiere sollen die Welt lebendiger gestalten.
Eingang der Station und reden aufgeregt in einer fremdartigen Sprache. Die unbeteiligten Tiere und Zivilisten sollen die Areale lebendiger gestalten als in den Vorgängern. Plötzlich erklingt das Grunzen eines Schakals und kurz darauf gleiten zwei Banshees ins Bild: Die Schlacht ist eröffnet! Die Spartan-Kollegen lassen sich nicht wie z.B. in Brothers in Arms herumkommandieren, doch Unterhaltungen und Funksprüche zwischen den Teammitgliedern gibt es offenbar zu Hauf. Bislang beschränkten sich die Gespräche auf typische testosterongeschwängerte Shooter-Plattitüden, doch immerhin scheinen die englischen Sprecher ihren Job gut erledigt zu haben. Hoffentlich kommen auch wir Deutschen endlich einmal in den Genuss einer halbwegs ordentlichen Vertonung; das ist nach ODST schwer denkbar, aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Die englische Original-Synchro wird übrigens wie gehabt nicht auf der deutschen Disk mitgeliefert.

Zurück zur Action: Während die Spartans einen schlammigen Pfad entlang durchs Gebüsch laufen, liefern sie sich ein paar flotte Kämpfe mit flink ausweichenden Elites und diversen Schakalen. Kurz bevor eine glühende Schusssalve bei einem der Spartan-Kollegen ankommt, wendet er eine der neuen Spezialfähigkeiten an: Mit Wucht knallt seine Faust auf den Boden und bildet einen kurzzeitigen Schutzschild um seinen Körper. Die Aktion war erfolgreich: Die leuchtenden Projektile prallen mit einem Flirren von ihm ab, wärend um ihn herum der Regen auf den schlammigen Boden pladdert. Der Wolkenbruch ist hübsch in Szene gesetzt: Die einzelnen Tropfen prasseln sehr ansehnlich auf die gestochen scharfe, sich kräuselnde Oberfläche einer Pfütze. Damit endet die Präsentation - Von den im Trailer angerissenen Sequenzen im Raumgleiter gab es leider nichts zu sehen.

               

Firefight Reloaded

Also nichts wie an die bereit stehenden Konsolen: Im »Firefight« geht es gegen stetig neu anrückende Gegnerwellen zur Sache - wie im Vorbild "Horde" in Gears. In ODST sorgte der Modus schon für äußerst lustige Koop-Schlachten, wirkte aber noch nicht wirklich ausgereift. Dort durfte man nur zusammen mit Live-Freunden zocken.

Die erfreulich geräumigen Firefight-Karten stammen direkt aus der Kampagne. 
Das war vor allem deshalb ärgerlich, weil es zu viert um ein Vielfaches leichter war, die dazugehörigen Erfolge abzustauben als mit weniger Teilnehmern. Glücklicherweise hat Bungie nachgebessert und bietet nun eine Spielervermittlung an. Außerdem wird neuerdings der Schwierigkeitsgrad an die Spielerzahl angepasst. Des Weiteren lassen sich jetzt auch kurze Matches spielen, denn die Anzahl der Runden, Sätzen und Gegnerwellen ist frei konfigurierbar.

Dazu kommt ein regelrechter Wust anderer Einstellungsmöglichkeiten: Man darf entscheiden, in welcher Reihenfolge man gegen eigens auserwählte Gegnertypen antritt und wie clever sie angreifen. Loadout-Zusammensetzungen, Bewegungsgeschwindigkeit, Schildstärke und andere Feinheiten dürfen ebenfalls angepasst werden. Dazu gehören auch drei eigens kreierte Schädel, durch deren Einsatz die Widersacher z.B. kurzzeitig sehr geschickt ausweichen oder viele Granaten schmeißen. Selbstgebastelte Modi-Varianten lassen sich übrigens über das Internet tauschen. Wer nicht in Menüs herumkramen sondern einfach nur ballern möchte, darf das natürlich auch: Im zwölf Minuten langen Score Attack können sich Spieler weltweit in Highscorelisten vergleichen, da hier die Voraussetzungen gleich bleiben. Im Firefight Classic endet das Match erst, wenn es alle hingerafft hat.

Und alle so: Yeah!

Nicht besonders anspruchsvoll aber lustig gestalten sich die Spieltypen Rocketfight und Gruntpocalypse. Bei ersten ballert man mit unbegrenzt vielen Raketen um sich; beim zweitem fliegt bei jedem Headshot Konfetti aus den Köpfen der herumwackelnden Grunts, während ein begeistertes "Yeah" aus den Boxen erklingt. Spannender wird es in Generator Defense: Dort müssen wie im Multiplayer Generatoren beschützt werden.

Jetzt wird's brenzlig: Am zentralen Teich auf »Overlook« ist man ein gefundenes Fressen für gegnerische Projektile. 
Im Versus Mode darf ich meine Mitspieler sabotieren, indem ich auf Seiten der Allianz kämpfe: Als Elite mache ich mich beinahe unsichtbar, schleiche mich an sie heran und vollführe ein paar Stealth-Kills - ein herrlich hinterlistiger Spaß. Nachdem ein Spartan mich ausgeschaltet hat, wechsle ich das Loadout und locke ihn mit einem Trugbild aus der Deckung. Dank dieser neuen Spezialfähigkeit kann ich ein Ebenbild von mir als Hologramm über die Map laufen lassen. Dazu peile ich einfach ein entferntes Gebäude an, nach einem Tastendruck dackelt mein Alter Ego los und schon kann ich mich um mein verwirrtes Gegenüber kümmern. All zu oft wird das Ablenkungsmanöver freilich nicht von Erfolg gekrönt, denn das Hologramm läuft lediglich schnurstracks geradeaus.

Noch mehr Spaß als solche Gemeinheiten bringt es aber, sich ganz klassisch Seite an Seite Gefechte mit Elites zu liefern. Die Gegner-KI ist bekanntermaßen eine der größten Stärken von Halo. Trotzdem wurden Intelligenz und Animationen der flinken Außerirdischen mit dem imposanten Beißwerkzeug noch einmal gehörig aufpoliert: Wenn ich auf der Karte »Hof« im Zweikampf mit einem Elite um schmale Pfeiler herum tänzele, erinnert das das schon fast an die Choreographie eines Martial-Arts-Films. Genau diese Duelle sorgen wieder für die typischen dynamischen Halo-Momente, welche das Spiel so spannend machen. Auch die Massenschlachten kommen nicht zu kurz, denn diesmal fällt der Großteil der Firefight-Karten deutlich größer aus als in ODST. Das ist vor allem deshalb eine gute Nachricht, weil ich schon damals den größten Spaß hatte, wenn drei Freunde und ich mit Warthog und Chopper über ein weitläufiges Gelände heizen konnten.

           

Auf in die Luft!

Chancengleichheit gehört für Community Director Brain Jarrard untrennbar zur Halo-Formel: "Bei uns betreten zwei Spieler das Schlachtfeld und der bessere gewinnt" Eine einschneidende Neuheit sind die bereits erwähnten Spezialfähigkeiten, die so genannten Armor Abilities. Je nach Loadout, welches Waffen und Fähigkeiten zusammenfasst, wähle ich ein Exemplar aus: Entweder darf ich kurze Zeit sprinten, fliege ich mittels Jetpack durch die Luft, benutze das erwähnte Schild, werde durch aktive Tarnung ähnlich schlecht sichtbar wie der  Predator oder schicke den Hologramm-Dummy über die Map. Die Fähigkeiten zehren allerdings an der entsprechenden Energieleiste, welche sich von alleine wieder auflädt.

Nun aber genug vom Firefight, schließlich ist der Online-Multiplayer nach wie vor einer der wichtigsten Modi. Auch in der Multiplayer-Beta musste ich mich erst einmal an die neuen Fähigkeiten wie das Jetpack gewöhnen. Reach besitzt zwar immer noch das klassische Halo-Spielgefühl, trotzdem wirken die Matches jetzt dynamischer und hektischer. Als mir Community and PR Director Brian Jarrard Rede und Antwort steht, frage ich ihn, ob das Spiel absichtlich schneller gemacht wurde. "Eigentlich ist es genau andersrum", antwortet Jarrard, "Wir haben ein wenig das Tempo heraus genommen. Neuerdings dauert es etwas länger, bis das Gegenüber stirbt. Nach dem Beta-Feedback haben wir die Geschwindigkeit aber wieder erhöht. Alle Design-Entscheidungen wurden genau aufeinander abgestimmt. Es gibt z.B. das geänderte Energie-System mit Health-Packs und dem zusätzlichen Schild." Wer sich in einem hitzigen Gefecht für ein paar Sekunden in Deckung begibt, kann also immer noch sein Schild aufladen. Doch weil dieser Schutz neuerdings schneller aufgebraucht ist, gestaltet sich das Überleben bei fast leerer Lebensenergie-Anzeige aber deutlich schwerer.

Klau den Kern!

Neu ist auch der Multiplayer-Modus Invasion. Er sorgt zu Beginn für Verwirrung, denn in den Vorgängern gab es keine Spielvariante mit derartig komplexen Regeln. Im Prinzip muss das Elite-Team einfach nur das Schild deaktivieren und einen glühenden "Navigation Core" stibitzen. Die Spartans versuchen, das Vorhaben zu vereiteln. Doch da das Match auf unterschiedlichen Bereichen der geräumigen Karte stattfindet und die Teams in Squads aufgeteilt sind, ist es zunächst gar nicht so leicht, den Überblick zu behalten. Außerdem stehen je nach Spielphase und Map-Abschnitt unterschiedliche Loadouts und Fahrzeuge zur Verfügung. Wem das zu komplex wird, sollte sich lieber an das einfacher aufgebaute Generator Defense wagen: In einem überschaubaren, an einem idyllischen Fluß gelegenen Areal versuchen drei kleine Elite-Squads, drei Generatoren in die Luft zu jagen. Im ebenfalls neuen Stockpile gilt es, neutrale Flaggen in der eigenen Basis zu horten und bis zum Ablauf eines Zeitlimits zu beschützen. Natürlich sind auch diverse klassische Modi wie Slayer, Team Slayer und diverse Oddball-Varianten mit von der Partie.

Anders als in Trendsettern wie der Call of Duty oder der Battlefield -Serie lassen sich in Halo Reach keine stärkeren Waffen oder Upgrades freischalten. »Das ist einfach nicht Teil der Halo-Formel«, erklärt Jarrard, »Das war uns sehr wichtig.

Neben unbewaffneten Jeeps und Standard-Warthogs gibt es auch Exemplare, welche mit Raketenwerfern ausgestattet sind. 
Bei uns betreten zwei Spieler das Schlachtfeld und der bessere gewinnt - ganz einfach.  Es geht nicht darum, wer die besere Ausrüstung besitzt.« Besonders talentierte Spieler können sich übrigens in »The Arena«, einer Art separaten Rangliste für Hardcore-Spieler versuchen. Wer die vorgegebenen Mindestvoraussetzungen an bestimmten Kills, Assist und ähnlichem erfüllt, darf sich einen Monat lang mit anderen Profis messen. »In »The Arena« geht es auf jeden Fall um Wettbewerb. Es ist eine gute Art, Leute zu isolieren, die sich auf hohem Niveau miteinander messen wollen. Wer einfach nur zum Spaß spielen möchte, kann das auch in Reach, aber nicht hier. In diesem Teil des Spiels geht es darum, Auszeichnungen zu ergattern und vor seinen Freunden damit anzugeben.« Auch in gewöhnlichen Multiplayer-Partien lässt sich auswählen, gegen welchen Spielertyp man antreten möchte. So kann man z.B. festlegen, ob man lieber mit stillen Wassern oder Labertaschen, mit Headshot-Verteilern oder entspannten Feierabend-Zockern unterwegs sein möchte.

Riesiger Sandkasten

Wer mehr Wert auf Kreativität als auf Können legt, darf sich in der »Schmiede« austoben. Bereits in Halo 3 war der Map-Editor enthalten, doch diesmal ist einiges mehr möglich: Kamera und Objekte bewegen sich in einer neuen Nahansicht feinfühliger. Der sinnvollste Einsatzort für das aufpolierte Werkzeug ist die Riesenmap Forge World: Rund um die Map-Klassiker Blood Gulch erstreckt sich ein gigantisches Areal, auf dem Bastler jede Menge Stege, Gerüste und andere Metallobjekte platzieren können. Hinter einer Basis flog der Entwickler z.B. mit der Kamera ein Stückchen übers Meer, vollführte eine Linkskurve und gelangte an ein steiles Gebirge. Unter dem Felsen versteckt sich eine kleine Aushöhlung. Platziert man diverse Stege und Plattformen davor, lässt sich eine hübsches Schlachtfeld in luftiger Höhe bauen. Praktisch ist, dass die Metallobjekte sich nun einfach ineinander schieben lassen, auch wenn sie sich stark überschneiden. Bis zu acht Spieler dürfen gleichzeitig über das Areal turnen, Objekte anbringen und sich gegenseitig abballern. Nach der Bastelstunde darf man festlegen, auf welchen Teilen der Map man nacheinander antritt, bevor man sie hochlädt und von anderen Spielern bewerten lässt.           

Ausblick

Bungie hat ganze Arbeit geleistet: Während der Firefight in ODST noch ein netter, aber recht eingeschränkter Bonus war, haben sich die Entwickler diesmal richtig ins Zeug gelegt. Alle wichtigen Schwachstellen wurden ausgemerzt: Die Maps sind geräumiger, der Schwierigkeitsgrad passt sich an die Spielerzahl an und es gibt endlich auch eine Spielervermittlung, damit man nicht nur mit seinen Live-Freunde loslegen darf. Der aufpolierte Firefight-Modus passt dank der traditionell starken Gegner-KI prima zu Halo. Bei meinen Probespielen hatte ich zumindest jede Menge Spaß, obwohl ich mich als Halo-Traditionalist noch immer nicht so richtig mit den neuen Spezialfähigkeiten wie dem Jetpack anfreunden kann. Der Multiplayer gibt sich ebenfalls gewohnt stark: Dank vieler neuer Modi und noch mehr Konfigurationsmöglichkeiten sollte hier jeder Halo-Freund sein Steckenpferd finden. Ob auch die Kampagne überzeugen wird, lässt sich nach der kurzen Präsentation schwer einschätzen.

Ersteindruck: sehr gut

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