Forza Motorsport 414.06.2011, Michael Krosta
Forza Motorsport 4

Vorschau:

Wenn man die lange Entwicklungszeit von Gran Turismo 5 mit einem lahmen Citroen 2CV vergleichen würde, sitzt man bei Turn 10 in einem Ferrari und gibt mächtig Gas: Nicht mal zwei Jahre nach dem überzeugenden Forza Motorsport 3 steht für diesen Herbst schon der Nachfolger in den Startlöchern - und wir konnten auf der E3 eine erste Probefahrt wagen…

PS-Party

Bewegliche Lichtsäulen erleuchteten den Nachthimmel in der Nähe des L.A. Convention Centers und zeigten damit den Weg für

Für die Veranstaltung auf dem L.A. Live Event Deck ließ Microsoft eine Auswahl an noblen Karossen ausstellen.
Für die Veranstaltung auf dem L.A. Live Event Deck ließ Microsoft eine Auswahl an noblen Karossen ausstellen.
alle PS-Jünger, die Microsoft zur Party auf dem Live Event Deck eingeladen hatte. Der Anlass: Forza Motorsport 4 (ab 46,00€ bei kaufen). Passend dazu hatte man auf dem weiträumigen Gelände einige der heißesten Sport- und Rennwagen ausgestellt, die man in der Regel nicht auf öffentlichen Straßen trifft. Herrlich, die Flitzer auch mal aus nächster Nähe betrachtenzu können. Da wurden Buffet und musikalisches Showprogramm schnell zur Nebensache - nicht zu vergessen, dass man auch selbst erste Runden mit dem 360-exklusiven Rennspiel drehen und dabei sogar neue Peripherie ausprobieren konnte.

Neue Lenkräder

Schon bei Forza Motorsport 3 arbeiteten die Entwickler von Turn 10 eng mit den deutschen Hardware-Spezialisten von Fanatec zusammen. Entsprechend wurde das Multi Plattform-Lenkrad Porsche Turbo S Wheel nahezu perfekt auf das Spiel abgestimmt, was leider immer noch eine Ausnahme ist. Bei Forza 4 geht die Partnerschaft jetzt noch ein Stück weiter: Fanatec wird zwei offizielle Wheels für den Titel produzieren, wobei die Einsteigervariante bereits bei einem Preis von über 300 Dollar liegen dürfte. Für das High End-Modell (vermutlich inklusive Clubsport-Pedalen) sind dann sogar bis zu 700 Dollar fällig - so munkelt es zumindest Thomas Jackermeier von Fanatec auf seinem Blog . Über den Preis mag man streiten können, über die Qualität hingegen nicht:

Sieht seltsam aus, aber funktioniert erstaunlich gut: Fanatects Wireless Speed Wheel-Controller.
Sieht seltsam aus, aber funktioniert erstaunlich gut: Fanatects Wireless Speed Wheel-Controller.
Das so genannte Forza Motorsport CSR-Wheel liegt fantastisch in der Hand, bietet ein intensives, aber nicht zu aufdringliches Force Feedback und fühlt sich in Kombination mit den Clubsport-Pedalen einfach traumhaft an.

Bewegungskontrolle

Für den kleinerenGeldbeutel hat man außerdem das Wireless Speed Wheel im Programm: Zum US-Verkaufspreis von knapp 60 Dollar bekommt man allerdings kein echtes Lenkrad, sonderneinen kabellosen Controller in U-Form, an dessen beiden Spitzen analoge Trigger angebracht wurden. Dort befinden sich ebenfalls blinkende Dioden, die z.B. beim Erreichen des Drehzahlbegrenzers oder Fahrhilfen aufleuchten. Gelenkt wird per Bewegungssteuerung, was hier verglichen mit so mancher Kombination aus Wii-Remote und Plastikmüll-Aufsatz erstaunlich präzise funktioniert. Überhaupt fühlt sich der Controller gut an, obwohl es die seltsame Form zunächst nicht vermuten lässt. Damit dürfte die Peripherie auch für Gelegenheitsspieler interessant sein - genau wie die alternative Kinect-Steuerung, bei der man mit einfachen Lenkbewegungen auch ohne Controller in der Spur bleibt.

Noch anspruchsvoller

Schaltet man Fahrhilfen wie das ABS oder die Traktionskontrolle aus, stellt man spätestens bei der ersten Kurve fest, dass im Vergleich zum Vorgänger noch mehr Feingefühl nötig ist, um die Kontrolle über die Boliden zu behalten. Unter- und Übersteuern wirken wesentlich ausgeprägter und gerade beim Anbremsen reagieren die Flitzer noch etwas nervöser als früher. Leider standen für die ersten Fahrten lediglich vier Autos unterschiedlicher Klassen (darunter der Ferrari 458 Italia) zur Auswahl, die man über den offiziellen Top Gear Test Track prügeln konnte. Diese Piste, die auf einem Flugplatzgelände angelegt ist, war auch schon in Gran Turismo 5 enthalten und bot auch hier die gewohnt schöne Kombination

Das Fahrverhalten wird noch einen Tick anspruchsvoller...
Das Fahrverhalten wird noch einen Tick anspruchsvoller...
aus engen Kurven und langen Vollgas-Geraden. Die KI, die überarbeitet und verbessert werden soll, blieb leider in der Garage - es wurde lediglich ein reines Zeitfahren gegen die Uhr angeboten, bei dem man alleine über die Strecke preschte.

Mehr Spaß dank Kinect?

Eine sinnvolle Verknüpfung zwischen Kinect und einem "Core-Titel" sucht man bislang vergeblich - momentan beschränkt sich der Einsatz von Microsofts Kamerasystem auf Minispiele und Familienunterhaltung. Forza Motorsport 4 könnte das erste Spiel werden, bei dem die Kombination funktioniert und sogar einen echten Mehrwert liefert. Das Stichwort lautet: Headtracking, also die Erfassung sowie Umsetzung von Kopfbewegungen des Spielers, die auf das alter Ego im Spiel übertragen werden. Das war zwar auch schon auf der PS3 mit Gran Turismo 5 in Kombination mit der PlayStation Eye-Kamera möglich, doch waren dafür optimale Lichtverhältnisse sowie ein idealer Aufstellungsort nötig. Kinect ist da weniger zimperlich: Nach der Aktivierung und Einrichtung wurden meine Kopfbewegungen astrein im Spiel erkannt, auch wenn sie mit einer leichten Verzögerung umgesetzt wurden. War die Erfassung mit der PlayStation-Kamera manchmal reine Glückssache, scheint sie hier sehr viel verlässlicher zu funktionieren - bei meinen drei Fahrten mit Headtracking-Unterstützung gab es jedenfalls keine Ausfälle oder versehentliche Kameraschwenks.

Premium-Modelle

Darüber hinaus soll Kinect auch die bevorzugte Eingabe-Methode beim neuen Modus Autovista werden, der aber alternativ auch mit dem Controller bedient werden kann. Dabei handelt es sich um den Schauraum, bei dem die Autos ganz genau unter die Lupe genommen und erforscht werden können. Für Produzent und Lead Designer Dan Greenawalt sind die Fahrzeuge in diesem Modus mit Leveln in einem klassischen Videospiel vergleichbar, bei denen man immer wieder etwas Neues entdeckt - aber auch lernt: Jeder Bolide bietet eine Top Gear-Tour, bei der die Moderatoren der bekannten TV-Show ihn näher vorstellen und ihre Kommentare zu

Im Autovista-Modus geht es auf Entdeckungstour.
Im Autovista-Modus geht es auf Entdeckungstour.
bestimmten Bereichen (etwa dem Fahrverhalten) abgeben. Wie Greenawalt einräumt, müssen die Herren dabei kein Blatt vor den Mund nehmen und so wird es auch durchaus kritische Meinungen zu hören geben.

Da der Aufwand zu hoch wäre, den kompletten Fuhrpark in Autovista abzubilden, hat man sich für eine Premium-Variante entschlossen. Will heißen: Nur eine bestimmte Auswahl an interessanten Autos wird in diesem Modus zur Verfügung stehen. Gleichzeitig wird ein enormer Aufwand bei deren Modellierung betrieben, denn selbst wenn man ganz nah an die Karosserie heran geht, soll diese immer noch knackscharf aussehen. Da drängt sich die Frage auf: Geht Turn 10 jetzt einen ähnlichen Weg wie Polyphony Digital und spaltet den Fuhrpark in viele vergleichsweise matte Standard-Flitzer sowie eine kleine Auswahl an super detaillierten Premium-Modellen? Nein. Bei Forza 4 wird JEDES Fahrzeug eine Cockpitansicht bieten und es gibt im Renneinsatz keine Extrawürste für bestimmte Modelle! Folglich sind die traumhaft schönen Luxusausführungen der jeweiligen Wagen auf den Autovista-Modus beschränkt.

Abwechslungsreichere Karriere

Für die Karriere verspricht Greenawalt mehr Abwechslung: Zwar wird man auf Wunsch immer noch einzelne Veranstaltungen in einer riesigen Liste in Angriff nehmen und einzeln abhaken können, doch soll der neue World Tour Modus mit verschiedenen Event-Typen die Motivation aufrecht halten. So wird das Standard-Renngeschehen z.B. durch einen Track Day aufgewertet, bei dem man innerhalb eines Zeitlimits eine bestimmte Anzahl an Autos überholen muss. Theoretisch hört sich das ein wenig nach den PGR-Ansätzen an - wie es praktisch aussieht, kann erst die Zukunft zeigen. Das gilt auch für die Online-Komponente, bei der das Starterfeld auf maximal 16 Spieler erweitert wurde, während der Vorgänger nur acht erlaubte. Die Einflechtung eines Rivalen-Modus innerhalb der Karriere soll ähnlich funktionieren wie das Autolog-System von Need for Speed - wir sind gespannt. Fest steht dagegen, dass die Erstellung von

Detaillierte Fahrzeugmodelle und ansehnliche Kulissen: Forza 4 ist bestens gerüstet.
Detaillierte Fahrzeugmodelle und ansehnliche Kulissen: Forza 4 ist bestens gerüstet.
Autoclubs zurückkehren wird und Funktionen wie das Auktionshaus sowie das Teilen von Inhalten (Setups, Fotos, Videos) erhalten bleibt. Club-Mitgliedern soll es sogar ermöglicht werden, untereinander Fahrzeuge zu teilen, so dass sich nicht jeder alle Boliden selbst anschaffen muss.

Das Auto als Zentrum

Technisch beschreitet Turn 10 neue Wege: Zum ersten Mal setzt man auf das so genannte Image Based Lighting - ein Beleuchtungssystem, das laut Greenawalt vornehmlich in der Werbung zum Einsatz kommt und das Auto als zentrales Element in den Mittelpunkt rückt. Auch Criterion setzt bei Need for Speed: Hot Pursuit bereits auf dieses Mittel. Ein Vorteil ist schnell erkennbar: Der Wechsel zwischen Licht und Schatten wirkt im Cockpit nicht nur geschmeidiger, sondern die Schatten auch weicher - das pixelige Ausfransen wurde weiter minimiert. Doch auch die Spiegelungen auf dem Lack der Boliden sehen mit ihren leichten Überblendungseffekt prima aus. Zwar fällt der grafische Sprung auf den ersten Blick nicht so groß aus wie vom zweiten auf den dritten Teil, doch dürfte Forza Motorsport 4 visuell zu den eindrucksvollsten Rennspielen 2011 zählen, zumal man weiterhin mit superflüssigen 60 Bildern pro Sekunde unterwegs ist.

Was allerdings ein wenig stört, ist die mangelnde Physik abseits von Fahrwerk & Co: Knallt man z.B. in einen Reifenstapel, rührt sich und wackelt nichts - genau so, als würde man gegen eine Betonwand fahren. Vom Schadensmodell gab es in diesem Zusammenhang leider noch nichts zu sehen, doch steht dafür bereits fest, dass die Rückspulfunktion weiterhin zur Verfügung steht (aber alternativ auch bewusst in den Optionen deaktiviert werden kann), Kupplung H-Schaltung bei entsprechenden Lenkrädern unterstützt wird sowie die Wahl zwischen einer normalen sowie einer simulationslastigeren Version bei der Lenkung hat. Mit Kinect landet man außerdem per Sprachbefehl schnell und einfach an der gewünschten Stelle, was die Navigation innerhalb der z.T. verschachtelten Menüs sehr vereinfachen dürfte. Besitzer des Vorgängers dürfen sich außerdem darüber freuen, dass sie ihr Profil sowie Setup-Daten importieren dürfen und als Belohnung gleich ein paar Boliden in ihrer virtuellen Garage vorfinden.

Ausblick

Forza Motorsport 4 wird ein großartiges Rennspiel! Ich bin fest davon überzeugt, dass Turn 10 auf den Qualitäten des Vorgängers aufbaut und sich noch weiter steigern kann. Reicht es am Ende gar für den Platin-Award? Bis zu einer detaillierten Einschätzung sind leider noch zu viele Fragen offen: Wie verhält sich die KI? Wird die neue Karriere tatsächlich rocken? Gibt es endlich Qualifying-Sessions, Boxenstopps und wechselnde Witterungsbedingungen?  Wie gut wird das Schadensmodell, wie stabil der Netzcode? Ausgerechnet Kinect könnte sich allerdings als echter Mehrwert erweisen, denn sowohl Headtracking als auch die Navigation per Sprachbefehlen funktionieren erstaunlich gut. Nicht zu vergessen der Autovista-Modus, bei dem vornehmlich Autoliebhaber auf ihre Kosten kommen dürften, wenn sie jeden Winkel des motorisierten Traums erkunden. Keine Sorgen mache ich mir bei Fahrgefühl sowie Physik: In diesen Bereichen war die Serie schon immer top und nach den ersten Testrunden deutet alles darauf hin, als würde es auch dabei bleiben. Zwar geht man Gelegenheitsspielern mit Kinect-Steuerung und weiteren Einsteigerhilfen entgegen, doch lässt man Profis mit Simulationsanspruch im Gegenzug nicht hängen. Nicht zu vergessen die zahlreichen Community-Funktionen und Editoren, mit denen man auch abseits des Renncockpits begeistern kann. Forza Motorsport 4 bringt alles mit, um sich die Pole Position in der Startaufstellung zu sichern… Ob es reicht, werden aber erst die nächsten Monate zeigen können.
  


Ersteindruck
: sehr gut / Fit4Hit

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