Der mächtigste Zombie der Welt
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Action, Horror, Spannung: Capcom will es allen recht machen.
„Bleiben Sie, wo Sie sind“, schreit Leon S. Kennedy mit gezückter Waffe. Doch der Protagonist aus Resident Evil 2 und 4 sollte es eigentlich besser wissen: Denn das, was da blutverschmiert auf die Secret Service-Agentin Helena Harper zuschlurft, hat schon längst menschliche Züge wie Vernunft oder Gehorsam abgelegt. Stattdessen regiert ein Trieb nach Blut, Fleisch und Tod. „Zwingen Sie mich nicht dazu…“, warnt der Ex-Cop ein letztes Mal, doch der Untote torkelt weiter unbeirrt auf sein Opfer zu. Ein lauter Knall - und das, was früher einmal der Präsident der Vereinigten Staaten war, sackt nach einem gezielten Kopfschuss zusammen. Huh, was für ein Einstieg...
Dabei wollte der mächtigste Mann der Welt nur einem Festakt an der Universität von Oak Talls beiwohnen. Doch nach einem biologischen Angriff drohen sich in der kleinen Stadt die Ereignisse von Raccoon City zu wiederholen. Das Positive daran: Nachdem sie sich in den letzten Episoden eine kleine Auszeit gegönnt haben, feiern die klassischen Zombies endlich wieder ihre Auferstehung! Auch Kulisse und Atmosphäre erinnern an die Wurzeln der Reihe, wenn bei der Erkundung des schummerigen Universitätsgebäudes der Boden knarzt, plötzlich helle Blitze durch die Fenster zucken und gezielte, wenn auch manchmal vorhersehbare Schockeffekte den Puls nach oben treiben.
Fast wie früher
Zwischendurch sollen sich die Handlungsstränge der drei Kampagnen überschneiden.
Die Munition ist knapp, das Spieltempo angenehm niedrig und der Schauplatz weckt Erinnerungen an die Erkundung des alten Herrenhauses. Wurde man zuletzt oft mit einer Überzahl an Gegnern konfrontiert, treten die Zombies weniger zahlreich auf. Gut so, denn wilde Horden wie in Left 4 Dead würden sich hier kontraproduktiv auf die Atmosphäre auswirken, die tatsächlich mehr im Zeichen der älteren Teile steht. Trotzdem ist die neue Steuerung mehr auf Action ausgerichtet: Wie schon bei Resident Evil: Revelations auf dem 3DS wird es erstmals auch bei einem großen Ableger der Serie möglich sein, sich gleichzeitig zu bewegen und zu schießen.
Der Nahkampf wurde ebenfalls gestärkt, denn konnte man früher nur angeschlagenen Gegnern mit einem Tritt den Rest geben, kann man sie hier jederzeit im Stil von Chuck „Roundhouse-Kick“ Norris attackieren und sie sogar einen Kopf kürzer machen. In dieser Form erscheinen mir die unbewaffneten Angriffe zu mächtig. Zwar wirken sich zu viele Nahkämpfe auf die Kondition und damit das Tempo aus, doch regeneriert sich die Kraft recht zügig. Dadurch verliert der Munitionsmangel an Wirkung, wenn man sich alternativ so wuchtig durchschlagen kann. Hinzu kommt die Unterstützung durch die KI, deren Rolle auch von einem Koop-Partner übernommen werden darf. Zwar trennen sich zwischendurch die Wege des Duos, doch ist man wie schon bei Resident Evil 5 die meiste Zeit gemeinsam unterwegs, so dass sich Terror und Horror nicht optimal entfalten können. Trotzdem macht Capcom im Ansatz vieles richtig, wenn man mit Leon und Helena unterwegs ist. Ich hoffe, die Japaner schaffen es, die fesselnde Stimmung aufrecht zu erhalten und nicht doch wieder in die schnelle Action abgleiten.
Pack die Wumme aus
Endlich schlurfen wieder Zombies über den Bildschirm.
Denn genau das passiert schon, wenn man sich für die Kampagne mit Chris Redfield entscheidet. Das Serien-Urgestein ist mittlerweile nur noch ein Schatten seiner selbst, trinkt gerne einen über den Durst, pöbelt herum und leidet offensichtlich unter einem Gedächtnisschwund, der wohl durch ein Trauma und Schuldgefühle ausgelöst wurde. Über sechs Monate wurde er von Piers Nivans gesucht, bis er ihn in einer Bar aufspürt und Chris als Captain in die BSAA zurückholt, um Bio-Terroristen zu jagen. Die treiben sich mittlerweile auch in China herum und schrecken selbst vor Angriffen auf große Metropolen und Geiselnahmen nicht mehr zurück.
Im Vergleich zur Leon-Kampagne liegt der Fokus hier ganz klar auf der Action. Statt lahmen Zombies stellen sich dem Duo hier flinke, teils maskierte Psycho-Mutanten entgegen, die sich nicht nur in ekelhafte Kreaturen verwandeln können, sondern auch mit Waffen wie MGs umgehen können. Entsprechend groß ist der Kugelhagel, wenn man sich mit der BSAA-Truppe durch die Straßen und Dächer der Stadt ballert. Da es hier deutlich mehr zur Sache geht, hat Capcom nicht nur das Interface, sondern auch die Steuerung angepasst. Im Gegensatz zu Leon können Chris und Piers auf ein Deckungssystem zurückgreifen, das allerdings noch gewöhnungsbedürftig ist. So muss man an Kisten oder Mauern erst die linke Schultertaste gedrückt halten und dann noch einen Knopf betätigen, damit die Figur in Deckung geht. Das Hervorschnellen mit Hilfe des linken Analogsticks funktioniert klasse, doch schnelle Positionswechsel zwischen verschiedenen Deckungen sind nicht möglich. Dafür kann man sich mit einem schwungvollen Hechtsprung aus dem Lauf heraus auf den Boden werfen und sich anschließend auf dem Rücken liegend der Angreifer annehmen oder durch Seitwärtsrollen ausweichen. Insgesamt wirkt Chris nicht nur agiler als Kollege Leon, sondern hat auch mehr Aktionen in petto. Aber braucht er das überhaupt? Das alles sieht zwar ganz cool aus, dürfte in der hektischen Praxis aber nur selten zur Anwendung kommen.