Metal Gear Solid 5: Ground Zeroes06.03.2014, Michael Krosta
Metal Gear Solid 5: Ground Zeroes

Vorschau:

Hideo Kojima wollte sich nach Metal Gear Solid 4: Guns of the Patriots mal wieder endgültig von Snake verabschieden. Doch für Ground Zeroes holt er jetzt Big Boss aus dem Ruhestand zurück und schickt ihn in eine neue Mission, die als Prolog konzipiert wird und den Grundstein für die große Fortsetzung The Phantom Pain legen soll. Wir sind auf leisen Sohlen durch ein US-Foltercamp geschlichen...  

Schnelle Nummer?

In den letzten Wochen gab es viel Wirbel um den neuen Auftritt von Snake. Neben der fast schon gewohnten Auflösungsdebatte zwischen Xbox One und PS4 wurde vor allem die Spielzeit heiß diskutiert: Nach nicht einmal zwei Stunden soll bereits der Abspann über den Bildschirm flimmern! Trotzdem verlangte Konami zunächst 40 Euro für die beiden Next-Gen-Fassungen, senkte den Preis aber kurz nach dem „Skandal“ um zehn Euro und war bemüht, Schadensbegrenzung zu betreiben. So verwies man u.a. auf die Nebenmissionen und einen hohen Wiederspielwert.

Nach dem Anspielen bei Konami können wir offiziell bestätigen, dass die Angaben der Kollegen korrekt waren: Keine zwei Stunden waren vergangen, bis ich die dramatische Rettungsmission abgeschlossen hatte. Während ich die unauffällige Variante in alter Stealthmanier bevorzugte und die Wachen mit der Betäubungspistole oder Würgegriffen ausschaltete, entschieden sich andere Spieler lieber für die Rambo-Variante mit Maschinengewehren, Granaten & Co, um erfolgreich ans Ziel zu gelangen. Wie schon in Guns of the Patriots werden also auch hier beide Wege angeboten, wobei das Schleichen am Ende mit mehr Punkten belohnt wird.

Umgewöhnung nötig

Im Würgegriff lassen sich Wachen auch verhören. Oder man fordert sie auf, Kameraden anzulocken.
Obwohl man größtenteils weiter der Serientradition folgt, muss man sich als MGS-Veteran erst aneinige Neuerungen gewöhnen – allen voran das iDroid-Gerät, das den Zugriff auf eine Satellitenkarte, Missionsprotokolle und den Walkman mit Audio-Tapes erlaubt. Diese beinhalten nicht nur Musik, sondern in erster Linie Dialoge und Aufzeichnungen von Tagebucheinträgen. Hier wird man regelrecht von ihnen erschlagen; teilweise sind die Aufnahmen knapp zehn Minuten lang. Ich bin zwar ein Freund umfangreicher Zwischensequenzen und habe mich selbst beim XXL-Abspann von Guns of the Patriots nicht beschwert, aber Audiologs waren schon bei Bioshock nicht mein Fall. Auch hier empfinde ich sie jetzt schon als nervig, obwohl ich mir trotz des Informationsgehalts längst nicht alle anhören wollte. Selbst Textdokumente, wie die elfseitige Zusammenfassung der bisherigen Geschehnisse, sind mir da lieber.

Mit einer Ausnahme – nämlich dann, wenn die Tapes als Spielelement genutzt werden. So muss man hier z.B. den Aufenthaltsort einer der Geiseln ermitteln, indem man der Aufnahme genau lauscht und Hinweise wie eine wehende Fahne oder ein elektrisches Tor auswertet, um den richtigen Weg zu finden. Spätestens hier weiß man auch die Spulfunktionen des Walkman zu schätzen. Die neue Kamera erweist sich ebenfalls als große Hilfe: Dank ihrer Zoom-Funktion verschafft man sich nicht nur einen guten Überblick, sondern kann neuerdings auch alle Feinde markieren oder ihre Gespräche mit dem integrierten Richtmikrofon belauschen. Mehr noch, denn hält Snake still, kann er sogar ihre Silhouetten durch Gebäude hindurch erkennen. Wer es spannender haben will, wird diese Funktion aber auch deaktivieren können. Das gilt auch für die Reflex-Option, mit deren Hilfe das Spiel automatisch in eine Zeitlupe umschaltet, falls man entdeckt wird. So bekommt man noch entsprechend Zeit zu reagieren, um den Feind vor dem Alarm auszuschalten.        

Auf der Flucht

Das Nachtsichtgerät gehört zur Standardausrüstung. Sam Fisher lässt grüßen.
Wird er dennoch ausgelöst, wartet die nächste Neuerung: Es gibt keinen klassischen Countdown mehr, bei dem die Feinde gezielt nach dem Eindringling suchen. Einzig der Funk verrät noch, wann die Wachen wieder einen Gang zurückschalten. Dank der verwinkelten Anlage kann man seine Verfolger mit einem Sprint zwar gut abschütteln, doch echte Verstecke sind Mangelware. Ich konnte auf meinen Streifzügen weder einen Spind finden noch den bewährten Pappkarton auftreiben. Stattdessen ist in erster Linie die Umwelt der Schlüssel für eine gute Tarnung – allen voran das hohe Gras, aber auch gestapelte Kisten, Mauern oder andere Objekte. Hauptsache, man vermeidet es, ins Sichtfeld der Wachen zu geraten. Gar nicht so einfach, denn man hat hier weder die Wahl zwischen verschiedenen Tarn-Uniformen noch einen Hightech-Anzug, der sich automatisch der Umgebung anpasst. Immerhin verrät eine Anzeige, falls man die Aufmerksamkeit einer Wache erregt hat. Viele Sorgen muss man sich dabei allerdings nicht machen: Obwohl schon Solid Snake bei seinem ersten Auftritt auf der PlayStation Fußspuren im Schnee hinterließ, ist Big Boss hier wohl mit Super-Stiefeln unterwegs und hinterlässt selbst im tiefen Matsch keine verdächtigen Abdrücke.

Gestik und Mimik der Figuren sind hervorragend.
Überhaupt hat mich der Spürsinn der KI noch nicht überzeugt: Sie reagiert kaum auf Geräusche und dackelt in Alarmphase teilweise sogar recht unbeholfen durch die Gegend anstatt taktisch klug zu flankieren oder sich bei der Suche clever zu koordinieren. Allerdings habe ich bisher nur im Standard-Schwierigkeitsgrad gespielt, vielleicht ergibt sich in höheren Stufen ein ganz anderes Bild. Schade finde ich allerdings, dass bisher nur wenige Möglichkeiten geboten werden, die betäubten oder toten Körper der Wachen zu verstecken. So hatte ich an einer Stelle fest damit gerechnet, sie in einem Müll-Container deponieren zu können, doch durfte ich sie dort weder abladen noch mich selbst verstecken. Etwas nervig ist auch die Rettung von Gefangenen: Anstatt auf das bewährte Fulton-Recovery-System mit Ballons zurückzugreifen, muss man sie hier erst auf dem Rücken zu einer der Landezonen schleppen, an denen man einen Evakuierungs-Hubschrauber anfordern kann. Selbst fliegen ist nicht erlaubt, doch darf man sich zumindest hinter das Steuer von Fahrzeugen wie Jeeps und LKW klemmen.

140.85 – kein Empfang

Wer ist der ominöse Skullface?
Was wäre Metal Gear Solid ohne die Kommunikation via Codec? Klar, dass man auch hier in Funkkontakt zu seinem Team bzw. Master Miller steht, doch nicht so wie gewohnt: Sowohl die Auswahl an verschiedenen Frequenzen als auch die typische Darstellung der Codec-Gespräche wurden abgeschafft. Stattdessen aktiviert man das Funkgerät einfach mit einer Schultertaste und schon folgt ein kontextsensitiver Dialog. Visiert man z.B. gerade eine Wache an und klingelt durch, folgen entsprechende Tipps zu Patrouillen oder CQC, wobei auch der Lautsprecher des PS4-Controllers genutzt wird. Ja, das geht alles schneller und einfacher von der Hand, doch im Gegenzug geht ein gewisses Serien-Flair verloren. Auch die altbewährten Rationen fallen unter den Tisch. Stattdessen erfreut sich Big Boss jetzt an einem regenerativen Heilsystem und muss nur bei schweren Verletzungen zu einem Heilspray greifen, von dem er scheinbar einen unendlichen Vorrat besitzt. Böse gesprochen könnte man sagen, dass sich mittlerweile auch Kojima inhaltlich der gewöhnlichen Standard-Action annähert und einige klassische MGS-Elemente entweder entschlackt  oder komplett geopfert werden, was ich ein bisschen schade finde. Auch die Ausrüstung darf ich nicht mehr selbst zusammenstellen, Waffen kaum noch modifizieren und gespeichert wird automatisch an festgelegten Punkten. Na gut, es ist nur der Prolog, aber für die große Fortsetzung erwarte ich wieder etwas mehr Spieltiefe, verrückte Ideen und die eine oder andere Rückkehr altbewährter Elemente.   

Vom Kino ins Fernsehn

CQC ist eine gute Alternative zu Schussgefechten.
Die Hauptmission mag zwar kurz sein, hat es aber durchaus in sich: Die Inszenierung ist mit ihren großartigen Intro- und Zwischensequenzen, Hollywood-Soundtrack von Harry Gregson-Williams sowie fantastisch modellierten Gesichtern und lebensechter Mimik mal wieder ganz großes Kino – auch dank der neuen Fox-Engine, die zwar leichte Schwächen bei Texturen und Schatten zeigt, aber vor allem bei den detaillierten Figurenmodellen, geschmeidigen Animationen sowie Wetter- und Lichteffekten überzeugt – und das bei 1080p und konstanten 60 Bildern pro Sekunde auf der PS4. Gleiches gilt für die Sprecher, allen voran Kiefer Sutherland, der David Hayter als neue Stimme von Snake ersetzt und nach einer kurzen Umgewöhnung in seiner neuen Rolle überzeugt. Trotzdem ist und bleibt für mich Hayter der einzig wahre Snake und ich finde es immer noch schade, dass ihn Kojima nicht mehr weiter verpflichten wollte.

Viel über die Handlung darf und will ich gar nicht verraten, aber Ground Zeroes legt als konsequente Fortsetzung der Ereignisse in Metal Gear Solid: Peace Walker einen interessanten Grundstein und das dramatische und schonungslose Finale mit Cliffhanger-Garantie hat es in sich – ich will jetzt mehr als zuvor wissen, wie es in The Phanton Pain weitergeht!

Auch in den Nebenmissionen wird immer wieder das Camp infiltriert.
Während mich die Story-Mission voll gepackt hat, hält sich meine Begeisterung hinsichtlich der Nebenmissionen aber in Grenzen: Diese erinnern an Episoden einer TV-Serie inklusive Abspann und spielen auch zeitlich etwa in dieser Liga. Aufgaben umfassen hier z.B. die Zerstörung von Luftabwehr-Geschützen, das Eliminieren eines skrupellosen Scharfschützen-Duos, die Beschaffung von Informationen von einem Maulwurf sowie die Extrahierung eines enorm wichtigen Agenten. Dabei ist man nicht immer nur in gewohnter Manier unterwegs, sondern ballert sich auch schon mal an Bord eines Hubschraubers in einer Railsequenz durch. Der Schauplatz beschränkt sich allerdings auf das Camp, das man auch in der Story-Mission infiltriert, doch herrschen in den Nebenmissionen andere Wetter- und Lichtverhältnisse.

Reihenfolge? Egal!

Die Flucht ist oft die beste Option, falls man entdeckt wird - gute Verstecke sind rar gesäht.
Die Reihenfolge, in der man die Aufträge in Angriff nimmt, spielt keine Rolle. Allerdings sollte man auf das eingeblendete Datum achten, denn ansonsten könnte es durchaus irritierend sein, wenn am Ende einer Missionen das Lager durch einen Luftschlag komplett zerstört wird und beim nächsten Einsatz wieder alles steht. Verknüpfungen zur Hauptgeschichte sind dabei – wenn überhaupt – nur lose vorhanden und so fühlen sich die Nebenmissionen insgesamt etwas belanglos und ohne echten Bezug an, vergleichbar mit den VR-Missionen von Metal Gear Solid oder den kurzen Schleich-Snacks von Portable Ops oder Peace Walker. Ich bevorzuge auf jeden Fall die klassische Variante mit einer Konzentration auf die Story-Aufträge und hoffe, dass sie den Kern von Phantom Pain bilden werden. Auf die Nebenmissionen könnte ich trotz der einen oder anderen interessanten Idee dagegen verzichten.

Ranglisten-Kämpfe

Allerdings stellen sie die Basis für die Online-Ranglisten und diverse Prüfungen dar. Wer schafft es z.B. alle Wachen im Camp am schnellsten zu markieren? Wer schließt die Mission am schnellsten ab? Bei welchem Abstand zum Ziel landet man noch einen Volltreffer mit der Betäubungspistole? Oder dem Gewehr? Wer hat alle XOF-Badges gefunden? Es warten zig Statistiken und kleine Aufgaben, die den Wiederspielwert erhöhen sollen. Brauche ich das in einem Metal Gear? Nein. Zumindest nicht in dieser Form.

Ausblick

Nach meinen ersten Schleicheinsätzen in Metal Gear Solid: Ground Zeroes schwanke ich zwischen Begeisterung und Ernüchterung: Auf der einen Seite ist die leider viel zu kurze, aber großartige Story-Mission mit ihrer filmreifen Inszenierung und Dramaturgie sowie interessanten Ideen für das Schleichen in der offene(re)n Welt. Auf der anderen Seite sind die Nebenaufträge im Stil einer TV-Serie, die zwar durchaus unterhalten können, aber für mich zusammen mit den zahlreichen Audio-Tapes irgendwo in der Belanglosigkeit enden. Warum? Weil mir die Verknüpfung zur Hauptgeschichte nicht stark genug ausfällt und ich diese Snacks eher mit mobilen Schleicheinsätzen à la Peace Walker verbinde. Wettbewerbe für Online-Ranglisten? Brauche ich nicht. Nicht bei einem Metal Gear. Hier will ich am großen Fernseher für mich alleine eine zusammenhängende, epische Geschichte genießen, getreu dem Motto: Lieber großes Kino als kleine TV-Episoden. Ich hoffe, dass Kojima das bei The Phantom Pain wieder genauso sieht. Schade finde ich auch, dass einige klassische Serien-Elemente entweder vereinfacht oder sogar geopfert werden – und damit meine ich nicht nur David Hayter, der mit Kiefer Sutherland  aber immerhin einen würdigen Nachfolger bekommt. So bleibt nach dem vorzüglichen Story-Häppchen ein fader Beigeschmack, doch der Appetit auf The Phantom Pain ist zumindest etwas größer geworden.               

Einschätzung: gut

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