The Darkness13.06.2007, Jörg Luibl
The Darkness

Vorschau:

Ihr scheut das grelle Licht des Juni? Ihr wollt lieber in die Düsternis abtauchen? Dann freut euch auf The Darkness (ab 14,90€ bei kaufen). Das Team der Starbreeze Studios hatte schon anno 2004 mit Riddick bewiesen, dass man packende Action inszenieren und gleichzeitig eine spannende Geschichte erzählen kann. Und jetzt nutzen die Schweden einen Comic als Steilvorlage für einen ebenso brutalen wie mysteriösen Horrortrip durch das moderne New York.

Ganz böser Unfall

Eine Sackgasse in Manhattan. Blaulicht flimmert in der Nacht, Sirenen heulen auf und Polizisten brüllen euch mit gezückten

Nur ein einfacher Mafia-Killer? Nach einem Verkehrsunfall wird aus Jackie Estacado ein Dämon...
Waffen an. Irgendwo brummt ein Hubschrauber, leuchtet gnadenlos die Straßen aus. Es gibt keinen Ausweg. Auch nicht für einen 21-jährigen Auftragskiller der italienischen Mafia. Das war's also. Aus und vorbei. Eigentlich könntet ihr mit den Händen über dem Kopf rauskommen und überlegen, was ihr eurer Freundin Jennie aus dem Knast schreibt...

Aber ihr seid nicht irgendwer. Ihr seid mehr als ein langhaariger Krimineller. Ihr seid ein Besessener. Nicht nur bezahlte Morde, auch Dämonen gehören seit einem Verkehrsunfall zu eurem Alltag. Aber warum musste Großmaul Mikey auch aus einem offenen Wagen heraus ballern und dann wie lebensmüde in einem Tunnel auf die Gegenfahrbahn wechseln? Okay, die Verfolgungsjagd war erstklassig, hat das Adrenalin in Wallung gebracht, aber alle Insassen bis auf eure Wenigkeit sind tot. Fremde Stimmen haben sich seitdem in euren Kopf geschlichen. Und noch schlimmer: Mit ihnen kam die seltsame Verwandlung in ein Wesen der Finsternis.

Die brutale Waise

Lust auf das bewegte Böse? Bitte:

Jackie Estacado weiß nicht genau, was mit ihm geschieht. Aber es ist etwas unheimlich Böses. Der Mann, der als Waise unter der Obhut des Paten Onkel Paulie aufwuchs und auch gut als Black Metal-Sänger durchgehen könnte, wird von der Düsternis überrollt. In den Ladephasen spricht Jackie mit sich selbst, zweifelt, hält Monologe oder prüft seine blitzblank polierten Revolver. Und im Spiel melden sich immer wieder die flüsternden Stimmen aus einer anderen Welt: You are my blooood,

Lust auf Nosferatu? Überall findet ihr TV-Geräte, ihr könnt Kanäle wählen und ganze Filme ansehen.
Jackieeee! You are nothin but my puppet! Wer zur Hölle steckt dahinter? Und soll man all das seiner Freundin verraten?

Ihr habt an einigen Stellen die Wahl. Das suggeriert zusammen mit den offenen Routen und den gesprächsfreudigen Passanten in der U-Bahn eine angenehme Freiheit und Lebendigkeit: Ihr könnt selber entscheiden, ob ihr den Hauptauftrag verfolgt oder euch lieber in anderen Gebieten umschaut. Ihr könnt es euch auch in Jennys Apartment gemütlich machen und einen Film mit Gregory Peck ansehen. Das Team der Starbreeze Studios hat überall Fernseher integriert, ihr könnt zwischen Kanälen schalten, den Nosferatu in voller Länge genießen und sogar die Reaktion auf TV-Sendungen um euch herum beobachten. Wartet ihr übrigens bei Jennie lange genug ab, schmiegt sie sich an euch und gibt euch einen Kuss - "Romantic Achievement" inklusive. The Darkness bietet schon in der Vorschau sehr viele coole Momente und süffisante Gespräche mit Passanten, die es auf erfrischende Art und Weise von einfacher Action abheben.

                

Freund der Dunkelheit

Trotzdem wird hier in erster Linie nicht geflirtet oder getratscht, sondern Tacheles geredet: Habt ihr genug Dunkelheit um

Zwei Dämonen über der Schulter: AUf Knopfdruck wechselt ihr in diese düstere Gestalt, absorbiert Kugeln und könnt kleine Kobolde rufen.
euch herum gesammelt, indem ihr Lampen zerschossen und das Licht verjagt habt, könnt ihr auf Knopfdruck eine Gestalt annehmen, die jeden New Yorker sofort in die Flucht schlägt: Plötzlich ragen zwei Dämonenköpfe über eure Schulter und zischeln ihre Blutlust in die Nacht. Pulsierende Tätowierungen auf ihren Körpern zeigen den Grad der Finsternis an, den ihr erreicht habt - im Laufe des Spiels werden damit weitere Fähigkeiten freigeschaltet.

In dieser Gestalt könnt ihr Dinge tun, an die die Polizisten am Ende der Sackgasse nicht mal im Traum denken: Ihr könnt z.B. kleine Kobolde beschwören, die Hebel betätigen oder aus dicken Wummen feuern. Ihr könnt mit einem Schild der Düsternis Projektile abfangen. Aber hier in der Sackgasse empfiehlt sich der schleichende Stealth-Kill: Ihr übernehmt einen der schlangenartigen Dämonen und kriecht mit ihm über den Boden der Sackgasse Richtung Blaulicht - die Steuerung ist in der Nähe von Hindernissen allerdings noch etwas knifflig. Erreicht ihr schließlich die Beine eines Polizisten, dürft ihr ihn mit rasiermesserscharfen Zähnen anfallen. Der Mann hat keine Chance, auch seine sechs Kollegen nicht. Diese Manöver sind noch viel zu einfach, man kann sich einen nach dem anderen aus der bodennahen Stiefelperspektive vorknöpfen, ohne dabei in Bedrängnis zu geraten. Wo bleibt da der Nervenkitzel der eigenen Bedrohung? Ist das Dämonische auf Dauer gut ausbalanciert?

Wilde Schießereien

Die Kampfmechanik ist abseits dieser finsteren Fähigkeiten eher gewöhnlich: Ihr könnt euch ducken, etwas näher an den Feind zoomen und mit zwei Pistolen gleichzeitig ballern. Es gibt weder eine Sprinttaste noch Deckungs- oder Ausweichmanöver, so dass es sehr schnell, sehr direkt zur Sache geht. Die Steuerung wirkte zu Beginn noch etwas schwammig und der Schwierigkeitsgrad ist knackig: Plötzlich werdet ihr von allen Seiten angegriffen und müsst in Bewegung

In der New Yorker U-Bahn habt ihr die freie Streckenwahl - manchmal ist es so verwirrend, dass man die Auskunft am Terminal fragen muss.
bleiben, denn die Feinde nutzen ihrerseits die Deckung und können z.B. ohne hinzuschauen über eine Mauer schießen oder hinter ein Auto hechten. Sieht cool aus, vermittelt das Gefühl authentischer Schussduelle, aber warum kann der Held das alles nicht? 

Immerhin hat Jackie blutige Manöver auf dem Kasten: Kommt ihr nahe genug an einen Gegner heran, könnt ihr eine der zwei Dutzend Tötungsanimationen à la Tenchu ausführen - da wird mit der einen Pistole aus ein paar Zentimetern der Hals oder das Knie durchschossen, während die andere eine Sekunde später ein Projektil Richtung Gesicht jagt. Je nach Waffe und Situation werden andere Szenen eingespielt. All das ist unheimlich brutal, genau so wie der Rest des Spiels: Wer einen flauen Magen bekommt, wenn das gebrochene Schienbein aus der Hose ragt, sollte einen Bogen um The Darkness machen. Wer Max Payne, Condemned & Co mochte, wird sich in diesem New Yorker Alptraum pudelwohl fühlen.

Die deutsche Version

Hierzulande wird das Abenteuer allerdings keine Jugendfreigabe bekommen und deutlich entschärft: Während in der englischen Version die Möglichkeit besteht, seinem Opfer das Herz rauszureißen, um das sich dann auch noch beide Dämonenköpfe mit Sabber zwischen den Zähnen streiten, wird es in der deutschen Version nur Seelenkugeln geben - die werden einfach aufgesaugt. Das ist natürlich angesichts der Horrorthematik inkonsequent und ein dramaturgischer Dämpfer. Außerdem kommt "weniger Blut" vor, die Körperphysik der Toten wird abgestellt und ein halbes Dutzend der 24 martialischen Stealthkills werden entfernt. Für erwachsene Freunde expliziter Gewaltdarstellung sind das alles ärgerliche Abstriche. Und wer des Englischen nicht mächtig ist, wird viel lesen müssen: Freunde originaler Sprachausgabe werden die deutsche Untertitel egal sein, denn die Figuren reden im besten New Yorker Slang mit euch. Sorry, Mike Patton (Faith No More) wird euch nur böse zuflüstern...

           

Ausblick

The Darkness ist unheimlich faszinierend. Es ist nicht nur das geniale Intro, es sind nicht unbedingt die martialischen Tötungsmanöver und auch nicht die coolen dämonischen Verwandlungen. Es ist diese Hoffnung darauf, dass das Team von Starbreeze hier mehr anbietet als einfach nur klasse Action. Da ist die Freundin, die euch auf der Couch küsst. Da ist der betrunkene Landstreicher, der euch nuschelnd ein Passwort verrät. Ab und zu weht der Wind der Entscheidungsfreiheit und Lebendigkeit, wenn man mehr als eine Antwort zur Verfügung hat oder New Yorker Stadtteile mit der U-Bahn erreichen kann. Alles nur hübsche Illusion oder tatsächlich spielerische Offenheit? Mal abwarten, noch sind wir nicht tief genug in Jackies Alptraum vorgedrungen. Den Schussduellen mangelt es abgesehen von den dämonischen Fähigkeiten auf Dauer hoffentlich nicht an Abwechslung - schade ist nämlich, dass man keine Deckung suchen kann und dass die Steuerung etwas schwammig ist. Außerdem wirken die Stealth-Kills noch nicht aubalanciert; es ist viel zu einfach ein halbes Dutzend Polizisten auf diese Weise auszuschalten. Wird man als Dämon auf Dauer zu stark? Technisch gesehen wird man hier zwar ein richtig gutes, aber kein hochplastisches Epic-Niveau erreichen. Aber das angenehm düstere Art & Design, die erzählerische Ungewissheit oder dieser elegante Kniff mit den Monologen in den Ladephasen machen aus Jackie Estacados Schicksal ein überaus interessantes. Was sich bisher abzeichnet ist ein filmreif geschnittenes, ein brutal inszeniertes und herrlich düsteres Abenteuer für Erwachsene. Aber es gibt kleine Fragezeichen. Ich bin gespannt, wie sich die finale Fassung präsentiert.

Ersteindruck: sehr gut

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