Lost Odyssey28.01.2008, Jens Bischoff
Lost Odyssey

Vorschau:

Wann kommt das nächste große Rollenspiel für die Xbox 360? Ist es Lost Odyssey (ab 42,90€ bei kaufen)? Auf Microsofts Event in Paris hatten wir nicht nur die Gelegenheit mit den Entwicklern zu plaudern, sondern konnten auch selbst ausgiebig Hand an das Ende nächsten Monats erscheinende Spiel von Final Fantasy -Vater Sakaguchis legen. Lohnt das Warten? Wir haben die Entwickler interviewt und ausgiebig Probe gespielt!

Ausgelöschte Vergangenheit

In Lost Odyssey übernehmt ihr vor der Kulisse einer von Kriegswirren durchsetzten magisch-industriellen Revolution die Rolle des ewigen Kriegers Kaim Argonar, der in Folge eines militärischen Experiments dazu verdammt ist, nicht altern oder sterben zu können. Sein Dasein als perfekter Soldat hat er jedoch mit dem Auslöschen sämtlicher Erinnerungen vor Beginn des Experiments bezahlt. Er weiß nicht einmal, ob er der ganzen Sache überhaupt zugestimmt hatte.

Held ohne Vergangenheit: Kaim hat neben seiner Sterblichkeit auch seine Erinnerung verloren. Ihr habt noch Fragen? Antworten gibt es im Interview!
Im Lauf des Spiels trifft er aber nicht nur auf Leidensgenossen wie die angebliche Ex-Piratin Seth, sondern wird auch immer wieder von Träumen heim gesucht, die Ereignisse aus seinem früheren Leben beschreiben, das er unwiederbringlich verloren glaubte...

Die aus der Feder des japanischen Roman- und Drehbuchautoren Kiyoshi Shigematsu stammende und in eindrucksvollen Render- und Echtzeitsequenzen erzählte Story ist jedenfalls sehr düster und erwachsen und steht somit in starkem Kontrast zu Sakaguchis letztem Rollenspiel Blue Dragon . Und auch wenn sich Kaim nach außen unglaublich souverän und abgeklärt präsentiert, wird er innerlich von allerlei Zweifeln geplagt. Als Spieler nehmt ihr aktiv an Kaims quälender Vergangenheitsbewältigung teil, mischt in epischen Schlachten mit, deckt Intrigen auf und kommt eurer wahren Identität immer näher.

Die Charaktere wurden von Manga-Veteran Takehiko Inoue (u. a. Slam Dunk & Vagabond) erschaffen und bestechen durch aufwändige Mimik und Motion Capturing-Animationen. Vor allem der in vielerlei Hinsicht an Squall aus Final Fantasy VIII erinnernde Antiheld Kaim fasziniert durch sein kühles, introvertiertes, fast gleichgültiges Auftreten. Schicksalsgenossin Seth ist das pure Gegenteil: unbeschwert, verspielt und warmherzig. Im Laufe des Spiels begegnet Kaim auch noch anderen Figuren wie dem tollpatschigen Jammerlappen Jansen, der im Gegensatz zu Kaim und Seth ein Normalsterblicher ist.

Unsterblich, aber nicht unbesiegbar

Bei Kämpfen können zwar auch Kaim und Seth vorübergehend das Bewusstsein verlieren, wiederbeleben müsst ihr sie im Gegensatz zu sterblichen Party-Mitglieder aber nicht.

Während Kaim zum Schlag ausholt, könnt ihr seinen Angriff mit gutem Timing noch verstärken.
Eine vorzeitige Auferstehung durch entsprechende Heilzauber oder Items empfiehlt sich dennoch, denn wenn sämtliche Gruppenmitglieder bewusstlos bzw. tot sind, heißt es Game Over und ihr kehrt zum letzten Speicher- oder Rücksetzpunkt zurück...

Die Kämpfe präsentieren sich sehr traditionell: Wie in früheren Final Fantasy -Episoden bestreitet ihr strikt rundenbasierte Zufallsbegegnungen in von der Spielwelt losgelösten Kampfarenen. Die Häufigkeit der Kampfunterbrechungen bewegt sich jedoch in einem überaus erträglichen Rahmen, während der Ablauf der Auseinandersetzungen kleine taktische und reaktionsschnelle Geschicke erfordert. Neben einem vertrauten Elementarsystem (Wasser schlägt Feuer, Feuer schlägt Wind usw.), dessen gezielte Anwendung mehr als nur kleine Angriffsboni bringt, könnt ihr mit dem richtigen Timing auch waffenbasierte Angriffe deutlich aufwerten. Dazu haltet ihr einfach während des Angriffs den rechten Trigger gedrückt bis sich zwei Zielkreise möglichst exakt decken. Je nach Deckungsgrad kann die Attacke dann mehr oder weniger Schaden verursachen. Zugegeben ein relativ simples System, das wie eine vereinfachte Form des Schicksalsrads aus Shadow Hearts wirkt, aber den ansonsten sehr konservativen Scharmützeln zumindest etwas Interaktion verleiht.        

Klassisch, aber motivierend

Auch das Fertigkeitensystem ist im Grunde äußerst klassisch: Sterbliche Charaktere erhalten neue Fähigkeiten einfach durch Level-Ups oder das Anlegen bestimmter Ausrüstungsgegenstände. Kaim und Co. sind da flexibler und schauen sich bevorzugte Zauber und Fähigkeiten einfach von ihren sterblichen Weggefährten ab, indem sie sich im Kampf auf diese konzentrieren.

Bei Sequenzeinspielungen verwenden die Entwickler häufig Splitscreen-Techniken.
Dasselbe gilt für gegenstandsgebundene Fertigkeiten. Ihr müsst euch einfach nur ein paar Kämpfe lang auf das Objekt eurer Begierde konzentrieren, um es anschließend, auch ohne den Gegenstand ausgerüstet zu haben, einsetzen zu können.

Auch aus selbst geschmiedeten Ringen lassen sich nützliche Skills extrahieren. Dazu müsst ihr allerdings erst im Besitz aller jeweils benötigten Bauteile sein. Klar, dass es sich daher lohnt, jede Ecke der Spielwelt nach versteckten Items zu durchkämmen. Forschergeist ist aber auch gefragt, um Kaims Vergangenheit zu ergründen, da nur bestimmte Orte und Ereignisse vergessene Erinnerungen wieder zum Vorschein bringen. Das etwas an Final Fantasy XII erinnernde Leveldesign macht es euch die meiste Zeit jedoch sehr leicht. Weitläufige Areale sind eher selten, selbst in Städten bewegt ihr euch meist durch schlauchförmige Abschnitte mit nur wenigen Verzweigungen, während eine zoombare Kartenfunktion für Übersicht sorgt.

Verlasst ihr ein Areal, könnt ihr auf der Weltkarte direkt zum nächsten Ort springen. Später kommen aber auch diverse Fortbewegungsmittel wie U-Boote oder Flugzeuge zum Einsatz. Teils könnt ihr durch Interaktionen mit der Spielumgebung sogar neue Wege schaffen oder verborgene Kleinodien zum Vorschein bringen. Manchmal ziehen auch Stürme auf, die euer Vorankommen erschweren. Die Grafik ist generell sehr ansehnlich, im Gegensatz zu den Charakteren lassen die Kulissen aber manchmal etwas an Details vermissen, obwohl gerade der Auftakt eindrucksvoll zeigt wie lebendig die sonst eher starren Umgebungen präsentiert werden könnten - von den imposanten Sequenz-Einspielungen ganz zu schweigen.

Willkommene Herausforderung

Auf akustischer Seite trumpft Lost Odyssey mit abwechslungsreichen Kompositionen von Altmeister Nobuo Uematsu und charismatischen Sprechern auf,

Das Leveldesing ist sehr linear, selbst in Städten bewegt ihr euch auf schmalen Pfaden.
die sich auch in der deutschen Fassung nicht zu verstecken brauchen. Trotzdem habt ihr jederzeit die Möglichkeit, die Tonspur zu wechseln, während die eingeblendeten Untertitel von der gewählten Systemsprache abzuhängen scheinen. Insgesamt dürft ihr aus fünf Sprachversionen wählen, darunter natürlich auch englisch und japanisch.

Im Gegensatz zu Blue Dragon , aus dem man sogar einige Gegner übernommen hat, ist Lost Odyssey übrigens nicht nur erzählerisch deutlich anspruchsvoller, auch der Schwierigkeitsgrad ist teils nicht ohne. Gerade bei Bosskämpfen solltet ihr schon ganz genau auf elementare Zugehörigkeiten sowie sich ankündigende Attacken achten. Auch die Formation eurer Truppe und das Wissen über die unterschiedlich langen Vorbereitungszeiten von Zaubern können über Sieg oder Niederlage entscheiden. Alte Hasen wie mich freut das natürlich, ungeübtere Spieler haben sich aber schon in Paris an frühen Gegnern vergeblich die Zähne ausgebissen...

     

Ausblick

Was ich bisher von Lost Odyssey zu sehen bekam, hat mich trotz ungemein konservativer Spielmechanismen wie der rundenbasierten Zufallskämpfe positiv beeindruckt. Der Protagonist hebt sich angenehm von typischen RPG-Klischees ab, die erwachsen-düstere Story zieht einen von Anfang an in ihren Bann und die Präsentation ist zum Teil wirklich bombastisch. Auch der eher fordernde Schwierigkeitsgrad und beachtliche Umfang - allein für die Hauptstory des vier DVDs belegenden Epos' solltet ihr zwischen 40 und 50 Stunden Spielzeit einrechnen - haben mich begeistert. Sogar die deutsche Lokalisierung hinterließ bereits einen hervorragenden Eindruck. Wenn Lost Odyssey seine Stärken über die gesamte Spielzeit konsequent ausspielt, steht Ende Februar trotz reichlich angestaubter Spielelemente ein unglaublich spannendes Rollenspielerlebnis ins Haus! Weitere Infos gibt es im Interview.

Ersteindruck: Sehr gut!

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