Blue Dragon05.08.2007, Mathias Oertel
Blue Dragon

Vorschau:

Besitzer der Xbox 360 können sich über einen Rennspiel-Mangel wahrlich nicht beklagen. Rollenspiel-Fans hingegen können sich eigentlich nur auf Oblivion oder Enchanted Arms stürzen. Doch nicht nur deswegen kommt dem in wenigen Wochen erscheinenden Blue Dragon (ab 23,99€ bei kaufen) eine Sonderrolle zu. Immerhin steht mit Hironobu Sakaguchi der Final Fantasy-Schöpfer hinter dem ambitionierten Projekt – ein Grund für Jubelarien?

Qualität verpflichtet

Auch wenn man meist Hironobu Sakaguchi als Gallionsfigur für Blue Dragon aufbaut: Eigentlich ist er mit seiner neu gegründeten Firma Mistwalker nur Produzent - zumal er ja intensiv an Lost Odyssey arbeitet, das meiner Meinung nach eher Sakaguchi charkterisiert, wie man ihn kennt. Die Entwicklung der Rollenspiel-Hoffnung liegt in den Händen von Artoon. Dem Team, das auf Xbox und 360 weniger durch Qualität auffiel, sondern mit Spielen wie der Blinx-Serie oder Vampire Rain zwar ambitionierte, aber letztlich gerade mal durchschnittliche Kost ablieferte.

Interessantes Charakterdesign, stimmungsvolle Kulissen, interessantes Kampfsystem: Blue Dragon macht Lust auf mehr.
Aber zum einen können die Artooner jetzt frei nach dem Motto "Wer abrutscht darf noch mal" beweisen, dass sie ihr Handwerk auch auf Stationärkonsolen verstehen - auf DS haben sie mit Yoshi´s Islanbd ihre Fähigkeiten unter Beweis gestellt. Und zum anderen sind mit Akira Toriyama (DragonBall Z) als Verantwortlicher für das Charakterdesign sowie Nobuo Uematsu als Komponist zwei weitere Schwergewichte mit an Bord, die Qualität versprechen.

Namen sind Schall und Rauch

Doch große Namen hin oder her - abgesehen davon, dass mit der Anhäufung an bekannten Größen der japanischen Entwickler-Szene auch die Erwartungshaltung nach oben geht, zählt für das in wenigen Wochen erhältliche RPG mit Fernost-Flair letztlich nur eines: Macht es Spaß?

Die Antwort darauf lautet: Ja! Allerdings solltet ihr ein gewisses Faible für Präsentation, Pathos und allgemeine Spielmechaniken haben, die man normalerweise mit Nippon-Rollenspielen assoziiert. Dazu gehören z.B. rundenbasierte Kämpfe, ein gewisser Hang zu Übertreibungen und teilweise leicht an Karikaturen grenzende Charakterstudien der Hauptfiguren.

So ist z.B. Shu anfangs ein ziemlich arrogant scheinender Stinkstiefel, an den ich mich erst gewöhnen musste. Ergänzt wird die Gruppe durch seine Freunde Jiro und Kluke, die mit ihren Kommentaren ein emotionales Gegengewicht zu dem Protagonisten schaffen.

Nach einem ausgedehnten Einstiegs-Tutorial, in dem man sich an die nicht umwerfende, aber durchweg stimmige Kulisse sowie die grundlegende, einfach zu erlernende Steuerung gewöhnen kann, nimmt auch die Geschichte an Fahrt auf. Und urplötzlich seid ihr mittendrin im Kampf gegen das personifizierte Böse in Form des purpurnen Yoda-Verschnitts Nene.  

Nicht nur klassisch

Auch wenn die Kämpfe, die in bester japanischer Tradition Zug für Zug ablaufen, einen anfangs sehr herkömmlichen Eindruck hinterlassen, gibt es vor allem in dieser Hinsicht einige erfrischende Momente.

Dazu gehören z.B. die Schattenwesen, die nach kurzer Zeit Teil der Persönlichkeit der Hauptfiguren werden und das Kämpfen für euch übernehmen. Diese erinnern in Grundzügen an die Beschwörungen

Die konventionell im Rundensystem ablaufenden Kämpfe können sich sehen lassen.
der Final Fantasy-Serie wie z.B. Ifrit oder Shiva, können aber verschiedene Klassen erlernen und sich in diesen verbessern. Durch die zahlreichen Kombinationsmöglichkeiten und Ausbaustufen erinnert die Figurenentwicklung an den ersten Tactics-Ableger der Final Fantasy-Serie - eine Assoziation, die für die finale Version viel Hoffnung weckt.

Ein weiteres frisches Element, das mit den Kämpfen zusammen hängt, ist die Einleitung der Auseinandersetzungen: Ihr seid in Echtzeit in einem Gebiet unterwegs, in dem auch diverse Monster ihr Unwesen treiben. Per Knopfdruck könnt ihr einen Kreis erstellen, in dem ihr auswählen könnt, ob ihr nun z.B. einen einzelnen Gegner, eine Gruppe oder alle im Radius befindlichen Feinde angreifen wollt.

Der Clou: Wenn ihr euch für die "Alle"-Variante entscheidet, gibt es nach erfolgreichem Abschluss nicht nur mehr Erfahrungspunkte, sondern unter Umständen greifen sich die verschiedenen Gruppierungen auch gegenseitig an und erleichtern euch so die Arbeit.

Allerdings mussten wir auch feststellen, dass der Schwierigkeitsgrad derzeit deutlich zur Kategorie "Keine allzu große Herausforderung" gehört. Bei den umfangreichen Spielsessions mit der Vorschau-Version kamen wir nicht ein einziges Mal in Verlegenheit - von Todesgefahr ganz zu schweigen.

Dabei kann es durchaus von Vorteil sein, wenn einen das Spiel angenehm vorwärts kommen lässt und man die Szenerie, die Story und das abgefahrene Monsterdesign genießen kann. Andererseits wäre es der Gesamtatmosphäre zuträglich, wenn man auch abseits der Zwischensequenzen etwas von der Gefahr spüren würde, die euch und die Welt bedroht.

Kleine Randnotiz: Vor allem in der Anfangsphase braucht man einen ganz speziellen Humor. Denn als ich das erste Mal nach einem erfolgreichen Kampf einen Haufen Guano durchwühlen musste, der von den verstorbenen Monstern hinterlassen wurde, um Gegenstände zu finden, legte sich meine Stirn etwas in Falten. Auch hinsichtlich der Lokalisierung (Blue Dragon soll komplett in Deutsch erscheinen) bin ich gespannt, ob man z.B. die Poo Snake begriffstreu übersetzt.

    

Ausblick

Am Anfang war Skepsis. Mit Ausnahme der stimmungsvollen Kulisse roch alles zu sehr nach Schema F aus dem Baukasten für Japano-Rollenspiele. Doch je länger die Sessions dauerten und je tiefer ich in die Welt von Blue Dragon eintauchen konnte, umso mehr Flair konnte die Kollaboration von Artoon und Final Fantasy-Schöpfer Sakaguchi auf den Bildschirm zaubern. Das Kampfsystem, das klassische Runden-Elemente zaghaft mit neuen Echtzeit-Initialisierungen und Gruppendynamik mischt, macht genauso neugierig wie das Berufssystem der "Schatten" oder die überbordende Fantasie, die die Entwickler beim Monsterdesign eingebracht haben. Und dass Uematsu-San sein Handwerk als Komponist stimmungsvoller Melodien versteht, kommt der Gesamtatmosphäre von Blue Dragon ebenfalls zugute. Doch interessante Kämpfe hin, viel versprechende Kulisse her - letztlich wird in der finalen Version alles von drei Fragen abhängen: Kann die Geschichte über die gesamte Spielzeit faszinieren? Wie wirkt sich der derzeit noch weit unten angesetzte Schwierigkeitsgrad auf die Motivation aus und wird eventuell noch daran geschraubt? Welche Qualität hat die Lokalisierung? Blue Dragon zeigt viel Potenzial und macht neugierig auf mehr, doch ob es auch das letzte Quentchen mitbringt, um den Befreiungsschlag zu schaffen und sich vielleicht sogar in Award-Höhen aufzumachen, bleibt abzuwarten.


Ersteindruck:
gut

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.