Splinter Cell: Double Agent25.09.2006, Benjamin Schmädig
Splinter Cell: Double Agent

Vorschau:

Schon wieder eine Vorschau? Erst vor kurzem hatten wir doch dem PS2-Ausflug des Agenten einen ersten Blick gegönnt. Stimmt. Doch statt zu Sams neuem Abenteuer eine lasche Konvertierung für Xbox 360 zu basteln, arbeiten zwei Teams an verschiedenen Versionen. Auf PS2 konnte der Agent noch nicht vollends überzeugen - zu herkömmlich wirkte sein vierter Auftritt. Wie schleicht er auf der Next-Gen-Konsole?

Zweieiige Zwillinge

Mit Splinter Cell ist Ubisoft schon immer an der Grenze des technisch Möglichen entlang geschlichen. Deshalb war ich überrascht, dass die Vorschau-Version auf PS2 optisch Altbekanntes aufbrühte und dem Agenten nur wenige Änderungen gönnte. Zugegeben: Nüchtern betrachtet hat sich seit Fishers erstem Auftritt kaum etwas verändert, doch Double Agent will ein vielseitiges Abenteuer sein, einen rauen Soldaten statt des korrekten Gutmenschen zeigen. Denn mal ehrlich: So klasse der einsame Terroristenjäger bisher auch geschlichen ist, so wenig war er als Person greifbar. Man denke an Solid Snake, um zu wissen, wieviel Profil ein Held verträgt.

Doch in den wenigen verfügbaren Abschnitten der PS2-Version trat Sams dunkle Seite sowohl spielerisch als auch erzählerisch nur zögerlich ans Tageslicht. Zur Erinnerung: Ihr seid zwar immer noch für die NSA (genauer gesagt die Third Echelon-Gruppe) unterwegs, müsst diesmal aber noch eine andere Rolle übernehmen. Als Doppelagent sollt ihr eine terroristische Organisation namens JBA infiltrieren und müsst deshalb Aufträge für die andere Seite des Gesetztes erledigen. Sams Aktionen - egal ob gut oder böse - hatten aber weniger 

Als Doppelagent lernt er schwimmen: Diesmal tastet sich Sam auch unter Wasser zum Ziel vor.
Konsequenzen als erwartet und sein Vorgehen glich dem Schleichen aus Teil eins bis drei wie ein Ei dem anderen. Damit macht die 360-Fassung gleich in der ersten Minute Schluss, die Next-Gen-Inszenierung macht's möglich.

Guckst du noch oder spielst du schon?

In den ersten Bildern donnert ein Flugzeug über die verschneite Eiswüste Islands, an Bord sind Fisher und ein Neuling im Team der NSA. Das Filmschnipsel schaltet nach einer Außenansicht des Flieger in dessen Inneres, wo sich die beiden auf den Absprung vorbereiten. Ein kurzer Dialog und euer Helfer springt aus dem Heck in Richtung Einsatzgebiet. Nur Sam steht regungslos am Platz. Wieso tut er nichts? Dann dämmert es mir: Ich habe tatsächlich den Übergang der Filmsequenz zum Spiel verpasst!

Okay, wenn man die Szene ein zweites Mal erlebt, erkennt man den Unterschied, aber der Schnitt geht so reibungslos vonstatten und die Next-Gen-Optik sieht so gut aus, dass der Unterschied kaum auffällt. Die Akteure sprechen beinahe lippensynchron, Sams finsterer Ausdruck wird dem des harten Agenten gerecht und die Schauplätze wirken schön plastisch. Nur das häufige Ruckeln stört die Atmosphäre. Wenn ihr in Shanghai an einem Wolkenkratzer klettert, wirken Hauswand und Umgebung außerdem detailarm, dafür lässt die 360 in begrenzten Arealen ihre Muskeln spielen. Beeindruckend sind auch einige Effekte, wenn ihr später in einer Eiswüste unterwegs seid: Das gleißende Sonnenlicht wird in mehrere Spektren gebrochen und wenn Sam aus dem Wasser auftaucht, ist die Kamera so nass, dass ich die Tropfen von der Linse wischen wollte.

Landratte adé!

Moment! Sam taucht aus dem Wasser auf? Richtig gelesen: Ihr tastet euch diesmal nicht nur auf dem Land fort, sondern schwimmt vereinzelt auch

Die Entwickler lieben Schiffe. Gleich zwei mal schleicht ihr über einen großen Pott.
ans Ziel. Seid ihr dort angekommen, taucht ihr entweder auf oder sucht eine dünne Stelle im Eis, brecht es auf und verschafft euch so einen Ausstieg. Unter Wasser hatte ich allerdings Schwierigkeiten mit der Steuerung, denn wenn ihr die Kamera nicht hinter dem Protagonisten fixiert und nur durch leichte Drehungen die Route bestimmt, schwimmt er nicht immer in die gewünschte Richtung. An der Kameraführung - nicht nur im feuchten Nass - sollten die Entwickler ohnehin noch feilen, denn die Sicht ist so knapp hinter dem Helden platziert, dass die Orientierung manchmal schwer fällt.

Alles in allem fühlt sich die Erweiterung von Sams Repertoire aber gut an. Und das gilt nicht nur für die Tauchgänge. Einmal müsst ihr z.B. im freien Fall Sams Fallschirm und anschließend den Hilfsfallschirm öffnen, ein andermal das Trudeln eines Helikopters stoppen. Die Minispiele sind zwar kurz und einfach zu meistern, aber eine willkommene Abwechslung. Ansonsten spult ihr die gewohnten Vorgänge ab: Per Restlichtverstärker verschafft ihr euch im Dunkeln den Überblick, wenn ihr eine Wache greift, dürft ihr Informationen aus ihr herausquetschen, der zweite Feuermodus eurer Pistole schaltet elektrische Geräte aus usw. Neu ist das Knacken von Safes, wobei ihr die drei Scheiben des Sicherheitsmechanismus' so drehen müsst, dass die Entriegelung einrasten kann. Ich habe noch nie einen Tresor geknackt, aber wenn man den Regisseuren in Hollywood trauen kann, fühlt sich Sams Vorgehen ausgesprochen echt an. Die leisen Klicks beim Drehen des Schlosses, das befriedigende "Klack" beim Einrasten - es ist alles da, was dazu gehört.             

Doppelbelastung

Aber Double Agent unterscheidet sich nicht nur in Details von seinen Vorgängern und der PS2-Version, denn auf Xbox 360 seid ihr auch in anderen Levels als auf aktuellen Konsolen unterwegs. Ubisoft hat sich dazu entschieden, die Möglichkeiten der nächsten Generation voll auszuschöpfen, weshalb beide Entwicklerteams ihre Schauplätze unabhängig voneinander

Hoch über Shanghai: Die Höhe ist beeindruckend, aber dem Schauplatz fehlt es an Details.
gestalten. Lässt man die Tatsache außer Acht, dass die Szenarien die gleichen Namen tragen und ihr auf allen Systemen die selbe Handlung erlebt, wäre das neue Splinter Cell zwei völlig unterschiedliche Spiele. Das geht sogar so weit, dass auf 360 die Anzeigen wegfallen, auf denen ihr seht, ob ihr im Licht steht und wieviel Lärm Sam  macht. Nur ein grüner Punkt zeugt noch davon, dass der Agent im Schatten verschwindet. Leuchtet er gelb, seid ihr für die Gegner sichtbar. Fällt das starre Schleichen von einem Schatten zum nächsten damit endlich weg? Leider nicht. Ob ihr laut über eine Metallplatte trampelt oder leise durch den Schnee schleicht, hört ihr schließlich selbst und ich bin enttäuscht davon, dass nach wie vor nicht der tatsächliche Lichteinfall darüber entscheidet, ob ihr sichtbar seid. Vielmehr walten festgelegte Zonen über eine grüne oder gelbe Anzeige. So fühlt es sich jedenfalls an, denn obwohl ich nicht im Licht stand, leuchtete der Punkt mitunter warnend auf. Sei's drum: Auch wenn die Entwickler diesen Schritt nicht gehen konnten, schleicht es sich mit Sam gewohnt gut.

Dafür trumpft Double Agent mit großer Handlungsfreiheit auf, denn weil ihr für zwei Seiten aktiv seid, müsst ihr die Vorgaben der NSA erfüllen, während ihr das Tun von John Brown's Army (JBA) unterstützt. Außerdem seid ihr mal in voller Montur unterwegs, müsst teilweise aber fast ohne Ausrüstung zurechtkommen. Vor allem im Hauptquartier der Terroristen habt ihr, quasi in zivil, alle Hände voll zu tun: Absolviert ihr den Trainingskurs eures neuen Arbeitgebers oder stehlt ihr lieber für Third Echelon persönliche Dateien der finsteren Gegenspieler? Dabei stellen beide Seiten deutlich mehr Aufgaben als auf PS2 und die Anzeige, wessen Vertrauen ihr genießt, ist kein einzelner Balken, auf dem euer Ansehen je nach Vorgehen auf die eine oder die andere Seite schwenkt. Stattdessen gibt es für jede Partei eine Anzeige, was dazu führen kann, dass ihr weder bei der NSA noch bei der JBA gut abschneidet. Entsprechend höher ist denn auch der Druck, gleichzeitig zwei Seiten zufriedenzustellen - was eurem Dasein als Doppelagent viel Tiefgang verleiht.

It's nothing personal...

Mitunter hat das eigene Tun sogar drastische Auswirkungen, denn bei meinem ersten Aufenthalt im Unterschlupf der JBA habe ich nur das getan, was meine Tarnung gerade so aufrecht erhielt. Was folgte, war eine dramatische Zwischensequenz, die ich so noch nicht erlebt habe. Da wird Sam vor einen Gefangenen geführt, dem er als  Zeichen seiner Loyalität eine Kugel in den Schädel jagen soll. Klare Sache: Das können sie mit mir nicht machen! Die Musik steigert sich langsam, doch ich senke meine Waffe. Ihre 

Weil ich mir nicht genug Vertrauen erschlichen habe, muss der arme Schlucker dran glauben. Eine großartige Szene!
Drecksarbeit müssen die Fieslinge schon selbst erledigen. Doch dann fällt mein Blick auf den viel zu kleinen Balken am Bildschirmrand: Weil ich mich vorher nicht darum gekümmert habe, genießt Sam kaum noch Vertrauen bei der JBA - wenn ich den armen Tölpel nicht erschieße, ist die Mission beendet! Also hebe ich den Arm und richte Kimme und Korn auf den Kopf des Gefangen...

Die pure Angst spricht aus seinen Augen, ich höre ihn trotz des Pflasters vor den Lippen um sein Leben flehen. Ein Schuss fällt und der Albtraum ist beendet. Jedenfalls für das Opfer. Für Sam Fisher hat er eben erst begonnen. Und nur, weil ich mich sicher wähnte und mir vorher kein Vertrauenspolster bei den Terroristen erschlichen habe. Genial! Wenn die Zwischensequenzen, von denen der Großteil noch fehlte, das Dilemma des Helden nur halb so gut einfangen und er später ähnliche Szenen erlebt, könnte Double Agent ein intensiver Thriller werden und Splinter Cell seinen Zenit erreichen.

Das Gleiche gilt für die Mehrspieler-Variante, in der ihr eine erweiterte Version des Versus-Modus' erlebt. Einen Ausblick darauf gab euch bereits die letzte Vorschau. Damals war allerdings noch nicht bekannt, dass ihr im Team spezielle Koop-Missionen (wahlweise auch gegen andere Teams) angehen und von Ubisoft festgesetzte Herausforderungen meistern könnt. Letztere geben euch ein Ziel, das ihr besser oder schneller als die anderen Agenten erfüllen müsst. Und wer sich länger im Internet aufhalten will, darf zudem Squads beitreten oder eigene Clans gründen.          

Ausblick

Jetzt weiß ich, warum wir zuletzt nur die PS2-Fassung ansehen durften: Die Fortsetzung auf PC und Xbox 360 wird von einem anderen Team gemacht - und das merkt jedem von Sams Schritten an. Die Schauplätze schaffen den Sprung in die nächste Generation, die Gratwanderung zwischen Third Echelon und JBA erzeugt ein packendes Drama und neue Ideen vergrößern Sams Handlungsspielraum. Und das, obwohl das eigentliche Schleichen wie gewohnt abläuft. Das Tauchen, das Knacken von Safes oder die kurzen Minispiele sorgen aber dafür, dass sich die dritte Fortsetzung immer noch unverbraucht anfühlt. Am besten gefällt mir aber, dass nicht nur das Vorankommen für Spannung sorgt, sondern auch die Entwicklung des Agenten erzählerisch mitreißt. Und darauf könnt ihr sogar direkt Einfluss nehmen. Ja, ihr bewältigt immer noch geradlinige Missionen und müsst zum Weiterkommen den einen festgesetzten Auftrag erfüllen. Doch abseits des Ziels könnt ihr so handeln, wie ihr es im Rahmen von Ethik und Pflichtbewusstsein für richtig haltet. Dass ihr dabei in ein moralisches Dilemma geraten könnt, macht Double Agent zu einem intensiven Erlebnis. Ich gehe davon aus, dass die Entwickler einige derbe Ruckler noch in den Griff bekommen, denn dann kann ich Sams Abstieg in den Untergrund kaum noch erwarten!

Ersteindruck: sehr gut

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