Alone in the Dark (2008)20.05.2008, Jörg Luibl
Alone in the Dark (2008)

Vorschau:

Ein Klassiker kehrt zurück und Horrorfans atmen auf: Nach knapp vier Jahren Entwicklung öffnen die Eden Sudios endlich die Pforten in die düstere Welt von Alone in the Dark. Eine ungewöhnliche Wandlung: Die Franzosen konnten 2006 noch mit Test Drive Unlimited auf dem Asphalt glänzen. Und laut Game Director David Nadal erwartet euch am 16. Juni nicht weniger als die "Wiedergeburt" der Serie. Wir konnten drei Kapitel auf der Xbox 360 spielen.

Amnesie. Mal wieder.

Ich weiß nicht, wer ich bin. Ich weiß nicht, wo ich bin. Ich weiß nur, dass mich ein paar miese Typen gerade umher schubsen, während die Welt um mich herum verschwimmt. Ein Druck auf den rechten Stick lässt mich blinzeln, so dass die

Edward Carnby muss schnell machen: Die Interaktion mit der Umgebung ist die große Stärke des Spiels. Ihr könnt Türen einschießen oder mit schweren Gegenständen einschlagen. Grafisch zeigt man sich lediglich in Sachen Feuer auf der Höhe der Zeit - Animationen und Texturen bewegen sich eher im Mittelfeld aktueller Titel. Vor allem das starke Tearing und die Clippingfehler sollten bis zum Start noch behoben werden.
Sicht für kurze Zeit klarer wird. Sieht aus wie ein Hotelzimmer, die Kerle tragen Anzüge, Pistolen und endlich versteh ich auch was. Ein Stein? Ein Lichtbringer? Was soll der mysteriöse Kram? Jetzt wird es etwas deutlicher: Ich soll auf dem Dach erschossen werden...na dann los.

Ein Kerl bugsiert mich schroff durch rote Hotelflure. Noch bin ich nicht Herr meiner Sinne, immer wieder wird meine Sicht vernebelt, immer wieder muss ich den Stick für den klaren Durchblick drücken - das nervt langsam. Vor einem Fahrstuhl passiert dann etwas Unerwartetes: Der Mann, der mich exekutieren sollte, wird von einem schwarzen Etwas zerfetzt. Während sein Blut auf den Boden spritzt, verwandelt sich das Hotel plötzlich in ein Katastrophengebiet - eine Art Monster reißt die Wände auf, Feuer und Panik brechen aus und ich kann mich frei bewegen!

Zu viel versprochen?

Bis hierher hört sich das vielleicht nach einem guten Einstieg an. Aber das, was Alone in the Dark (AitD) zu Beginn noch anzudeuten vermag, also einen packenden Horrortrip, kann es in den folgenden Szenen und drei gespielten Kapiteln dramaturgisch noch nicht einhalten. Trotz der Tatsache, dass es reichlich Zwischensequenzen gibt, dass Wände immer wieder spektakulär aufgerissen und Zombies aufgetischt werden, bauen Dialoge, Musik und Regie überraschend wenig Atmosphäre und Spannung auf. Selbst der Einsatz der ersten beiden Zeitlupen, beim Sprung über einen Abgrund und bei der Sprungschanzenfahrt, wirkt seltsam aufgesetzt und unspektakulär. Mich wundert aber vor allem die akustische Schwäche - ich habe kürzlich Silent Hill: Homecoming  gespielt und allein die verfremdeten Klänge haben für Gänsehaut gesorgt: Die Musik hier, die von Olivier Deriviére komponiert und vom The Mystery of Bulgarian Voices eingesungen wurde, bleibt seltsam blass, lässt mein Adrenalin trotz lautem Tamtam weiter schlafen.

Das Feuer spielt eine angenehm aktive Rolle: Es breitet sich selbständig aus und frisst sich durch Holz, bis es zerbröselt. Außerdem kann es genutzt werden, um Zombies zu vernichten. Ihr könnt auch alle Gegenstände werfen.
Im zweiten Condemned  habe ich mich schon zu Beginn sehr oft erschreckt, genau so ging es mir kürzlich in Silent Hill: Homecoming , selbst in Dark Sector hatte ich diese Momente, aber hier bisher nicht ein einziges Mal. Und da es sich hier um Survival-Horror handeln soll, muss man ganz klar von einem verpatzten Einstieg sprechen. Ich musste sogar fast schmunzeln, als sich die erste Begleiterin irgendwann in eine Zombielady verwandelte und in tiefer Deathmetalstimme etwas von "Sie ist eineeeer meineeeer Körpeeeeer" brummte. Das war leider auf eine andere Art fürchterlich, als ich es erhofft hatte. Das war wie Clive Barker für Arme. Diese Backpfeifen muss der Regisseur dieses Spiels hinnehmen, denn mit etwas mehr Feingefühl für Stimmungen hätte man diese Situation viel spannender inszenieren können. Nein, man hätte sie angesichts des großen Namens spannender inszenieren müssen!

Atmosphärische Widersprüche

Irgendwie wollen Akustik und Technik nicht so zusammen tanzen, wie sie es in einigen Trailern suggeriert haben; auf gar keinen Fall so, dass ich mitgerissen werde. Selbst das mittlerweile acht Jahre alte "Code Veronica", das erste in Echtzeit berechnete Resident Evil , hatte nicht nur deutlich bessere Kamerafahrten, sondern auch eine lebendigere Figureneinbindung in den Filmen. Hier werde ich trotz zerfurchter und höchst detaillierter Gesichter, die ja nicht schlecht aussehen, oft an ein Wachsfigurenkabinett erinnert - kein Vergleich etwa zu Mass Effect. Diese Brillanz hätte ich auch nicht erwartet, aber wenigstens ein harmonischeres Zusammenspiel von Figuren und Kulisse.

                       

Der erste Blick in den Spiegel zeigt mir dann einen Protagonisten, der mit seinem Graustich im Haar so herzlich wenig mit dem dunklen Typen zu tun hat, der mir bisher in den Artworks Lust aufs Spiel gemacht hat. Dieser Edward Carnby sieht ein wenig aus wie Vincent Raven aus der Uri Geller-Show. Und egal, wer den Mund aufmacht - die deutschen Stimmen, vor allem die der

Autos spielen auch eine Rolle: Ihr könnt sie wie in GTA aufbrechen und mit ihnen losfahren. Außerdem besitzen sie ein interaktives Interieur, so dass ihr euch überall umschauen oder Plätze tauschen könnt.
Frauen, passen sich leider sehr schnell dem schlechten Niveau der Dialoge an. Statt Horror der Spitzenklasse bekommt man in den ersten Kapiteln einen B-Movie. Hier ein paar Auszüge:

Dialoge, sie zu quälen!

Er: "Wir müssen zum Park."

Sie: "Was ist denn mit diesem Park?"

Er: "Das werden wir dann sehen."

Oder nehmen wir diese manchmal völlig deplatziert wirkenden Kommentare. Da reißt wieder eines dieser Monstren zum gefühlten zehnten Mal eine Wand auf und sie sagt:

"Haben sie auch diese Risse gesehen?"

Ich? Die Risse? Ach, Quatsch! Da knacke ich während einer Apokalypse ein Auto in der Tiefgarage, übrigens per gelungenem Kurzschließ-Minispielchen mit beiden Analogsticks, werde von Zombies umzingelt und die Frau neben mir sagt in ihrer nervigen, absolut nicht zur Stimmung passenden Tonlage Sachen wie diese, in genau dieser Reihenfolge:

"Dein Stil gefällt mir!" - "Da sind noch mehr!" - "Fahr sie platt!".

Bin ich hier in einem Horrorspiel für Erwachsene oder bei einem lustigen Zombie-Autoscooter mit grenzdebilen Zicken? Leider fühlt es sich an wie Letzteres. Dabei gibt es auch an der Integration der fahrbaren Untersätze gute Seiten: Man kann wie in Grand Theft Auto IV diverse Fahrzeuge klauen, indem man die Scheiben einschlägt, dann kann man sich reinsetzen, sogar fließend die Plätze tauschen, das Handschuhfach durchwühlen, hupen, Licht anmachen und im Ernstfall sogar durch die Heckscheibe fliehen. Nur sehen die Autos hier erstens zwei Welten schlechter aus als in GTA und zweitens fahren sie sich zwei Welten lahmer.

Die guten Seiten

Noch können wir nichts zum Spiel nach Kapitel 3 sagen. Kann Alone in the Dark seine atmosphärischen und dramaturgischen Schwächen später durch seine freiere Spielwelt ausgleichen?
Das Tragische an diesen atmosphärischen Schwächen ist die Tatsache, dass sie die durchaus vorhandenen Vorzüge so deutlich in den Schatten stellen. Dabei fallen einige spieltechnische Merkmale durchaus positiv auf. Da ist z.B. das coole Inventar, das über einen Blick den Gürtel hinunter dargestellt wird - drückt man das Digikreuz runter, sieht man sich quasi in die eigene Jacke und erkennt z.B. Erste-Hilfe-Spray, Pistole und Taschenlampe.

Hinzu kommen einige realistische Feinheiten: Ich kann hier wirklich nur die kleinen Gegenstände tragen, die dort auch hinein passen - die Langstielaxt und die Schrotflinte muss man per Hand schleppen. Und das Springen ist mit schweren Objekten nicht möglich - der Feuerlöscher muss erst abgestellt werden. Auch hinsichtlich der Verletzungen zeigt sich das Spiel erfrischend authentisch, denn man versorgt sich aktiv, indem man z.B. zu seiner Schürfwunde hinunter blickt und dort fleißig sprüht oder verbindet. Hinzu kommt auch der lobenswerte Verzicht auf ein gewöhnliches Head-Up-Display (HUD) - sprich: Es gibt keine Lebenspunkteleiste.

Feuer, überall Feuer!

Topp oder Flopp? Die Eden Studios spielen mit dem Feuer, denn sie richten den Klassiker mit vielen Elementen aus Rennspielen und Action-Adventures neu aus. Die Frage ist, ob das Ganze dermaßen aufgebläht in Luft geht.
Das Beste an AitD ist das Zusammenspiel aus Feuer, Physik und kleinen Experimenten. Ersteres breitet sich nachvollziehbar aus, greift von kleinen Brandherden aus auf andere Bereiche über und kann sogar spielerisch genutzt werden. Es frisst sich selbständig durch Holz und kann Hindernisse beseitigen: Einfach einen Stuhl greifen, in die Flammen halten und ihn so zur Fackel machen; damit dann schnell zu den Balken laufen, die den Weg versperren und diese damit entzünden - sehr schön.

Und im Bereich der Kletterakrobatik kann man fast Lara Konkurrenz machen: Man schwingt an Seilen hinab, setzt zu Wandläufen an, springt auf Simse und hangelt sich an Außenfassaden entlang. Alles in Sachen Animationen etwas hölzern, aber aufgrund der physikalischen Herausforderungen interessant. Ihr müsst nämlich ab und zu darauf achten, das Seil geschickt um Hindernisse zu schwingen. Schön auch, dass man Türen sowohl einschießen als auch einschmeißen bzw. einschlagen kann.

Zum anderen kann man auch die seltsamen Untoten mit Feuer besiegen. Allerdings wirkt das noch viel zu leicht. Man greift sich einfach etwas Brennendes, visiert den Gegner an und rennt ihm bei automatischer Fixierung einfach nach, bis man ihn erwischt hat - schon geht er in Flammen auf und verpufft als schwarze Wolke. Die Monster der ersten Kapitel stellen sich noch reichlich dumm an. Das, was die Entwickler vorher mit den Fratzen in Zwischensequenzen an Furcht aufbauen wollen, verpufft hier ebenso schnell. Bedrohungsgefühl? Fehlanzeige. Wer sich an Segas düsteren Horrortrip erinnert, wird mit wohligen Schauern an die Momente denken, als sich die Gegner Waffen gegriffen haben, bevor sie auf einen zustürmten; oder an die schlurfenden Fratzen in Dark Sector, die einen regelrecht anspringen - all das, was für dieses Mittendrinkampfgefühl sorgt, gab es hier noch nicht zu sehen.

Die ultimative Spielekrücke

Wer sich trotzdem beim Klettern oder Kämpfen überfordert fühlt, darf sich auf eine Premiere freuen und mit interaktiver Hilfe ins Finale humpeln: Man kann mit der "innovativen" DVD-Funktion tatsächlich an jeder Stelle des Spiels zu jeder Stelle des Spiels vorspulen. Sprich: Ihr sterbt beim Kraxeln? Kein Problem: Kurz ins Menü und ein paar Szenen später weiter machen. Wer ganze Kapitel überspringt, bekommt à la Lost oder 24 noch mal eine knackige filmische Zusammenfassung dessen, was bisher geschah. Die Entwickler wollten damit sicher gehen, dass jeder, der das Spiel kauft, auch das Finale erleben kann. Das ist ein toller Service. Die Frage für den Test wird aber eher sein: Will man überhaupt bis zum Finale spielen?

                

Ausblick

Ich weiß noch nicht genau, was ich in den ersten drei Kapiteln gespielt habe, aber Survival-Horror war das noch nicht. Ich fühle mich ähnlich ernüchtert wie anno dazumal, als ich zum ersten Mal Gothic 3 spielen konnte. Nach drei Kapiteln stand ich quasi allein im Dunkeln. Zur Sicherheit habe ich auch Michael noch mal zocken lassen - und auch er stellt sich dieselben Fragen: Wo bleiben Horror, Schockmomente und Regie? Wo ist die versprochene Wiedergeburt von Alone in the Dark? Das Spiel hat für mich nicht mehr viel mit dem zu tun, was Infogrames anno 1992 begründet hat: Survival-Horror. Nach dem bisher Gespielten muss man darauf hoffen, dass aus der Wiedergeburt keine Totgeburt wird. Das spielt sich noch zu sehr wie Tomb Raider meets Fire Department plus Fahrsequenzen. Man klettert, löscht, ballert, fährt, aber das Herz klopft nicht. Das Tragische ist, dass die guten Seiten angesichts der B-Movie-Atmosphäre verblassen: Da ist das angenehme Zusammenspiel aus aktiver Physik und kleinen Rätseln. Da ist das lebendige Feuer, das mich bedroht, aber auch Wege öffnet. Da sind feine Gimmicks wie die sichtbare Jacke als Inventar oder die komplett interaktiven Autos. Das Team der Eden Studios überzeugt mich bisher durchaus im Detail sowie in der Interaktion mit der Umgebung. Aber ich habe das Gefühl, dass man dieses Spiel mit all seinem Komfort und der Vielfalt zu stark auf den Massenmarkt getrimmt hat - kann man den Urvater des Survival-Horrors so wiederbeleben? Noch habe ich nur den Einstieg gespielt. Für den Test wird ganz entscheidend sein, wie sich das Abenteuer erzählerisch und dramaturgisch im Central Park entwickelt - erst dort wird man die vorgegebenen Pfade verlassen: Können die schwachen Kämpfe und Rätsel dann noch an Anspruch gewinnen? Kann die freiere Spielwelt doch noch mit dem Nervenkitzel auftrumpfen, den man angesichts des großen Namens erwarten darf?

Ersteindruck: befriedigend

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