World in Conflict31.07.2007, Jörg Luibl
World in Conflict

Vorschau:

Was wäre, wenn das Wettrüsten zwischen Amerika und Russland kein Ende genommen hätte? Was wäre, wenn Reagan und Gorbatschow das Chaos über die Welt gebracht hätten? Keine Wiedervereinigung, kein Euro, keine EU-Erweiterung. Der Kalte Krieg wäre zum Totalen Krieg eskaliert und hätte Europa als erstes Opfer zwischen zwei gigantischen Militärmaschinerien zermalmt. Es sei denn, jemand hält die Lawine aus dem Osten auf... 

Weltkrieg 3.0

Im Tutorial lernt ihr die Grundmechanismen des Krieges: Steuerung, Truppenlandnung, Verstärkung und strategische Gebietseroberung.  
Genau dieses Szenario serviert euch das Team von Massive Entertainment in World in Conflict (ab 17,98€ bei kaufen) . Genug Erfahrung haben die Schweden bereits mit dem ausgezeichneten Ground Control 2 gesammelt, das mit seinen Aliens und Lasern noch futuristische Wege ging. Diesmal stehen Panzer, Kampfjets und schwere Artillerie im Mittelpunkt. Welche Partei neben den USA/NATO und Russland eingreift, bleibt noch ein Geheimnis. Echtzeit-Strategen bekommen im Jahr 1989 jedenfalls alle Hände voll zu tun, denn es geht ohne Basisbau mit konventionellen sowie nuklearen Waffen knallhart und actionreich zur Sache - Bombenteppiche und Präzisionsbomben inklusive.

Präsentiert wird der Hintergrund bisher in einem Mix aus statischen, gemalten Bildern sowie Filmen in der Grafikengine - Erstere wirken sehr fade, Letztere können sich bereits jetzt sehen lassen. Um das Ganze erzählerisch aufzuwerten, hat man den US-Schriftsteller Larry Bond für die Story der Kampagne engagiert. Der Mann hat nicht nur einige Bestseller wie "Red Storm Rising" vorzuweisen, die ebenfalls einen alternativen Kalten Krieg beschreiben, sondern werkelt selbst gerne als Designer an PC-Kriegsspielen wie der Harpoon-Serie. Bisher wirkten die Dialoge zwar schon angenehm

Die rote Gefahr: Massive Entertainment lässt den Kalten Krieg eskalieren und die Russen in Frankreich landen.
derb, allerdings noch etwas aufgesetzt komisch - wir sind gespannt, wie sich das in der Kampagne entwickelt.

Ihr wollt den "alten" Kontinent retten? Bitte! Dann schlüpft in die Rolle des frisch gebackenen West Point-Offiziers Parker, der sich zunächst jede Menge Greenhorn-Sprüche anhören und seine Sporen u.a. während der Rettung Südfrankreichs verdienen darf - diese heikle sechste Mission konnten wir spielen: Die Russen haben die amerikanische Mittelmeer-Flotte versenkt und sind in einer Blitzaktion in Marseille gelandet. Wenn sich ihre Truppen dort festsetzen, treiben sie einen Keil durch Europa, der die Kräfte der NATO spalten könnte. Deutschland wird gerade verzweifelt gehalten, ein Feind im Rücken wäre die Katastrophe.

Ein Hügel, viele Gegner

Kaum in Frankreich angekommen, sollt ihr einen Hügel samt Leuchtturm sichern. Hört sich romantisch an, sieht im Morgenrot auch so aus, ist es aber nicht. Denn die Schlacht tobt bereits heftig zwischen alten Dörfern und sanften Hügeln - russische Artillerie

Die gemalten Story-Schnipsel sind zu statisch und wirken wie Fremdkörper in der Prösentation,
zerpflügt die Felder, Scharfschützen verschanzen sich in Wäldern, Kampfhubschrauber donnern wie Hummeln durch die Luft.

Freut euch auf ein Panorama des Krieges, das seinesgleichen sucht: Es scheppert, qualmt und zischt an allen Ecken und Enden. Die Soundkulisse ist ungeheuer dicht, jede Detonation schüttelt euch durch und wenn Raketen zwischen Rauchfontänen Richtung Panzer jagen, fühlt man sich wirklich mittendrin. Lediglich die Häuserkämpfe werden in unserer Fassung sehr unspektakulär dargestellt - schade, dass es kein gezieltes Ausräuchern oder besser visualisiertes Stürmen gibt. Die Steuerung funktioniert dank frei beweglicher Kamera einwandfrei, als Formationen stehen Linie oder Viereck zur Wahl, ansonsten gibt es mit Wegpunkten & Co den üblichen Komfort; außerdem könnt ihr schnell zwischen Waffengattungen wechseln.

Wer hilft mir?

Aber zurück zum Leuchtturm: Ihr habt lediglich den Befehl über eine kleine Kampftruppe, die ihr selbst aus einem Punktekonto zusammen

Besser sind die Cutscenes innerhalb der Grafikenegine, die hier z.B. Colonel Sawyer zeigt.
stellen dürft. Wollt ihr lieber schwere Panzer oder leichte Transporter? Lieber Kampfhubschrauber oder Infanterie? Es liegt an euch! Einmal ausgewählt, werden die Truppen aus der Luft auf eurem Landepunkt abgesetzt - von da an habt ihr das Kommando, während um euch herum andere Offiziere ihre Ziele verfolgen.

Der Funkverkehr simuliert das Chaos des Krieges bereits hervorragend: Da fragt ein Kamerad in der Nähe, ob ihr ihn entgegen euren Befehl mit Panzern unterstützen könntet, woraufhin ihm euer General sofort über den Mund fährt - bei uns waren noch Platzhalter für die Personen zu sehen, aber zum release dürft ihr mit animierten Portraits rechnen. Erledigt ihr diszipliniert eure Hauptaufgabe oder widmet ihr euch Nebenaufgaben, die euch lukrative Extras wie Gratisfahrzeuge einbringen könnten? Wie auch immer: Die lebendige Kommunikation innerhalb der Truppe verleiht der Kampagne von Beginn an Leben; selbst Gehässigkeiten und Vorurteile zwischen Franzosen und Amis sind dabei. Die spannende Frage ist jedoch, ob man auch ohne mysteriöse Aliens einen spannenden Plot um den jungen GI stricken kann. Wenn man das eher konventionelle Thema mit kreativen Überraschungen würzen kann, könnte diese Kampagne ähnlich unterhaltsam sein wie anno dazumal in Ground Control 2. Die Konjunktive kann hier erst die finale Fassung beseitigen.

                 

Das territoriale Prinzip

Aus der Vogelperspektive in die Schlacht: Die Aussichten sind grandios, die Kamerafahrten ebenso. Allerdings ähneln sich Amerikaner und Russen sehr in den Waffengattungen - kann die dritte Fraktion da etwas mehr Abwechslung reinbringen?
Diese sechste Mission hat es in sich - Bewegung ist Trumpf; wer steht, verliert. Wer zu lange an einem Punkt verharrt, darf Stahlteile und Verluste im Dutzendpack zählen, denn die Unterstützungsangriffe durch die Luftwaffe oder Artillerie sind verheerend. Diese wichtigen strategischen Schläge vom vernichtenden Bombenteppich bis hin zum feurigen Napalm kann man immer dann zu Hilfe rufen, wenn das eigene Punktekonto über geschickte Gebietseroberungen gefüllt wurde.

Die Frage ist, ob all die interessanten Spezialmanöver dabei auf der Strecke bleiben? Jedes Fahrzeug, jeder Flieger hat  eine defensive und offensive Geheimwaffe: Verhüllender Rauch, Lensflare und Ablenksalven hier, durchschlagende Projektile, Phosphorattacken und zielsuchende Raketen da. Allerdings muss man diese einzeln im Gefecht aktivieren, was in der Hektik schwierig sein kann - trotzdem kann man so kleine Scharmützel für sich entscheiden, denn Schere, Stein und Papier wirken erbarmunglos: Manchmal reicht ein Treffer und selbst ein schwere Panzer ist hinüber. Geht hier auf Dauer alles zu schnell in Staub auf? Kann man überhaupt Truppen sichern? Ja, sie gewinnen sogar Erfahrung und Abzeichen, aber es ist unheimlich schwierig diese zu sichern, da der Feind quasi jede Sekunde die optimale Gegenwaffengattung herbeirufen kann. Für die Spielbalance in der Kampagne wird entscheidend sein, ob die Reparaturfahrzeuge hier effektiv Abhilfe schaffen.

Es ist auch eher das territoriale und von schnellen Angriffen lebende Prinzip, das dieses Spiel attraktiv für Taktiker macht. Weil das Halten von Geländevorteilen zum einen auf zwei oder drei

Ein Kampfhubschrauber im Sonnenlicht: Wie lange wird er da oben noch flattern? Die Verluste gibt`s im Sekundentakt.
Positionen ausgelegt ist, und weil zum anderen jede Sekunde im Besitz des Territoriums dafür sorgt, dass dort automatisch Stellungen wie MG-Nester gebaut und verstärkt werden. Sprich: Je länger man an einem Ort dominiert, desto besser wird er verteidigt. Obwohl es keinen Basisbau gibt, kann man also Strukturen schaffen. Nur, wenn man zu lange verharrt, kommt bald der taktische Schlag auf das komplette Gelände. Hätte man diese Pflicht zur Bewegung der Verbände vielleicht über eine Art Rotierenbefehl erleichtern können? Sprich: Ein stationierter Verband wechselt eigenständig in Intervallen die Stellung. Man kann das über Wegpunkte ausgleichen, aber das kostet etwas zu viel Zeit. 

Viel Bewegung wird in dieser sechsten Mission gefordert, denn selbst wenn man den Leuchtturm gesichert hat, sind die Russen noch lange nicht besiegt: Sie planen einen großen Gegenangriff und man bekommt etwas Zeit, um ein kleines Hafenstädtchen für die Verteidigung fit zu machen. Sprich: Panzer positionieren, Häuser besetzen und Stellungen ausbauen. Leider hat unsere Vorarbeit beim ersten Versuch nicht gereicht, wir werden gnadenlos überrollt - auf dem mittleren Schwierigkeitsgrad wird man ordentlich gefordert. Und selbst ein West Point-Abschluss ist wertlos, wenn zwei Monate nach Frankreich plötzlich Russen in Seattle landen und Santa Monica überrennen. Könnt ihr den Westen retten?

Ein Fest für Online-Feldherren

Die Schweden wollen mit World in Conflict vor allem online Zeichen setzen und haben die Betaphase samt Technik vorbildlich

Erledigt ihr Nebenaufgaben, bekommt ihr auch schon mal eine Einheit umsonst - in diesem Fall einen Raketenwerfer.
aufgezogen. Man kann jederzeit in laufende Partien einsteigen, wird von einer komfortablen Lobby begrüßt und kann sich zig Ranglisten anzeigen lassen. Die Massengefechte mit bis zu 16 Mann auf einer Karte spielen sich zwar unheimlich intensiv, aber Einsteiger oder Feldherren ohne taktische Koordination über ein Headset versinken hier schon nach wenigen Minuten im Bombenhagel. Hier haben Clans, Kumpeltruppen oder Leute mit aktiver Kommunikation klar die Nase vor.

Aber Massive hat auch für Gelegenheitstaktiker das passende Angebot. Für den Einstieg empfehlen sich die Modi 1-gegen-1 sowie 2-gegen-2, die auch knackige Gefechte im kleinen Rahmen erlauben. Und das zahlt sich aus: Gerade hier kann man dank eines Punktepolsters und der fehlenden Beschränkung auf eine Waffengattung (Boden, Luft, Infanterie, Unterstützung) von Beginn an experimentieren, eher Erfolgserlebnisse sammeln und das Taktiken mit gemischten Verbänden ausprobieren, ohne auf die Abstimmung mit der Gruppe angewiesen zu sein. Wir haben uns in der Redaktion bereits eine Schlacht nach der anderen geliefert - bald könnt ihr zuschlagen: Das Spiel soll am 21. September für PC erscheinen; eine Xbox 360-Fassung wurde für das vierte Quartal dieses Jahres angekündigt.

           

Ausblick

Hört sich alles richtig gut an? Ja. Und sieht klasse aus? Oh ja! Kenner von Ground Control 2 werden allerdings vor lauter Rauchwolken, Feuerwalzen und Stahlsplittern auf den ersten Blick nicht viele Neuerungen finden. Und vielleicht werden sie ein aktiveres Kampfsystem beim Besetzen von Gebäuden oder der Deckungssuche der Infanterie vermissen - die nutzt zwar Wälder und Häuser, aber z.B. keine Trümmer oder Ruinen zum Verschanzen. Trotzdem fühlt man sich hier schnell mittendrin, denn das Spielgefühl profitiert von seiner Rasanz, vom hektischen Funkverkehr, der pompösen Kulisse sowie dem taktischen Anspruch. Ging es bei Supreme Commander noch um die wohl überlegte Planung späterer Vernichtung, geht es hier um die frühe Vernichtung. Wer steht, verliert: Jede Entscheidung ist wichtig, jede Sekunde muss genutzt werden, es gibt keine Atempause! Die ersten Missionen der Kampagne haben bereits einen sehr guten Eindruck hinterlassen. Auch, wenn der Schwierigkeitsgrad recht happig ist und die Zerstörungsorgie kaum Zeit lässt, sich erfahrene Truppen heranzuzüchten. Auch, wenn der Humor hier und da noch aufgesetzt wirkte und die statischen Malereien als Storyhintergründe anachronistisch wirken. Dafür sorgten die Animositäten zwischen Franzosen und Amerikanern bereits für angenehme Zickereien innerhalb der NATO. Wir sind gespannt, wie sich der Plot erzählerisch entwickelt, ob Wegfindung und KI auf Dauer überzeugen und wie sich dieser jetzt schon unheimlich intensive Krieg in der Testfassung präsentiert. Auch die dritte Fraktion wird noch eine Rolle in der Bewertung spielen, denn bisher zeigen Amerikaner und Russen noch sehr ähnliche Waffengattungen.


Ersteindruck: sehr gut

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