Grand Theft Auto 426.07.2007, Paul Kautz
Grand Theft Auto 4

Vorschau:

Zwei Monate nach unserem ersten Ausflug in das Liberty City der nächsten Generation lud Rockstar erneut nach London ein - und dieses Mal bekamen wir nicht nur ein paar Schnipsel, sondern eine ausführliche Präsentation von wichtigen Teilen aus GTA 4 zu sehen. Erstmals konnte man einen tieferen Blick auf das Gangsterepos werfen - Grund zur überbrodelnden Freude?

Böser Mann in böser Stadt

Niko Bellic ist kein guter Mensch: Der Russe ist in üblen Verhältnissen aufgewachsen, hat die übliche Kleingauner-Karriere hinter sich, war immer der Mann fürs Grobe. Irgendwann dämmerte ihm, dass das nicht alles sein kann, was das Leben zu bieten hat. Ein Anruf seines Cousins Roman, der seine Hilfe in Liberty City gebrauchen könnte und ihm das Paradies auf Erden verspricht, kommt da gerade recht. Niko hofft auf eine neue Chance - aber die Vergangenheit holt einen irgendwann unweigerlich ein, zumal sich bei seiner Ankunft herausstellt, dass Roman dezent übertrieben hat...

Liberty City Limits: Euch erwartet eine gigantische, detaillierte Stadt, die nach dem Vorbild New Yorks designt wurde.
Mit GTA 4 verabschiedet sich Rockstar Games vom »Immer größer, immer weiter, immer mehr!«-Ansatz der letzten Teile: Hier gibt es kein Muckitraining, kein Autopimpen, keine Motorrad-Skills, kein Jetpack und keinen Senkrechtstarter-Jet. Die Entwickler wollen weg von dem gigantischen Umfang von San Andreas (SA), den laut internen Studien ohnehin nur die wenigsten Spieler komplett ausgenutzt haben - dafür geht's zurück zu den Wurzeln. Nicht, dass das Auswirkungen auf die schiere Größe der Stadt hätte: Die bietet in etwa so viel Platz wie das SA-Areal, aber auf engerem Raum und zur Abwechslung auch mit etwas mehr Vertikalität - in Liberty City laden viele Wolkenkratzer zur Erkundung ein.

Während es früher bestenfalls einen Piepser zur Fernkommunikation gab, ist jetzt das Handy euer bester Freund. Mit diesem Multifunktionstool könnt ihr interne SMS versenden, Fotos machen und natürlich komunizieren. Viele Missionen gibt es per Telefon, auch die Beschaffung von Waffen wird meist per Rohr am Ohr abgewickelt: Niko ruft Kumpel »Little Jacob« an, der kurz darauf in einer schattigen Gasse mit einem Kofferraum voller Argumentationsverstärker wartet - vorbei sind die Zeiten des schnellen Wummenshoppings im »AMMUnation«-Shop! Wenn euch das Gebimmel auf die Nerven geht, könnt ihr eingehende Anrufe auch ignorieren. Meint es der Anrufer aber ernst, wird er es immer wieder probieren - aber auch mit jedem Mal etwas stinkiger werden. Auf irgendeine Art und Weise kommt das Telefon auch beim Multiplayermodus ins Spiel, aber dazu gab es bislang keine weiteren Informationen.

Labertaschen City

Neben dem Telefon bietet auch das spielinterne Internet (auf das ihr u.a. von Internet-Cafés mit dem subtilen Namen »tw@« zugreifen könnt) eine Möglichkeit der flotten Kommunikation. Zwar wird es hauptsächlich für Informationen genutzt, ihr könnt aber auch darin mehr oder weniger sinnvoll umhersurfen - unser Adlerauge hat einen Button namens »Find Love Now!« ausgemacht. Und natürlich erfüllt es seinen Zweck im Missionsdesign: In

Willkommen in 2007: Das Handy ist Nikos wichtigstes Kommunikationsmittel.
einem Auftrag müsst ihr online eine Bewerbung für einen Anwaltsjob absenden, damit ihr zum Vorstellungsgespräch geladen werdet und den Senior-Partner abknallen könnt. Hier benötigt ihr noch einen schnieken Anzug, damit ihr überhaupt erst das Gebäude betreten dürft, eure normale Kluft (Trainingshose, dreckiger Pulli, schäbige Jacke) muss draußen bleiben - die Frage, was passiert, wenn man einen Auftrag mit den falschen Klamotten angeht, konnte man uns allerdings nicht beantworten. Aufgaben wie diese sind darüber hinaus timingkritisch, wie in der richtigen Welt findet z.B. die Bewerbung zu einer bestimmten Zeit statt - Trantüten bekommen ein paar Spielstunden davor nochmals eine Erinnerung. Auch hier wollten wir wissen, was passiert, wenn man das Interview einfach ignoriert - aber auch hier konnte oder wollte man uns noch keine Antwort geben. Allerdings wurde uns verraten, dass man wichtige Entscheidungen wird treffen können, die das Game in die eine oder andere Richtung lenken. Was für Konsequenzen das aber schlussendlich hat, bleibt vorerst ebenfalls ein Geheimnis der Entwickler - wird es je nach Wahl andere Missionen oder gar verschiedene Schlusskapitel geben?                       

Eine andere Mission beinhaltet Nikos »Freund« Officer McReary - einen korrupten Polizisten, der Niko immer wieder mal um spezielle Hilfe bittet, und als Gegenleistung hier und da ein Auge zudrückt. McReary wird erpresst, jemand hat einen Memory Stick mit belastenden Fotos von ihm. Also erteilt er Niko den Auftrag, zu dem vereinbarten Treffpunkt zu fahren und dort abzuwarten. Kaum angekommen,

Die Gefechte laufen dynamischer ab als zuvor - jetzt müsst ihr geschickt Deckung nutzen und auf euer Äußeres achten, denn eine Lebenenergieanzeige gibt es nicht mehr.
erhält Niko eine SMS mit der Nummer des Erpressers. Er ruft an und beobachtet, welcher der Passanten zum Telefon greift. Nach einer kurzen Suche ist der Übeltäter identifiziert, die Waffe gezogen, der Memory Stick akquiriert. Ups, die Bullen...

GTAvolution

Habt ihr die Polizei im Nacken, werdet ihr feststellen, dass sich auch das Verfolgungssystem geändert hat: Zwar gibt es nach wie vor die sechs »Wanted«-Sterne, die euch nach und nach von Streifenpolizisten bis hin zu Armee-Einheiten alles auf den Hals hetzen, was irgendwie bewaffnet ist. Doch zusätzlich ist Niko jetzt das Zentrum eines rot-blau blinkenden Kreises, aus dem er entkommen sollte: Das geschieht, indem er den Blicken der Polizei entgeht, schleicht, sich versteckt oder das Auto mehrmals wechselt. Entwischt er dem Kreis, muss er sich noch kurz unauffällig verhalten, bis die Sterne aufhören zu blinken - danach ist er wieder ein unbescholtener Bürger. Leistet er sich einen Schnitzer, zentriert sich der Kreis wieder um ihn, das ganze Spiel beginnt von vorn.

Die Gefechte laufen ebenfalls anders ab, als gewohnt: Natürlich könnt ihr nach wie vor mit diversen Waffen von der Pistole bis zum Schnellfeuer-MG wild um euch ballern, aber die Gegner haben dazugelernt. Daher ist es sinnvoller, möglichst effizient aus der Deckung heraus zu schießen: Ihr könnt nahezu jedes Objekt dazu nutzen, und von dort aus entweder gezielt oder blind ballern - das können eure Widersacher aber auch! Ein bemerkenswert großer Teil der Umgebung lässt sich mit genug Feuerkraft auch ansehnlich zerbröseln, allerdings nicht in dem Umfang wie z.B. in Stranglehold. Im Gegensatz zu früheren Teilen gibt es jetzt keine Anzeigen mehr für Lebensenergie oder schusssichere Weste -

Die Straßen sollen belebter sein als in jedem anderen GTA: Mehr Passanten, mehr Autos - aber leider keine Tiere.
stattdessen zeigt Niko mit fortschreitender Verwundung deutlich sichtbare Verletzungen. Um die Wunden zu verschließen, muss er entweder eine Klinik aufsuchen oder den einen oder anderen  heilsamen Hot Dog essen - auf der Straße liegende rote Herzen soll es im neuen Liberty City nicht mehr geben. Dafür versprechen die Entwickler einen umfassenden Multiplayermodus: Ein Novum für Konsolen-GTAs! Allerdings bleibt die Art und Weise seiner Umsetzung bislang ein Mysterium. Laut den Entwicklern soll er der Einzelspielervariante das Wasser reichen können - was auch immer das bedeutet. Es bedeutet jedenfalls nicht, dass man kooperativ durchs Spiel poltern darf, das wurde nämlich schon ausgeschlossen.

Mal gemütlich die Stadt erkunden?

Natürlich könnt ihr das neue GTA in wesentlichen Teilen wie jedes alte spielen: Autos knacken, wild durch die Straßen hetzen, noch wilder um euch schießen. Aber da Rockstar den »Realismusanspruch« für einen Shooter möglichst hoch halten will, belohnen die Entwickler subtileres Vorgehen: Autos lassen sich in den meisten Fällen nicht mehr einfach so klauen, da muss schon mal eine Scheibe eingeschlagen werden. Da sich Raser jetzt viel schneller auf dem Radar der Polizei wiederfinden, ist es auch eine gute Idee, immer wieder mal zum Taxi zu greifen - ein flotter Pfiff, und schon ist der gelbe Wagen da. Zwar kostet die Fahrt Geld, aber es gibt auch Komfortoptionen: Ihr könnt eine lange Fahrt abkürzen (woraufhin übrigens das einzige Mal innerhalb des Spiels nachgeladen wird) oder dem Fahrer doppelt so viel Kohle in die gierige Hand drücken, und ihn so für euch gefahrlos zum Rasen animieren.                 

Ihr könnt natürlich auch einfach herumsitzen und die Fahrt aus mehreren Kameraperspektiven genießen. Aber machen wir uns nix vor: Wer spielt GTA, um sich in  einem Taxi herumkutschieren zu lassen? Viel mehr Spaß macht es doch, in einem roten Rennwagen oder einem schnittigen Rennmotorrad durch die Straßen Liberty Citys zu heizen, die zu großen Teilen

Ihr dürft viele Häuser betreten, das Innere ist detailliert ausgearbeitet - außerdem gibt es jetzt kaum noch Ladepausen innerhalb des Spiels.
den Stadtteilen New Yorks nachempfunden sind und entsprechende Namen tragen - aus Brooklyn wird Broker, aus Queens wird Dukes und aus der Bronx hat Rockstar Bohan gemacht. Interessantes Randdetail: Jede einzelne Straße hat einen eigenen Namen - das ist nicht nur fürs Erkunden der Stadt nützlich, sondern hat auch spielerische Auswirkungen. Werdet ihr von der Polizei verfolgt, könnt ihr im Polizeifunk genau hören, wo ihr gerade gesucht werdet - die knackenden Stimmen verraten eure Position straßengenau!

Die Fahrzeuge tragen auch dieses Mal wieder keine großen Namen, sind aber in Sachen Design sichtbar davon inspiriert. Außerdem haben die Entwickler an der Fahrphysik geschraubt: Zwar erwartet euch kein »GTR 4«, aber die Vehikel verfügen zumindest über rudimentäre Mechanik, Räder und Stoßdämpfer bewegen sich unabhängig voneinander, das Auto reagiert deutlich sichtbar auf Huckel und Straßenschäden. Aber viel weiter geht die Physik nicht - Straßenlaternen können z.B. nach wie vor wie Grashalme umgemäht werden. Eine zusätzliche Hilfe für Stadtfrischlinge stellt übrigens auch das GPS-System dar, das euch auf einer Ideallinie zum Missionsziel bugsiert - aber auch deaktiviert werden kann.

»Guns don't kill people - video games do!«

Was erwarten die Spieler von einem GTA? Jede Menge Action - die gab's zu sehen. Eine knackige Story - die soll dieses Mal noch ausgeprägter sein als je zuvor. Ein cooles Spielgefühl - dazu können wir noch nichts sagen. Jede Menge geile Musik - auch hier gibt es noch viele Fragezeichen, aber auch Hoffnung: Rockstar hat sich noch nicht dazu geäußert, ob der Soundtrack wieder lizenziert, eigens komponiert oder als Mischung aus beidem auf den Spieler eindröhnen wird. Allerdings bekamen wir zwei Radiosender zu hören - einen mit jeder Menge schweren

Hätte Niko mal lieber das Taxi genommen...
Gitarren, den anderen mit lässigem Reggae, inkl. »Get up, stand up« von Bob Marley. Und verdammt witziger Werbung - von »Liberty City Gun Club for Women: Including Reloading & Aiming for the nuts« bis  »Start designing you perfect Baby today«! Steigt ihr aus dem Auto aus, läuft die Musik übrigens sehr leise weiter - ein dezenter, aber netter Effekt.

Der letzte wichtige Punkt jedes GTAs ist die Technik - und hier hatten wir gemischte Gefühle. Zwar gibt es gegenwärtig nur wenige Spiele, die so wundervoll eine Großstadt abbilden, aber es gibt sie - wie das hierzulande indizierte Crackdown oder Saints Row. Und GTA 4 leidet gegenwärtig noch an erheblichen technischen Problemen, die den Genuss schmälern: Starke Pop-Ups und Fade-Ins, heftig flackernde Texturen - kein Wunder, dass während der Präsentation kaum Vollgas gegeben wurde, die gebeutelte 360 kam auch so schon kaum mit dem Nachladen hinterher. Natürlich ist das Spiel noch lange nicht fertig, was wir zu sehen bekamen, war gerade mal eine Alpha-Fassung - aber es war deutlich sichtbar, dass die Entwicklung noch einen weiten Weg vor sich hat.              

Ausblick

Der Weg, den GTA 4 einschlägt, gefällt mir sehr gut - zwar ist Niko Bellic alles andere als eine Identifikationsfigur und erst recht kein Sympathieträger, aber als Antiheld ist er perfekt besetzt! Auch Liberty City unterscheidet sich deutlich von allem, was es bisher in früheren Teilen zu sehen gab: Die Stadt ist schmutziger, bedrohlicher, wirklicher, lebendiger; Zeitungen flattern herum, Mülltonnen quellen über, Passanten telefonieren, rauchen, plaudern. Rockstar hat sich zugunsten eines glaubwürdigeren Umfelds absichtlich gegen Eyecandy und Effektgewitter entschieden - das ist natürlich mutig. Wie sehr sich dieser »authentische« Anspruch mit dem arcadig-lockeren Spielgefühl der früheren Teile kombinieren lässt, muss sich aber erst noch zeigen. Deswegen behalten wir uns auch den Fit4Hit noch vor - gegenwärtig schwirren einfach noch zu viele Fragezeichen um GTA 4.

Ersteindruck: sehr gut

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