Burnout Paradise12.07.2007, Michael Krosta
Burnout Paradise

Vorschau:

Mit der Ankunft der PS3 und Xbox 360 hat sich Criterion dazu entschieden, die vielfach ausgezeichnete Burnout-Serie umzukrempeln und neue Wege zu beschreiten. Kann das Konzept einer riesigen, frei befahrbaren Welt nach Vorbild von Test Drive Unlimited in einer Franchise aufgehen, die ihre actiongeladenen Rennen bisher vornehmlich in ein Level-Korsett schnürte?

Orientierungslos

Es ist ein sehr befremdliches Gefühl, wenn man sich zum ersten Mal auf Erkundungstour in die riesige Welt von Burnout Paradise (ab 18,66€ bei kaufen) begibt. Breite Highways wechseln sich mit Stadtfahrten zwischen Wolkenkratzern ab, Straßen führen vom idyllischen Strand bis hoch ins Gebirge, in dem die mächtigen Felsen von Tunneln durchzogen werden. Doch wo zum Geier sind all die Rennveranstaltungen? Bei den planlosen Fahrten durch die abwechslungsreiche Kulisse entdeckt ihr nicht ein Icon, das auf ein Event hindeuten könnte. Auffällig ist nur, dass die Zeit genommen wird, sobald ihr in eine neue Straße abbiegt, die übrigens allesamt die Namen von EA/Criterion-Mitarbeitern tragen. In diesen Zeitrennen gilt es, den von der jeweiligen Person aufgestellten "Straßenrekord"

Auch in Paradise City seid ihr in schnittigen Flitzern unterwegs.
zu schlagen. Das ist zwar ganz spaßig, aber wo bleiben die echten Positionskämpfe, bei denen ich Takedowns austeilen, Crashbreaker zünden und mich durch den Verkehr pflügen kann? Das kann doch nicht alles sein...

Ampelstart

Nein, ist es auch nicht! Man muss nur wissen, wie es geht: Das Geheimnis liegt darin, dass ihr an einer der zahlreichen Kreuzungen einfach bei der Ampel anhalten müsst - schon startet ihr auf Wunsch ein Rennen, wenn ihr die beiden Trigger gleichzeitig drückt. Hier ist Burnout Paradise wieder so, wie man es kennt und liebt! Mit wahnwitziger Geschwindigkeit rast ihr über die Pisten, rempelt Konkurrenten von der Strecke, versucht dem Gegenverkehr auszuweichen und ladet euren Boost mit halsbrecherischen Manövern auf. Allerdings müssen sich konservative Burnout-Chaoten stark umstellen: Während die Strecken bisher deutlich eingegrenzt waren und nur einigen Abkürzungen boten, brettert ihr jetzt ähnlich Midnight Club 3 völlig frei der Ziellinie entgegen, sprich: Ihr wählt selbst die Idealroute, die euch eurer Meinung nach am schnellsten

Kein Burnout ohne Boost-Funktion!
dorthin bringt. Auf Hilfsmittel wie Navigationspfeile o.ä. wird komplett verzichtet, so dass ihr bei der enormen Geschwindigkeit immer ein Auge auf die kleine Karte werfen müsst.

Es kracht!

Kein Wunder, dass es im Paradies öfters kracht, wenn ihr der Rennaction nicht eure volle Aufmerksamkeit widmet und keine Reflexe wie ein Jedi besitzt. In den Vorgängern war nach einem Crash bekanntlich Schluss. Nur die Aftertouch-Kontrolle oder der Crashbreaker konnten noch genutzt werden, um die Konkurrenz mit ins Verderben zu reißen - der ärgerliche Totalschaden war euch aber auf jeden Fall sicher. In neuesten Teil wird das anders: Hier ist nach einem Crash nicht zwingend alles zu spät, obwohl ihr nach einem extrem heftigen Einschlag nur noch die neuen, detaillierten Deformationen der Karosserie bewundern könnt, die zunächst zusammengedrückt und anschließend in sämtliche Einzelteile zerfällt. Oft habt ihr aber die Möglichkeit, selbst mit einem Wrack noch weiterzufahren - selbst wenn ihr nur noch drei eurer vier Räder habt und die Kiste ohne Motorhaube und abgefallenen Türen eher auf einen Schrottplatz gehört. Extrem verwirrend ist, dass die Kamera bei und kurz nach dem Unfall so dermaßen um das Fahrzeug rotiert, dass ihr die Orientierung verliert und die Kiste nicht mehr richtig unter Kontrolle halten könnt. Hier sollte Criterion noch nachbessern.

      

Alles oder nichts

Das gilt auch für den allgemeinen Aufbau der Events. Bisher sieht es so aus, als würde euch an jeder Ampel ein Standardrennen erwarten, bei dem es nur ein Ziel gibt: den ersten Platz. Ich würde mir wünschen, dass sich Criterion wieder etwas mehr an der alten Levelstruktur orientiert und verschiedene Anforderungen für den Gewinn einer Medaille stellt wie z.B. eine maximale Anzahl an Takedowns, Boost-Serien oder Drift-Punkten. Zumindest aber hat man auf den über 600 Straßen diverse Objekte und Rampen versteckt, auf denen ihr z.B. Jump oder Smash-Punkte einheimst, wenn ihr eine Sprungschanze dazu missbraucht, um nach einem kurzen Flug in einer riesigen Werbetafel zu landen. Daneben solltet ihr auch eure Augen nach diversen Einrichtungen offen halten. Boost gibt es nicht länger nur für waghalsige Manöver, sondern auch an Tankstellen. Fahrt kurz an den Zapfsäulen vorbei und schon ist der Tiger im Tank wieder voll aufgeladen. Außerdem findet ihr noch Body Shops für neue Karosserieteile sowie Paint Shops, in denen ihr eurer Karre einen frischen Anstrich verpasst. Allerdings sind die Orte nicht auf der kleinen Onscreen-Karte markiert - mehr Informationen bietet die detaillierte Ansicht im Pausenmenü. Trotzdem werdet ihr nicht wie bei den letzten Teilen der Need for Speed-Serie ein Navigationssystem anwerfen können, das euch direkt bis ans Ziel leitet. Auch willkürliche Sprünge zu Stellen auf der Karte

Die Spielwelt fällt sehr abwechslungsreich aus.
scheinen nicht möglich zu sein. Wer einen bestimmten Punkt besuchen will, muss dort hinfahren. Und wie sieht es mit den beliebten Crash-Kreuzungen aus? Hierzu wollte Criterion noch keine genauen Angaben machen, deutete aber an, dass man so genannte Showevents plane, bei denen es eventuell wieder zu den Massenkarambolagen kommen könnte.

Suchen & Finden

Schon der Onlinemodus von Burnout Revenge war auf der Xbox 360 ein echter Knaller. Im neuesten Teil wollen die Entwickler noch einen draufsetzen: Mit bis zu acht Rasern macht ihr euch gegenseitig in Rennen die Hölle heiß oder versucht euch in Destruction Derby-Manier gegenseitig in Unfälle zu verwickeln. Ein besonderer Clou ist dabei der Einsatz des neuen PS3-Eyetoys sowie der 360-Kamera: Werdet ihr extrem hart getroffen, wird ein Foto von eurer verärgerten Miene geschossen, das dem Übeltäter umgehend übertragen wird und dessen Schadenfreude noch mehr steigert. Hier werden Feindschaften geschürt und rachesüchtige Revenge-Gegner herangezüchtet - ein toller Spaß, bei dem ihr im wahrsten Sinne des Wortes euer Gesicht verlieren könnt! Der Übergang zwischen Onlinespiel und Offline-Karriere ist ähnlich fließend wie in Ataris erstem Open World-Racer, da ihr jederzeit direkt aus dem Spiel heraus Einladungen an eure Freunde verschicken könnt. Allerdings gab es in der gezeigten Fassung noch ein gewaltiges Problem: Die Spieler wurden so weit voneinander entfernt in der Welt abgesetzt, dass es schwierig wurde, sich gegenseitig zu finden. Selbst die Mini-Karte, auf der die Positionen der anderen Spielern grob angezeigt werden, war keine große Hilfe. Wenn ich ein Rennen fahren oder mich mit anderen in Crash-Duellen messen will, müssen alle Teilnehmer an einem bestimmten Punkt

Sprünge, Explosionen, spektakuläre Crash: Auch beim neuen Burnout geht es actionreich zur Sache. 
zusammengeführt werden anstatt sich gegenseitig eine halbe Ewigkeit zu suchen. Hier wartet noch viel Arbeit auf die Criterion-Jungs, will man einen ähnlich unterhaltsamen Mehrspielermodus auf die Beine stellen wie bei Burnout Revenge.

"What a wonderful world"

Abwechslung haben die Fahrten in und um Paradise City ohne Zweifel zu bieten. Doch wie sieht die technische Seite aus? Ist die Verlagerung des Spielprinzips in eine offene Welt vielleicht eine Nummer zu groß für die Entwickler? Wer die genialen Grafikorgien der vergangenen Teile kennt, wird vom Ausflug ins Paradies zunächst mehr enttäuscht als begeistert sein. Den Blur-Effekt, der in der Vergangenheit maßgeblich zum brillanten Geschwindigkeitsgefühl beitragen konnte, war in dieser Fassung nicht zu finden. Trotzdem geht auch hier immer noch die Post ab, wenn ihr mit gezündetem Boost über die Pisten prescht. Bei manchen Texturen überkommt euch dagegen das Grauen: Gerade in den Gebirgsregionen wirken manche Felsen noch extrem grob und erinnern eher an die letzte Konsolengeneration. Insgesamt kann der neueste Teil seinen 360-Vorgänger Revenge grafisch (noch) nicht übertreffen und wirkt oft noch zu steril. Aber vielleicht ist das der Preis, den man auch mit der aktuellen Hardware noch zahlen muss, wenn man eine derart große und offene Welt auf die Beine stellen möchte.

    

Ausblick

Am Anfang war die Verwirrung, am Ende das zwiespältige Gefühl: Funktioniert das actionlastige Burnout-Spielprinzip auch in einer offenen Welt á la Test Drive Unlimited? Ja, sofern man bereit ist, von den altbekannten Strukturen loszulassen und die Freiheit zu genießen. Trotzdem sollte Criterion die Stärken der Serie nicht aus den Augen verlieren: Es gibt zwar massig Veranstaltungen, aber ich will nicht nur Standard- oder Zeitrennen austragen, sondern auch durch reine Takedown- oder Maniac-Events sowie Crash-Kreuzungen Erfolge einfahren! Auch beim Mehrspielermodus gibt es noch Verbesserungsbedarf: Zwar sind Features wie die Kameraunterstützung eine nette Zugabe, doch will ich nicht erst eine halbe Ewigkeit suchend durch die Gegend düsen, bevor ich endlich mit meinen Freunden zusammentreffe. Außerdem scheinen mit Paradise die Zeiten vorbei zu sein, in denen die Burnout-Serie grafisch alles wegrockt. Die Kulissen und Boliden sehen zwar nicht schlecht aus und können wie gewohnt mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit aufwarten. Nicht zu vergessen, die neuen, brachialen Crash-Sequenzen, in denen die Karosserie übel zusammengepresst wird, noch mehr Kleinteile durch die Gegend fliegend und Scheiben zerbersten. Der große Wow-Effekt bleibt nach dem Anblick einiger matschiger Texturen sowie der leblosen Welt allerdings noch aus. Trotzdem ist Criterions neuer Weg richtig: Burnout Dominator hatte zuletzt gezeigt, dass das alte Konzept mittlerweile ausgelutscht ist und mehr Rück- als Fortschritte mit sich bringt. Mit Paradise hat man jetzt die Chance, frischen Wind in den Renn- und Crashalltag zu bringen und es sieht so aus, als könnte dieses Vorhaben gelingen.

Ersteindruck: gut

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