Fracture03.06.2008, Benjamin Schmädig
Fracture

Vorschau:

Eine Rebellion im doppelten Sinne: Activison erzählt die Geschichte eines Aufstandes und will im gleichen Zug ein völlig neues Spielgefühl erschaffen. Auch wenn großflächige Zerstörung längst keine Unbekannte mehr ist, kann man hier erstmals die Umgebung frei nach seinen Vorstellungen formen! Kann Entwickler Day 1 nach seinen Konsolenumsetzungen zu F.E.A.R. auch aus eigener Kraft für frischen Wind sorgen?

Klassische Science Fiction

Ein beliebtes Stilmittel klassischer Science Fiction ist das Aufgreifen einer zeitgenössischen Bedrohung, die zum Zeitpunkt der Handlung entweder im Begriff ist zu eskalieren oder längst eskaliert ist. Klingt zu sehr nach Deutsch-Doppelstunde? Dann Klartext: Im Jahr 2161 verabschiedet die US-Regierung ein Gesetz, das jene Menschen nicht länger als US-Bürger anerkennt, deren Körper zu mindestens zehn Prozent durch genetische Eingriffe verändert wurden. Weil die westlichen US-Staaten diesem wissenschaftlichen Fortschritt aber stets zugeneigt waren, treten sie aus der Staatengemeinschaft aus, schotten sich ab und übernehmen

Fracture (ab 8,58€ bei kaufen) in Bewegung: So sieht das Amerika des Jahres 2161 aus.militärische Stützpunkte der Regierungstruppen. Die schlagen selbstverständlich umgehend zurück und überfallen das Zentrum der Genforschung in San Francisco. Immerhin konzentriert sich dort angeblich die militärische Macht der Rebellen. Doch was  sie dort aufspüren, übertrifft nicht nur ihre Erwartungen - sondern auch die der Rebellen...

Klingt nach einem spannenden Plot? Nun, zumindest muss Fracture erst noch beweisen, dass es nicht spielerisch solide, sondern auch erzählerisch packend sein kann. Denn was wir bisher sehen durften, waren kurze Ausschnitte - selbst Hand anlegen durften wir sogar nur im Tutorial. Und in dem entpuppte sich Fracture als ein verdammt bodenständiger Shooter. Die wegweisende Erfahrung, von der die Entwickler sprechen, trat allerdings weder während der ersten Schritte noch in einem vom Produzenten vorgespielten Abschnitt ans Tageslicht. Woran liegt's, dass Fracture bislang nicht die Erwartungen einlösen kann, die durch Aussagen wie "Technik der nächsten Generation, die nicht nur beeindruckend aussieht, sondern auch zentrales Spielelement ist" geweckt werden?

Kaum Physik?

Zum einen strahlen sowohl die Kulissen als auch die darin agierenden Figuren jenen buchstäblichen Glanz aus, der inzwischen zu den Relikten der Grafiktechnik gehören sollte. Und zum anderen gibt sich die eigentliche Action routiniert, aber unspektakulär. Versteht mich nicht falsch: Fracture ist flott, macht Laune und stellt euch hier und da vor ein vertracktes Rätsel. Wenn ich allerdings per Schulterblick auf einen Batzen Gegner schieße, die zwar mal in Deckung gehen, sonst aber ohne erkennbare Taktik ballern, wenn hier und da die coole Nahaufnahme eines mächtigen Finishers fehlt und wenn auch die Geräusche zwar passen, aber kaum das Erlebnis

Die Action wirkt solide - aber uninspiriert.
"knackige Action" suggerieren, ist Fracture einfach zu unauffällig. Spätestens, wenn ein Wasserturm nur dann ohne nennenswerte physikalische Abläufe in einer vorberechneten Sequenz zusammenbricht, falls ich dafür vorgesehene Stellen erwische, wirkt das veraltet. Auf keinen Fall spricht es aber für die angeblich beeindruckende Technik.

Deren Vorzüge beschränken sich auf vielleicht zwei Dutzend Kisten, schwere Betonrohre oder nahe Gegner, die im eindrucksvollsten Fall in einen Krater gesogen, wie von einem Orkan umhergewirbelt und anschließend in alle Richtungen geschleudert werden. Klar sieht das cool aus, aufregend oder neu ist es jedoch nicht; Wirbelsturm-Verwüstung gab's schließlich schon in Ratchets letztjährigem Auftritt. Immerhin darf man in einigen Fällen Raketen oder ähnliche Kaliber auf z.B. kleine Hütten werfen, die daraufhin recht glaubwürdig zerbersten. Nicht zuletzt könnt ihr schließlich - und das ist immerhin der technische Vorzug, mit dem Fracture hausieren geht - die Umgebung nach euren Wünschen deformieren. Das soll schließlich nicht nur taktische Spielräume öffnen, sondern vor allem viel brachiales Chaos anrichten!     

Denk' mal nach!

Soll. Denn in Wirklichkeit sind eure Möglichkeiten beschränkt, da ihr nur dafür vorgesehene Stellen verändert. Sprich: Beton oder andere Materialien kann das Entrancher genannte Gerät nicht formen. Nur körnige Erde, meist also der Boden, wird durch einen

Jet Brody wirkt leider wie das Abziehbild eines beliebigen Helden.
Druck auf den rechten Bumper angehoben, ein Druck auf den linken Bumper senkt die Umgebung in der Nähe des Fadenkreuzes, und nach etwa drei Metern Höhe bzw. Tiefe hat die Deformation ohnehin ein Ende. Das soll nicht bedeuten, dass das jederzeit mögliche Heben und Senken (ihr benötigt dafür keine Munition) keinen Spaß macht - im Gegenteil sogar! Besonders in kleinen Rätseln kommt die neuartige Physik zum Tragen; für Abwechslung sorgen dabei vor allem unterschiedliche Granaten. Dazu zählen u.a. solche, die den erwähnten Wirbel erzeugen, ein seismisches Beben hervorrufen, dessen Auswirkungen denen einer herkömmlichen Granate gleichen, oder Gesteinssäulen aus dem Boden wachsen lassen. Mit Letzteren baut ihr z.B. neue Wege, indem ihr eine solche Säule unter einem Metallgitter platziert: Schießt die Säule in die Höhe, wird aus dem flachen Gitter plötzlich eine Rampe. Eine kniffliges Puzzle könnten auch Geschosse sein, die an von euch erschaffenen Hügeln abprallen. Wo müsst ihr also den Boden heben oder senken, damit ein solches Geschoss sein Ziel erreicht? Auf solche vertrackten Abschnitte freue ich mich mehr als auf die dem ersten Erleben nach belanglosen Gefechte.

Klaus Wer?

Denn an den Schauwerten hat man sich schnell satt gesehen. Zumal die Deformation sehr gekünstelt aussieht. Ich hatte jedenfalls nie das Gefühl, harten Boden aufzubrechen; vielmehr drückt man eine steife, grün-graue Plane nach oben oder unten. Wenn sich einige besonders hinterhältige Gegner unter der Erde bewegen, sieht das sogar aus wie Wellengang. Immerhin: Da ihr solche Widersacher nicht mit Lasern und sonstigen Geschossen treffen könnt, braucht ihr gelegentlich Köpfchen, um an ihnen vorbeizukommen. Und nicht zuletzt solltet ihr den Entrancher dazu nutzen, um euch im heißen Gefecht außer Gefahr zu bringen: Das Errichten einer natürlichen Barriere reicht dann schon aus - auch wenn die Umgebung in allen bisher gezeigten Abschnitten

Vor allem die sehr unterschiedlichen Granaten sollen für interessante Situationen sorgen.
auch ohne künstliche Hügel ausreichend Deckungsmöglichkeiten bot. Fracture verlangt nicht viel von euch: Es wirkt rund und durchdacht, aber es weiß nicht mitzureißen.

Dabei gefällt mir die Hintergrundgeschichte richtig gut, weil sie aus aktuellen Themen eine vorstellbare Zukunft skizziert und sogar das Vorhandensein des Entranchers plausibel macht. Neben dem Weiterspinnen der gentechnischen und damit verbundenen gesellschaftlichen Entwicklungen, beziehen die Autoren schließlich auch die Klimaveränderung mit ein. Denn weil die Menschheit nach dem weltweiten Anstieg der Meeresspiegel ihre Küstenstädte retten wollte, entwickelte sie eine Technik, die das Anheben des Erdbodens ermöglicht. Warum Jet Brody dann aber wie das Abziehbild eines beliebigen SciFi-Kriegers aussieht und sich auch so gibt, ist mir ein Rätsel. Kahler Kopf, grimmige Miene, dunkler Kampfanzug und nicht einmal eine markante Stimme - er hätte auch Klaus Becker heißen können. Vielleicht spinnen die Autoren ja eine spannende Handlung um seinen Kampf gegen die rebellische Westküste... Ihr bislang größter Kniff sind bisher allerdings die genetischen Experimente. Die erklären nämlich kurzerhand, weshalb Brody nicht nur menschliche Gegner zu schaffen machen, sondern vor allem diverse Monster an die Gurgel springen. Ist das die einzige gute Idee, deren Potenzial die Entwickler nur zu streifen scheinen?  

Ausblick

Schon seltsam: Ich kann zum ersten Mal den Boden nach Belieben Anheben und Absenken - aber meine Begeisterung hält sich in Grenzen. Fracture wirkt in den Szenen, die wir sehen und spielen durften, zwar ausgereift und durchdacht, das Ballern macht Laune, die Rätsel um die Deformation sogar noch mehr und hey - endlich mal was Neues! Aber zum Einen kann ich die Höhe des Bodens nur an dafür vorgesehenen Stellen verändern und zum Anderen hat man sich an dem Effekt schnell satt gesehen. Die unterschiedlichen Granaten lockern das ansonsten gewöhnliche Ballern zwar auf - so richtig in Fahrt kommt Fracture aber scheinbar erst mit seinen Rätseln, zu denen das "Freischaufeln" eines verschütteten Tunnels noch die einfachste Lösung war. Es ist vielleicht keine beruhigende Aussicht für meinen Actionhunger, aber ich hoffe vorrangig darauf, dass die kleinen Ideen, mit denen die Entwickler ihre späteren Abschnitte spicken wollen, mehr Abwechslung in die fiktive Zukunft bringen.

Ersteindruck: befriedigend

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