Im Test:
Willkommen auf dem Geisterschiff
Der Einstieg ist vielversprechend: Veteranin Jill Valentine und ihren neuen Partner Parker Luciani verschlägt es auf der Suche nach Chris Redfield auf ein riesiges Geisterschiff, das scheinbar führungslos im Mittelmeer treibt. Während man auf Deck den verheerenden Sturm erlebt und Blitze den verregneten Himmel durchzucken, sorgt im Inneren die schummerige Beleuchtung mit tanzenden Schatten für ein atmosphärisches Ambiente, das man bei Resident Evil 5 oft vermisst hat. Mit Symbolen verzierte Türen, die sich erst nach dem Auffinden von speziellen Schlüsseln öffnen lassen, wecken ebenfalls schöne Erinnerungen an den Urvater der Serie.
Klar, dass an Bord des „Queen Zenobia“ getauften Luxuskreuzers nicht alles mit rechten Dingen zugeht und mal wieder ein neuer Virus für Nachschub an Mutationen und grotesken Kreaturen sorgt. Wer auf eine Rückkehr der schlurfenden Zombie-Meute hofft, wird enttäuscht: In Revelations machen mir ganz andere BOWs (Bio Organic Weapons) das Leben schwer, darunter auch die altbekannten Hunter, die sich sogar kurzzeitig unsichtbar machen. Die neuen Standardgegner sind dagegen mehr glibberiger Natur und erinnern mit ihrer blassen Haut und Tentakeln an eine Kreuzung aus Mensch und Meereslebewesen, ohne dabei aber so verstörend oder bedrohlich zu wirken wie etwa die Biester aus Dead Space. Trotzdem sind sie gefährlich: Genau wie die Untoten von damals verspüren auch sie den starken Drang, ihre Klauen und Kiefer so tief wie möglich in mein Fleisch zu bohren. Neuerdings kann man diesen Angriffen aber mit dem richtigen Timing geschickt ausweichen oder sich mit bewährtem Knopfgehämmer aus der „Umarmung“ der Monster befreien. Leider hält sich bei Kämpfen die Abwechslung in Grenzen, da man bei Konfrontationen meist nur auf eine der wenigen Gegnervarianten trifft. Anstatt z.B. Glibber-Monster, Hunter oder mutierte Wölfe bunt zu mischen, treten sie meist nur in separaten Gruppen oder Wellen auf. Einen deutlich besseren Eindruck hinterlassen die großartig designten Bosse, die dem Spieler vor allem in Kombination mit knappen Zeitlimits einiges abverlangen und dabei immer wieder für eine Mischung aus Ehrfurcht und Panik sorgen.
Lasst die Waffen sprechen
In diesem Zusammenhang feiern auch die altbekannten Kisten ihr Comeback, doch beschränkt sich das Item-Management hier nur noch auf die Waffen und ihre Modifikationen. Folglich kann man nur an bestimmten Positionen sein Arsenal wechseln bzw. neu zusammenstellen. Das komplette Inventar wird rund um eine Karte auf dem unteren Bildschirm angezeigt. Neben maximal drei Schusswaffen dürfen dort bis zu fünf Heilkräuter verstaut werden. Zusätzlicher Platz wird für Nahkampf-Equipment wie Messer und Macheten sowie Wurfgeschosse wie die neuen BOW-Granaten reserviert, die ähnlich wie die Rohrbomben aus Left 4 Dead vor ihrer Detonation die Gegner erst mit einem Tonsignal anlocken. Was ich allerdings vermisst habe ist eine Harpune, die sich in den ausgedehnten Tauchabschnitten als nützlich erwiesen hätte. Zur Auswahl nutzt man entweder den Touchscreen oder schaltet die Waffen schnell über das Digitalkreuz durch. Hinsichtlich der Spielmechanik gibt es eine Premiere, die sich viele Spieler zwar gewünscht haben, aber gleichzeitig auf Kosten der Anspannung geht: Erstmals in der Serie ist es hier möglich, sich gleichzeitig zu bewegen und zu schießen - und das wahlweise in der Ego- oder Schulterperspektive.
Fokus auf Action?
Episodenformat
Das von Capcom gewählte Episodenformat für das Erzählen der recht belanglosen Geschichte trägt seinen Teil dazu bei, denn die Handlung springt nicht nur in der Zeit, sondern auch immer wieder zwischen Schauplätzen und Personen. Neben Jill und Parker trifft man u.a. auch auf Chris und dessen neue Partnerin Jessica Sherawat, die aufgrund ihres attraktiven Äußeren zunächst in die Rolle des Quoten-Babes zu schlüpfen scheint, aber sich später doch noch aus ihr befreien kann. Diese treiben sich zunächst noch am Schnee bedeckten Festland herum, um Nachforschungen über eine Organisation namens Veltro anzustellen, die mit ihrem Bio-Terrorismus bereits vor Jahren zur Zerstörung der Stadt Terragigria beigetragen hat. Den Untergang darf man ebenfalls in einem spielbaren Rückblick miterleben.
Ich bin eigentlich ein großer Fan des Episodenformats - vor allem bei mobilen Spielen. Die Zusammenfassungen vor dem Start einer neuen Episode sind genauso klasse gemacht wie die gezielten Cliffhanger am Ende. So wird die Hintergrundgeschichte wie ein Puzzle Stück für Stück zusammengesetzt und es kommt immer mehr Licht ins mysteriöse Dunkel. Trotzdem habe ich hier oft das Gefühl, die Episoden dienen vornehmlich dem Zweck, den Spagat zwischen klassischem Survival-Horror und platten Actionsequenzen zu vollziehen, um alle Spieler zufrieden zu stellen. Völlig glücklich wird bei diesem ständigen Hin und Her aber keine der beiden Parteien.
Rätsel? Fehlanzeige!
Der Gesundheitsscanner
Stattdessen führt man mit dem Genesis-Scanner ein neues Gadget ein, das vermutlich als Rätselersatz herhalten soll. Aktiviert man ihn über den Touchscreen, untersucht man z.B. verstümmelte Leichen und findet dank des Hightech-Spielzeugs den Schlüssel, den man zum Weiterkommen braucht. Besonders gut gefallen hat mir eine Stelle, bei der man nur mit Hilfe des Scanners die tödlichen Laserbarrieren sichtbar machen und sich so einen sicheren Weg durch den Raum bahnen kann. Auch das Scannen von Mutationen - egal ob tot oder lebendig - hat durchaus seinen Reiz, denn wird eine bestimmte Anzahl untersucht, wird man mit einem Gesundheitskraut belohnt, auch wenn sich bei mir der logische Zusammenhang nicht ganz erschließen will.
Als nervig empfinde ich die Suche nach zusätzlicher Munition, für die man ebenfalls auf den Scanner zurückgreifen und einen Raum nach dem anderen abklappern muss. Zwar geht der Wechsel zwischen Waffe und Scanner schnell und reibungslos vonstatten, doch hätte man das Gadget ruhig auf die anderen Funktionen beschränken oder anderweitig ausbauen können. Hinzu kommen ein paar weitere Ungereimtheiten in der Spielmechanik, über die man nur den Kopf schütteln kann: Wenn z.B. drei Granaten auf einem Tisch liegen - warum muss ich jede von ihnen mit einem separaten Knopfdruck aufnehmen? Warum kann ich nicht einfach durch eine Tür gehen, wenn sie mein Partner - sei es die KI oder ein zweiter Spieler in den Koop-Missionen - bereits geöffnet hat und vorgeht?
Zudem ist die Verteilung unterschiedlicher Spielelemente nicht immer gelungen: Die Aufgabe, zum Öffnen von verschlossenen Türen eine Schweißnaht auf dem Touchscreen zu zeichnen, kommt viel zu spät, aber dafür direkt mehrmals hintereinander. Warum hat man es nicht schon früher eingebracht?
Helfende Hand?
Traumhafte Kulissen
Auch hinsichtlich der Abwechslung wird viel geboten: Das gigantische Kreuzfahrtschiff kann hinsichtlich seiner Größe locker mit einem Herrenhaus mithalten und bietet abseits der Quartiere mit Bereichen wie einem Kasino, einer Einkaufsmeile oder der imposanten Promenadenhalle und Brücke viele unterschiedliche Schauplätze. Hinzu kommen die Ausflüge ins Schneegebirge, nach Terragigria und weitere Orte… Trotzdem fällt störend auf, dass Capcom die üppige Spielzeit von zehn bis 14 Stunden oft durch nerviges Backtracking in die Länge zieht. Vor allem gegen Ende wird es übel, wenn man ständig von einem Ende des Schiffs zum anderen geschickt wird und dabei wieder mit neuen Monstern konfrontiert wird. Hier wäre weniger mehr gewesen!
Horror-Synchro?
Und dann wäre da auch noch der starke Soundtrack, der zwar nicht mehr wie früher für eine Gänsehaut sorgt, aber mit fantastischen Arrangements (inkl. Chorälen) begeistert und für mich selbst die Musik der letzten beiden großen Resident Evil-Spiele in den Schatten stellt.
Überlebens-Duett
Einen gelungenen Zusatz stellt der Raubzugmodus dar: Hier dürfen sich zwei Spieler kooperativ den Gegnerwellen stellen und müssen gemeinsam zum Ziel gelangen. Entweder zieht man über die Adhoc-Verbindung los oder trifft sich über das Internet mit Freunden und fremden BOW-Jägern, wobei der Netzcode einen guten Eindruck macht, sobald man
Cool ist, dass der Raubzugmodus ein separates Levelsystem besitzt, in dem man aufsteigen, Waffen freischalten und diese mit Modifikationen verbessern kann. Es ist enorm motivierend, nach Sessions immer wieder mit kleinen Upgrades belohnt zu werden oder mit verdientem Geld auf Einkaufstour zu gehen. Schade nur, dass Capcom den Mehrspielermodus nicht gleich von Anfang an zur Verfügung stellt. Stattdessen bekommt man erst Zugriff auf einen Teil der Missionen, wenn man mindestens 25 Prozent der Kampagne absolviert hat.
Eine schöne Idee hat man sich hinsichtlich der StreetPass-Funktion einfallen lassen, die quasi den Austausch von Achievement-Aufgaben erlaubt. Erfüllt man diese, bekommt man sowohl für die Kampagne als auch den Raubzumodus Belohnungen wie Munition, Kräuter oder Waffen sowie Modifikationen.
Fazit
Resident Evil: Revelations hat mich in ein Wechselbad der Gefühle gestürzt: Da wären zum einen die atmosphärisch hervorragenden Abschnitte an Bord der Queen Zenobia, die mit schaurigen Kulissen sowie einem gekonnten Wechsel zwischen Terror- und Horrorelementen wieder an die bewährten Qualitäten der Serie anknüpfen - vor allem, wenn man mit einem guten Kopfhörer auf den Ohren in einem dunklen Raum spielt. Hätte Capcom dieses Niveau über die vielen Stunden der langen Kampagne halten können und zusätzlich motivierende Rätselelemente geboten, hätte ich ohne zu zögern den Award gezückt. Doch leider werden die guten Anzeichen der Rückbesinnung im wahrsten Sinne des Wortes über den Haufen geballert. Wenn eine Gegnerwelle auf die nächste folgt, mutiert leider auch dieses Resident Evil zum stupiden Actionspiel, das sich mit der Circle Pad Pro-Erweiterung zwar deutlich besser steuern lässt, aber inhaltlich höchstens Durchschnittskost bietet. Es ist bedauerlich, dass Capcom beide Fraktionen bedienen will, aber mit dieser Mischmasch-Lösung keinen richtig zufriedenstellen kann. Einigkeit dürfte bei der Technik herrschen: Revelations zählt mit Sicherheit zu den eindrucksvollsten Titeln, die man auf dem 3DS finden kann!
Wertung
3DS
Resident Evil sorgt auch auf dem 3DS für starken Survival-Horror, der das zunächst hohe Niveau aufgrund fehlender Rätsel und zu vielen Ballerabschnitten nicht konsequent durchhält.
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