Mario Kart 702.12.2011, Paul Kautz
Mario Kart 7

Im Test:

Wer hätte das gedacht: Was ursprünglich mal ein kleiner Spaß war, der um einen coolen Mode 7-Effekt herum programmiert wurde, entwickelte sich nicht nur zu einem der beliebtesten Arcade-Racer, sondern zu einer Blaupause und dem Maßstab für Spaß-Rasereien im Allgemeinen! Adel verpflichtet, was die Erwartungen natürlich umso höher steigen lässt.

Ein bisschen Altes…

Der Name stammt frisch aus Sparta: Mario Kart 7 (ab 44,90€ bei kaufen). Keine »3DS«-Wortspielereien, keine dramatischen Untertitel, einfach reiner Pragmatismus - es ist das siebte Mario Kart, also heißt es Mario Kart 7. Außerdem soll die 7 ja eine Glückszahl sein. Obwohl - einige Spieler werden gar nicht glücklich sein, ganz besonders jene, welche die in Mario Kart Wii neu eingeführten Motorräder mochten - die gibt es hier nämlich nicht, genauso wenig wie die u.a. damit verbundenen Stunts. Und wie schon bei Super Mario 3D Land gibt es auch hier statt eines echten Handbuches lediglich ein ausfaltbares Hinweisblatt, auf dem die grundlegende Steuerung erklärt wird. Alle weiteren Details finden sich auf dem Modul in Form eines elektronischen Manuals.

Außerdem spielt Nintendo mal wieder der Fraktion derjenigen in die Hände, die zurecht herummosern, dass sich die Mario Kart-Serie seit Jahren auf ihren sehr bequem aussehenden Lorbeeren ausruht. Ist nämlich auch dieses Mal nicht anders. Das Fahrerfeld ist zu Beginn altbekannt, die Hälfte der Strecken ist recycelt, die meisten Extras sind einem wohlvertraut, die Struktur des Grand Prix (acht Cups à vier Rennen) ist ein alter Hut. Das Turbo-System ist von Mario Kart Wii übernommen, beruht also darauf, dass man sich möglichst gut in Kurven legt und schliddert - dann laden sich die beiden Turbostufen von allein auf. Das mag einfacher sein als früher, als man das Digipad noch eifrig wackeln musste, um den Turbo zu erhalten, aber immerhin verhindert es das gefürchtete Snaking, mit dem geübte Spieler jede Online-Runde Mario Kart DS für alle anderen komplett ruinieren konnten. Natürlich gibt es nach wie vor die ebenso geliebten wie gefürchteten Extras: Bananenschalen, rote und grüne Schildkrötenpanzer, Bomben, Supersterne - und natürlich die gemeinen blauen Stachelpanzer und Kleinmach-Blitze. Manche Dinge ändern sich eben nie.

…ein bisschen Neues…

Die Designer waren allerdings nicht so faul, wie man annehmen könnte, denn es gibt einige Neuzugänge: Allen voran frische Extras wie der Tanuki-Schwanz (der erst vor Kurzem für Super Mario 3D Land aus der Mottenkiste gepuhlt wurde), mit dem man eine Zeit lang heranzischende Schildkrötenpanzer oder Gegner zuverlässig abwehren kann. Interessant ist auch die »Glücks-Sieben«, die eine Art Sechser im Lotto für den weit hinten liegenden Kartisten ist - denn er bekommt nicht nur ein Extra, sondern derer gleich sieben, mit denen er seine Vordermänner peinigen kann! Neu ist auch, dass man seine rasenden Hobel ein wenig pimpen darf: Wer während der Runden fleißig Münzen sammelt, maximal zehn pro Rennen, der schaltet mit

Die neuen Gleitschirme erlauben nicht nur entspannte Blicke auf die Landschaft, sondern sorgen auch für frische Abkürzungsmöglichkeiten.
Die neuen Gleitschirme erlauben nicht nur entspannte Blicke auf die Landschaft, sondern sorgen auch für frische Abkürzungsmöglichkeiten.
der Zeit neue Boliden, Reifen oder Gleitschirme frei - all das wirkt sich direkt auf Eigenschaften wie Geschwindigkeit oder Beschleunigung aus, außerdem darf man seinen Fahrer so für die wilde Online-Welt personalisieren - aber dazu gleich mehr. Gesammelte Münzen wandern übrigens nicht automatisch aufs Konto: Wer sich treffen oder von der Strecke schubsen lässt, verliert einen Teil der Klimperware.

Der Gleitschirm ist ebenfalls ein Neuzugang. Springt man von einer hohen Rampe ab, öffnet er sich automatisch, woraufhin man gemütlich oder nicht ganz so gemütlich gen Boden rasen kann. Das eröffnet praktische Strategien: Gleite ich ein wenig durch die Botanik und umfliege ich dadurch knifflige Stellen oder lande ich lieber schnell und gebe am Boden wieder Vollgas? Klar, dass viele neue Strecken so designt wurden, dass der Gleitschirm immer wieder mal zum Einsatz kommt. Aber auch alte Pisten wurden zum Teil so verändert, dass in ihnen jetzt ein wenig herumgeschwirrt werden darf. Nicht ganz so interessant wie der Gleitschirm ist die Tatsache, dass man jetzt gelegentlich auch unter Wasser unterwegs ist. Das sieht zwar niedlich aus, steuert sich aber ganz genauso wie über Wasser. Um etwas mehr Geschwindigkeit zu  bekommen, kann man sich entweder im Windschatten an seinen Gegner heransaugen oder beim Sprung von Rampen die Sprung-Taste drücken - das gibt einen kleinen Extra-Schub.

…ein bisschen Vermischtes…

Tradition ist gerade den Mario-Entwicklern heilig - und so ist es kein Wunder, dass auch Mario Kart 7 wieder zur Hälfte aus neuen und alten Strecken besteht. Den neuen sieht man an, dass sie so gebaut wurden, um nicht nur in 3D toll auszusehen, sondern auch den Schirm und die Unterwasser-Ausflüge zu betonen: »Shy Guy Bazaar« ist wunderbar verwinkelt, »Daisy Hills« ist gerade idyllisch und wunderbar abwechslungsreich gestaltet - und die putzigen Piano-Abschnitte auf dem »Melody Motorway« sind immer wieder für einen Lacher gut. Allerdings muss man sich die Frage stellen, wieso man das mittlerweile wirklich altbekannte Wuhu Island gleich zwei Mal besuchen muss - genauso wie die berühmte Rainbow Road. Es gibt übrigens nicht nur Rundkurse, sondern auch lange Checkpunktrennen. Die alten Strecken entstammen allen vorherigen Mario Kart-Teilen, diese 16 Pisten sind vom SNES, N64, GBA und Wii bekannt - wenn auch teilweise leicht verändert und um zusätzliche Wege erweitert.

Gelegentlich geht es mit Propellerantrieb auch unter Wasser - das hat kaum spielerische Auswirkungen, sieht aber nett aus.
Gelegentlich geht es mit Propellerantrieb auch unter Wasser - das hat kaum spielerische Auswirkungen, sieht aber nett aus.
Standardmäßig warten acht Fahrer auf ihren von euch gelenkten Auftritt - die üblichen Verdächtigen von Mario über Peach bis Yoshi. Es gibt allerdings noch weitere, u.a. den aus Super Mario 64 bekannten Metall-Mario, Wario oder die Honigkönigin - die müssen allerdings erst freigespielt werden. Genau wie der Mii, mit dem man drauflos rasen kann, sobald man die erste von drei Klassen (50, 100 und 150cc) gemeistert hat. Die anderen auf dem 3DS befindlichen Miis, die man so im Laufe der Zeit sammelt, stehen auf einigen Strecken jubelnd am Rand herum.

…ein bisschen für alle…

Die Kampagne, so man sie denn so nennen möchte, besteht aus den bekannten Zutaten: Drei Klassen (lies: Schwierigkeitsgrade), acht Cups à vier Strecken, fröhliche Gewinner-Filmchen. Daneben gibt es noch Zeitrennen sowie zwei Kampfmodi. In dem einen zieht jeder Ballons mit sich herum; der Gewinner ist derjenige, der die meisten davon zum Platzen bringt. In dem anderen Modus geht es darum, selbst so viele Münzen wie möglich einzusammeln, und gleichzeitig den Gegnern möglichst viele abzuluchsen. Alles sehr spaßig, aber nichts Neues - und gegen die KI kein gerade abendfüllendes Programm. Außerdem habe ich den Missionsmodus vermisst, der Mario Kart DS einen Extrazacken Motivation verlieh.

Weitaus mehr Spaß macht all das gegen Gegner aus Fleisch und Blut - entweder lokal oder über die wilden Weiten des Internets. Der lokale Modus hat den Vorteil, dass man selbst für die volle Spielerzahl nur ein Modul braucht - Singlepak sei Dank. Zwar fahren alle Nicht-Besitzer wie gewohnt nur als kleine »Shy Guys« herum, aber sonst gibt es keine Einschränkungen, der Host darf unter allen Strecken wählen. Ebenfalls neu: Es sind Mischpartien zwischen Spielbesitzern und -nichtbesitzern möglich. Früher ging nur entweder/oder, jetzt sind alle Kombinationen erlaubt. Sehr schade ist allerdings, dass, anders als bei Star Fox 64 3D, die Kamera nicht genutzt wird. Gerade in diesem Spiel, in dem die Emotionen so herrlich hoch kochen, wäre es wunderbar, wenn beim Einschlag eines blauen Panzers mal eben schnell das Kamerabild des Opfers übertragen würde - eine verpasste Chance für wertvolle Häme.

Der Online-Modus ist für Nintendo-Verhältnisse vorbildlich - die Verbindung ist makellos, es gibt praktische Community-Funktionen.
Der Online-Modus ist für Nintendo-Verhältnisse vorbildlich - die Verbindung ist makellos, es gibt praktische Community-Funktionen.
In Sachen Online-Unterstützung hat Nintendo einen langen Weg hinter sich. Und es ist sehr schön zu sehen, dass die Entwickler lernfähig sind. Zwar gibt es immer noch keinen Sprachchat, aber dafür sehr viel Komfort: Man kann einfach so gegen Leute aus aller Welt spielen (das Auto-Matchmaking wirft einen mit ungefähr gleich starken Fahrern in einen Topf), gegen Mitglieder der eigenen Freundesliste - oder gegen »Communities«. Das sind spezielle Spieleräume, die man nach Bedarf anlegen kann. Nehmen wir an, ihr wollt mit ein paar Bekannten aus dem 4Players-Forum ein paar Runden drehen. Normalerweise müsstet ihr erst umständlich Freundescodes austauschen, bevor das möglich ist. Nicht so hier: Einer eröffnet eine 4P-Community, postet den generierten Raumcode im Forum - und jeder kann nach Belieben beitreten. Außerdem darf man über das »Freunde/Feinde«-System bereits online begegneten Widersachern direkt ins laufende Spiel beitreten, falls sie gerade online sein sollten. Das Ganze ist noch lange nicht optimal, aber für Nintendo-Verhältnisse ein großer Schritt in die richtige Richtung.

…und ein bisschen für mich!

Das Beste am Online-Modus ist die beeindruckende Qualität: Während des Tests spielte ich gegen volle Mannschaften aus Europa, den USA oder Japan - und kein Ruckler, kein Lag störte den Kart-Spaß! Schön ist außerdem die Weltkarte, auf der die ungefähre Position aller Mitspieler angezeigt wird. Online darf man von Anfang an mit dem eigenen Mii antreten und natürlich alle bislang freigespielten Tuningteile nutzen. Ist das Team, dem man zugeteilt wurde, gerade im Rennen, darf man diesem live zusehen - aber leider nicht zwischen den einzelnen Fahrern wechseln. Natürlich nutzt Mario Kart 7 auch Nintendos StreetPass-System, der Dreh- und Angelpunkt dafür nennt sich »Mario Kart Channel«: Hier werden alle SP-Begegnungen gespeichert, man darf einzelne Rennen erstellen, in denen sie dann mitfahren. Außerdem kann man hier Ghosts anderer Spieler herunterladen und gegen diese antreten.

Technisch ist Mario Kart 7 vor allem schnell und flüssig. Die Engine läuft mit rasanten 60 Bildern pro Sekunde, und zwar sowohl im 2D- als auch im 3D-Modus, der ein netter Bonus, aber auch nicht mehr ist. Das Gezeigte ist Nintendo-typisch nicht irre komplex

Wer möchte, kann jetzt auch aus der Cockpitperspektive fahren - optional sogar mit Neigungssteuerung, die aber nicht nur schwammig ist, sondern auch die 3D-Darstellung ruiniert.
Wer möchte, kann jetzt auch aus der Cockpitperspektive fahren - optional sogar mit Neigungssteuerung, die aber nicht nur schwammig ist, sondern auch die 3D-Darstellung ruiniert.
oder detailreich, aber sehr bunt, sehr fröhlich und vor allem sehr liebenswert - die Juchz- und Jubellaute, die aus allen Ecken und Enden durch die Luft schwirren, tragen ihren Teil dazu bei. Auch der Rest der Soundkulisse bietet gewohnte Qualität: Die einzelnen Extras unterscheiden sich akustisch deutlich voneinander, schon nach kurzer Zeit braucht man nicht mehr zu sehen, was auf einen zu schwirrt, man hört es. Und die Musik besteht aus der obligatorischen Mischung aus frischen sowie bekannten, teilweise neu abgemischten Rhythmen.

Nach jedem Rennen darf man sich eine automatische Wiederholung desselben zu Gemüte führen - nett, aber mangels Speichermöglichkeit keine dauerhafte Unterhaltung. Neu ist übrigens die optionale Ego-Perspektive, die man sich anstelle der gewohnten Schulteransicht gönnen darf. Sie bietet interessante neue Bilder, aber ich fand sie auf Dauer zu unübersichtlich. Jedoch darf man dankbar dafür sein, dass die Neigungskontrolle in dieser Ansicht komplett optional ist. Sie funktioniert nämlich sehr unpräzise und ist natürlich in Kombination mit dem 3D-Modus überhaupt nicht zu gebrauchen.

Fazit

Es ist Mario Kart, ganz ohne Frage: Das Gekreische, das Gefluche, das Gezetere und die vielen, vielen Schreie, die seit zwei Tagen durch unsere heiligen Hallen bürsten, zeichnen ein sehr deutliches Bild. Hat man eine Bande mit 3DS-Handhelds bewaffneter Gleichgesinnter am Start, gibt es gegenwärtig kaum einen Racer-Spaß, der mit dem quirligen Wahnsinn mithalten kann, den Mario Kart 7 mal wieder zuverlässig liefert. Außerdem ist der Online-Modus zwar für Nintendo-Verhältnisse geradezu luxuriös (ganz zu schweigen von bemerkenswert flüssig), aber insgesamt sind gerade die Community-Funktionen nach wie vor rudimentär. Schade finde ich außerdem, dass die Kamera nicht genutzt wird - in fiesen Momenten einen Blick auf das schmerzverzerrte Gesicht des gerade durch einen blauen Panzer gebeutelten Mitspielers werfen zu können, hätte nicht zu unterschätzende Schadenfreude-Punkte gesammelt. Außerdem, und das ist ein Problem, das jedes Mario Kart seit dem zweiten Teil betrifft, wird auf Teufel komm raus recycelt: Fahrer, Strecken, Spielmodi, Cup-Aufbau - die Hälfte des Spiels ist bekannt. Es ist zwar nett, über vertraute Pisten zu brettern, aber gebt uns doch mal 32 neue Strecken, Nintendo - und packt den bekannten Rest zum Bonusmaterial! Schade ist außerdem, dass Solisten mit dem notwendigen Minimum an Spielmodi bedient werden, gerade die aus Mario Kart DS geliebte Missions-Variante geht mir sehr ab. Aber okay, der Rest des Paketes liefert auch so genug Spaß für Monate: Schöne Präsentation, blitzsaubere Steuerung und tonnenweise Kart-Spaß - es ist halt Mario Kart. Das dieses Mal aber haarscharf an der Goldgrenze entlang schrammt.

Pro

nette Präsentation...
flüssige 3D-Grafik
einfache Steuerung
exzellenter Mehrspielermodus
kreatives Kursdesign
tolles Fahr- und Fluggefühl
putzige Sounduntermalung
gut funktionierender Online-Modus
einfaches Driftsystem
interessantes Community-System

Kontra

...aber insgesamt recht simpel
keine Bikes
kein Missionsmodus
traditionsgemäß sehr viel Recycling
rudimentäre Online-Funktionen
Replays nicht speicherbar
uninteressante Ego-Perspektive
keine Kameranutzung im Mehrspielermodus

Wertung

3DS

Mario Kart 7 sieht nett aus, bietet viel Abwechslung und macht gerade im Mehrspielermodus wieder höllisch viel Spaß - verlässt sich aber stark auf Recycling.

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