Radiant Historia01.03.2018, Jens Bischoff

Im Test: Erweitertes Zeitreise-Abenteuer

Das DS-Original von Atlus' Zeitreise-Rollenspiel Radiant Historia (ab 69,18€ bei kaufen) ist leider nie in Europa erschienen. Um so erfreulicher, dass es die erweiterte 3DS-Neuauflage Radiant Historia: Perfect Chronology über Deep Silver dieses Mal auch bis nach Deutschland geschafft hat. Warum das Grund zum Jubeln ist, verrät der Test.

Die Uhr tickt

Das Fantasy-Reich Vainqueur ist nicht nur Schauplatz eines sich zuspitzenden Konflikts zwischen zwei verfeindeten Großmächten, sondern auch Teil einer Welt, die durch eine mysteriöse Versandung von der Bildfläche zu verschwinden droht. Wie katastrophal die Lage wirklich ist, wissen allerdings nur wenige. Doch als der für den Geheimdienst arbeitende Protagonist Stocke eines Tages in den Besitz eines Buchs gelangt, das Zeitreisen zu ermöglichen scheint, offenbaren sich ihm immer tiefere Einblicke in die düsteren Geheimnisse, Machtkämpfe und Schicksale Vainqueurs.

Wenngleich er zunächst niemandem von seinem Fund erzählt, greift er immer öfter in den Lauf der Geschichte ein, um Informationen zu erlangen, Freunde zu retten und Tragödien zu verhindern. Das Buch scheint ein echter Glücksgriff.

Über ein mysteriöses Buch erhält Protagonist Stocke Zugang zum Zeitreiseportal Historia.
Doch irgendwann merkt er, dass er nicht der einzige ist, der ein solches Buch zu besitzen und zu nutzen scheint. Und so beginnt eine ebenso spannende wie bewegende Jagd durch Zeit und Raum, die viele Überraschungen und tödliche Sackgassen bereithält.

Auf ein Neues

Doch keine Sorge, frustrierende Neustarts stehen nicht auf dem Programm. Wer scheitert, dreht die Uhr einfach zurück, um Entscheidungen abzuändern oder andere Fehler zu korrigieren. Dazu schlägt man sein auch an jedem Speicherpunkt verfügbares und fast 400 mögliche Eintragungen umfassendes Zeitreisebuch auf und wählt einen passenden Knotenpunkt zum Wiedereinstieg aus. Bereits erlebte Ereignisse lassen sich anschließend auf Knopfdruck überspringen, angehängte Dialoge beschleunigen, so dass man schnell wieder dort ist, wo das Scheitern seinen Ursprung nahm.

Es gibt sogar mehr als nur einen Zeitstrang, durch den man sich hin- und herbewegen kann. Neben der normalen Geschichte bewegt man sich nämlich auch durch eine parallel verlaufende alternative Geschichtsschreibung, über die man oft anderweitig unzugängliche Dinge erfahren oder erhalten kann, um in der jeweils anderen Geschichte weiterzukommen. In der 3DS-Neuauflage gibt es sogar noch eine dritte Zeit- und Erzählebene, die man entweder direkt zum Spielstart ins Original integrieren oder erst nach Spielende hinzufügen lassen kann. Vorbildlich!

Zusätzliches Angebot

Inhaltliche DLC-Erweiterungen sind ebenfalls verfügbar. Wer will, kann selbst Erfahrungsboosts oder einen höheren Schwierigkeitsgrad herunterladen. Aber auch ohne zusätzliche Downloads gibt es bereits mehr Schwierigkeitsstufen als im Original. Auf der leichtesten kann man Gegner sogar kampflos besiegen, während auf der höchsten jeder verlorene Kampf ein Game Over bedeutet. Letztendlich hängt der Schwierigkeitsgrad aber auch immer von der aktuellen Charakterstufe und Ausrüstung ab. Letztere kostet dabei oft viel Geld, was zum Teil mit einem Spielfluss bremsenden Grindfaktor verbunden ist.

Immerhin gibt es mit dem Gewölbe der Zeit auch einen neuen Bonus-Dungeon mit alternativer und meist schneller zu erstehender Ausrüstung. Allerdings auch mit eigener Währung, so dass man je nach Wunschausrüstung sogar zweigleisig grinden muss.

In den taktischen Rundenkämpfen kann man gezielt die Positionen der Gegner verändern.
Weniger Geldsorgen hat man jedenfalls, wenn man gleich zu Beginn alle drei Story-Verläufe aktiviert, da der dritte oft sehr hohe Belohnungen ausschüttet. So gravierend wie zu alten 8- oder 16-Bit-Zeiten ist der Zeitaufwand aber zum Glück nicht.

Zwischen Tradition und Moderne

Trotzdem lehnt sich Radiant Historia klar an diese Ära an, auch wenn die Kulissen mitunter dreidimensional sind und Gegner sichtbar durch die Gegend wuseln. Man kann sich durch lähmende Hiebe und Kontakte von hinten sogar einen Angriffsvorteile sichern. Allerdings scheint die Art der Kontaktinterpretation oft etwas willkürlich. Die Auseinandersetzungen selbst laufen rundenbasiert ab und sind mit einem originellen Rasterkonzept verbunden: So können die bis zu drei aktiven Gruppenmitglieder ihre Gegner nicht nur mit Waffen, Zaubern, Fertigkeiten oder Gegenständen malträtieren, sondern sie auch auf einem drei mal drei Felder großen Raster hin- und herschubsen.

Auf diese Weise kann man nicht nur die Angriffskraft von Nahkämpfern abschwächen, indem man sie mit einem gezielten Druckangriff in die hinterste Reihe katapultiert. Man kann auch sich hinter Schilden verbarrikadierende Gegner aus ihrer Schutzzone drängen oder günstig stehende Feinde in zuvor platzierte Fallen stoßen. Es ist sogar möglich, Gegner über Mana-Entladungen in der Zugreihenfolge zurückzuwerfen und vorübergehend mehrere Kontrahenten auf das gleiche Feld zu drängen, um mit nur einem starken Angriff allen erheblichen Schaden zuzufügen. Auf dem 3DS kommen sogar noch sporadische Unterstützungsaktionen der Reservisten hinzu.

Im Verborgenen

Wer Kämpfe vermeiden will, kann dies dank späterer Tarnfunktion selbst auf engstem Raum. Jedenfalls so lange man über ausreichende Mana-Reserven verfügt. So kann man auch an lästigen Wachen vorbeischleichen oder sonst vorzeitig Reißaus nehmende Gegner überraschen.

Auf der niedrigsten Schwierigkeitsstufe lassen sich Gegner mit nur einem Schlag erledigen.
Andernorts müssen Kisten verschoben, Pflanzen gestutzt oder explosive Fässer zurechtgerückt und zur Detonation gebracht werden, um Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Später kann man sogar für das normale Auge unsichtbare Gegenstände entdecken und einsetzen.

Zur Orientierung gibt es eine leicht abstrahierte, aber via Touchscreen navigierbare Automap, auf der alle entdeckten Ein- und Ausgänge verzeichnet werden. Auch die symbolische Weltkarte verliert mit jedem neu entdeckten Schauplatz immer mehr von ihrem anfänglichen Nebelschleier. Die Charakterentwicklung verläuft automatisch - sowohl was das Steigern von Charakterwerten als auch das Erlernen neuer Fertigkeiten betrifft. Manche Fertigkeiten kann man allerdings nur über alte Schriftrollen lernen, die man von speziellen Gegnern, Schatztruhen oder Händlern erhalten kann.

Viel zu entdecken

Dank zahlreicher Nebenquest, die oft facettenreich mit den verschiedenen Handlungssträngen verknüpft sind, kann man Dutzende von Stunden in der Welt von Radiant Historia verbringen und mehr als nur ein mögliches Spielende erleben.

Fässer können verschoben und in der Nähe von Hindernissen zur Explosion gebracht werden.
Der grundlegende Story-Verlauf ist zwar vorgegeben, dazwischen gibt es aber genug Freiräume, um kleine Abstecher zu machen, zwischen den verschiedenen Zeitebenen zu wechseln oder mit Entscheidungen zu experimentieren. Zudem ist die Lösung mancher späterer Aufgaben wirklich knifflig.

Dank Quick-Save-Funktion kann man das Spiel aber jederzeit unterbrechen und anschließend genau da weitermachen, wo man ausgestiegen ist. Gegenüber dem DS-Original wurden auch Grafik und Sound überarbeitet, wobei manche Effekte allerdings etwas merkwürdig klingen. Der mit Musik des Originalkomponisten erweiterte Soundtrack kann sich hingegen hören, die neuen Charakterportraits sehen lassen. Schade nur, dass die 3D-Funktion des Handhelds nicht unterstützt wird und das Spiel nicht für den deutschen Markt lokalisiert wurde. Die englische Synchronisation ist jedoch sehr gut und umfangreich, auch wenn sie nicht alle story-relevanten Dialoge abdeckt.

Fazit

Mit Radiant Historia: Perfect Chronology kommen endlich auch heimische Rollenspiel-Fans in den Genuss des grandiosen Zeitreise-Abenteuers durch eine zunehmend versandende Fantasy-Welt. Die nach wie vor bewegende Original-Geschichte wurde um einen zusätzlichen Story-Strang ergänzt, den man wahlweise direkt mit angehen oder sich auch für später aufheben kann. So oder so müssen viele, mitunter folgenschwere Entscheidungen getroffen, Probleme bewältigt und ähnlich wie in Chrono Trigger immer wieder Reisen durch die Zeit unternommen werden. Selbst Nebenquests haben meist Verknüpfungen und Auswirkungen auf die Haupthandlung. Es gibt viele vorzeitige Enden, die sich dank Zeitmanipulation aber nicht als frustrierende Sackgassen erweisen. Interessant sind auch die taktischen Rundenkämpfe, in denen man seine Kontrahenten nicht nur mit Waffen und Fertigkeiten attackieren, sondern auch hin- und herschubsen kann, um sie als Gruppe zu vermöbeln, in Fallen zu befördern oder ihrer Deckung zu berauben. Für neue Ausrüstung muss man aus heutiger Sicht aber teils fast schon zu viel kämpfen. Zudem ist es schade, dass man sich weder eine 3D-Anpassung, durchgehende Sprachausgabe, noch eine deutsche Lokalisierung geleistet hat. Wer mit dem Englischen nicht gerade auf Kriegsfuß steht, sollte sich davon aber nicht abhalten lassen, da er sonst ein ansonsten klasse erweitertes und auch heute noch sehr gutes Rollenspiel alter japanischer Machart verpasst.

Pro

bewegende Geschichte mit neuem Story-Strang
mit Zeitreisen verknüpfte Handlungen und Aufgaben
entscheidungsabhängige Erfolge und Spielenden
facettenreich verknüpfte Nebenquests
auflockernde Umgebungsinteraktionen zur Hindernisbewältigung
taktische Rundenkämpfe mit origineller Stellungsmanipulation
erweitertes Skill-System
zusätzliche Schwierigkeitsgrade
neuer Bonus-Dungeon
New-Game-Plus-Modus
navigierbare Automap
praktische Quick-Save-Funktion

Kontra

teils recht grind-lastige Ausrüstungshatz
oft willkürlich wirkende Kampfinitiative
keine durchgehende Sprachausgabe
durchwachsene Sound-FX
keine 3D-Unterstützung
nicht lokalisiert

Wertung

3DS

Klasse erweiterte Neuauflage eines auch heute noch grandiosen Zeitreise-Abenteuers.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Es gibt Käufe für Fähigkeiten, Karten, Figuren, Waffen, Geld, XP oder Spielmodi.
  • Man kann die Spielzeit über Käufe verkürzen, Pay-to-Shortcut.
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