Doktor Lautrec und die Vergessenen Ritter08.12.2011, Jan Wöbbeking
Doktor Lautrec und die Vergessenen Ritter

Im Test:

Nach Telltales Puzzle Agent und Rondomedias May's Mystery bringt jetzt auch Konami einen Professor-Layton-Klon. Schon das Cover-Design bedient sich dreist beim Vorbild. Der Name, der Schriftzug, der hohe Zylinder, das verschnörkelte Comic-Design: All das schreit potentielle Kunden förmlich an: „Kauf mich, ich bin wie Professor Layton!“ Inhaltlich ist das Abenteuer rund um den Archäologen Doktor Lautrec aber eigenständiger geraten als man zunächst vermutet.

Trip in die Unterwelt

Anders als das Vorbild dreht sich Konamis Ausflug in Pariser Tunnel-Systeme nicht nur

Bevor es in den Untergrund geht, müssen der kratzbürstige Doktor und seine aufgekratzte Assistentin erst einmal einen kryptischen Brief enträtseln.
Bevor es in den Untergrund geht, müssen der kratzbürstige Doktor und seine aufgekratzte Assistentin erst einmal einen kryptischen Brief enträtseln.
um Rätsel: Zwischendurch wird die Kopfarbeit durch Schleich-Einlagen und an die Pokémon erinnernde Rundenkämpfe aufgelockert. Das Abenteuer versetzt mich zurück ins Paris des späten 19. Jahrhunderts. Ich schlüpfe in die Rolle von Jean-Pierre Lautrec, einem Doktor der Archäologie am Musée d’Histoire. Sein Zylinder ist fast so hoch wie der von Professor Layton, trotzdem hält er sich ganz und gar nicht an die Etikette eines Gentlemans seiner Zeit. Stattdessen hackt er ununterbrochen auf seiner Hilfskraft Sophie Coubertin herum. Die kulleräugige Studentin lässt sich ihre gute Laune aber nicht von der schroffen Art des Doktors vermiesen: Nach einer kurzen Schmoll-Phase hüpft sie wieder so unbekümmert durch den Pariser Untergrund wie ein japanisches Schulmädchen. Auch die übrigen Figuren sind in einem hübschen, typisch japanisch überzeichneten Anime-Stil gehalten. Vor allem Lautrecs breit grinsender Gegenspieler Gustav Blockenstein sieht klasse aus.

Eines Nachmittags kreuzt eine schüchterne Lady mit einer geheimnisvollen Apparatur in der Hochschule auf. Nachdem ich ein einfaches Schiebepuzzle gelöst habe, offenbart das Stück Technik sein Geheimnis. Ein codierter Brief erscheint; er markiert den Startpunkt der Suche nach einem geheimnisvollen Kult in den Katakomben der französischen Hauptstadt. Nachdem Sophie und Lautrec die ersten Hinweise des Schriftstücks enträtselt haben, begebe ich mich auf der praktischen Übersichtskarte flott ans Ziel und untersuche die berühmten Gartenanlagen vor dem Schloss Versailles. Nach ein paar Versuchen habe ich das Rätsel geknackt. Die schwammig formulierten Sätze sind nur ein Teil der Wegbeschreibung. Die komplette Strecke wird durch die Position der fett gedruckten Buchstaben angezeigt. Dumm nur, dass ich nicht durch Kombinationsgabe, sondern durch Glück auf die Lösung kam: Nachdem ich ein wenig mit dem Stylus auf den Gartenwegen herumgekritzelt hatte, stimmte die Route plötzlich und das Spiel klärte mich darüber auf, wie ich eigentlich auf die Lösung hätte kommen sollen. Auch viele andere Rätsel wirken nicht so durchdacht wie bei Professor Layton.

Erforschen, Rätseln, Schleichen, Kämpfen

Wenn alle Hinweise entschlüsselt sind, geht es in den Untergrund. Vorher muss ich aber

Nichts wie weg hier: Wird man beim Schleichen erwischt, muss man nur den aktuellen Raum neu starten.
Nichts wie weg hier: Wird man beim Schleichen erwischt, muss man nur den aktuellen Raum neu starten.
noch ein belangloses Suchspiel absolvieren. Nachdem mich die Hinweise an den Arc de Triomphe de l'Etoile geführt haben, suche ich dort die Cel-Shading-Umgebung nach einem kleinen Lilien-Symbol ab. Das Logo markiert einen der zahlreichen Eingänge in die Pariser Unterwelt. In der Welt von Doktor Lautrec gibt es noch deutlich tiefere und gefährlichere Katakomben als in der realen Welt. Bevor ich einen der versteckten Abschnitte betrete, muss ich aber zunächst einmal das Rätsel des hermetisch verriegelten Eingangs lösen. Statt eines cleveren Verschlussmechanismus präsentiert das Spiel mir  meist nur ein ödes Wimmelbild oder ein an Sudoku angelehntes Zahlen-Rätsel. Der Komfort stimmt aber: Wenn ich einmal nicht weiter komme, hilft mir das dreistufige Tipp-System weiter.

Als nächstes steht eine Schleich-Einlage auf dem Programm. Je nach Kerker patroullieren Polizisten oder mit langen Kutten ausgestattete Geheimbündler durch die Korridore. Besonders clever agieren beide Berufsgruppen nicht: Die Wachen klappern stumpf den vorgegebenen Weg ab und drehen sich an einer Wand zackig im 90-Grad-Winkel. Wenn ich ihnen einen der beweglichen Felsblöcke in den Weg schiebe, laufen sie sogar so lange stumpf gegen das neue Hindernis, bis sie schließlich daran vorbeigerutscht sind und ihren vorprogrammierten Weg fortsetzen können. Die hirntote KI der Wachmänner ist zwar ärgerlich aber nicht dramatisch. Im Grunde dienen sie nur als Staffage in einem Schieberätsel: Die Schleich-Abschnitte drehen sich nämlich im Wesentlichen darum, einige Kisten in die passenden Spalten zu schieben. Sind alle Lücken geschlossen, klettere ich auf einen höher gelegenen Steg und renne ungesehen an den Wachen vorbei ins nächste Verlies.

Schnapp sie dir alle!

Am Ende eines Pfades stoße ich meist auf einen magischen „Habité-Schatz“: Dabei handelt

Das Objekt der Begierde: In den unterirdischen Schätzen leben glühende Gesiter, welche man ab und zu in Rundenkämpfen einsetzt.
Die etwas klobig aussehenden Schatzgeister hetzt man in Rundenkämpfen aufeinander.
es sich z.B. um einen alten Kelch oder Talisman, in dem ein kleiner Geist wohnt. Um den metaphysischen Mini-Krieger einzufangen, muss ich meine bereits gefundenen Schätze und Edelsteine gegen ihn in den Kampf schicken. Ich lege einen meiner Schützlinge nach dem anderen auf runde Podeste und lasse sie wie in Pokémon rundenweise antreten. Ähnlich wie im Vorbild besitzt jeder Wächtergeist eine Elementar-Eigenschaft, die man nach dem Schere-Stein-Papier-Prinzip gegeneinander ausspielt: Menschliche Exemplare sind stark gegen Vogel-Gespenster. Die Flattermänner wiederum lassen sich prima gegen Land-Geister einsetzen, usw. Auch die Position der Podeste, die Risse im Stein und andere Dinge wirken sich auf den Kampf aus. Leider werden diese Feinheiten im Tutorial und der Anleitung nur angerissen. Vor allem zu Beginn musste ich also recht lange herumprobieren und auch später gestalten sich die Kämpfe zäher als etwa bei den Invizimals oder Spectrobes.

Bevor es ans Eingemachte geht, sollte man seine Geister-Krieger ein wenig in Nebenquests aufstocken und hochleveln. Dazu kehre ich an meinen Stützpunkt unter der Pariser Oper zurück und hole mir einen Auftrag von der maskierten Tavernenbesitzerin „Milady“, welche auch diverse nützliche Extras für meine Schützlinge verkauft. Der Ablauf ähnelt dem der Hauptquests: Zunächst enträtseln der Doktor und seine Assistentin einen Hinweis und fragen Passanten aus. Wenn ich den Eingang in einen Kerker gefunden habe, erwarten mich neue Kreuzwort-Rätsel, Wimmelbilder, Stealth-Passagen und Rundenkämpfe. Zwischendurch begebe ich mich immer wieder auf Entdeckungsreise durch die Stadt, wo

Der Umfang stimmt: Über 250 Kopfnüsse gibt es zu knacken. Leider beschränkt sich der Großteil davon auf öde Wimmelbilder, Zahlenrätsel und ähnlich altbackene Aufgaben.
Der Umfang stimmt: Über 250 Kopfnüsse gibt es zu knacken. Leider beschränkt sich der Großteil davon auf öde Wimmelbilder, Zahlenrätsel und ähnlich altbackene Aufgaben.
die Geschichte in ausgiebigen Zwischensequenzen weiter erzählt wird.

Erkundung und Smalltalk

Ähnlich wie bei Phoenix Wright bewegen sich die Figuren-Portraits nur leicht, wurden aber gut und ausgiebig vertont. Es wird nur die englische Sprachausgabe mitgeliefert, die Texte und Untertitel wurden aber komplett ins Deutsche übersetzt. Die Entwickler haben das historische Paris hübsch in Szene gesetzt: Inmitten der Stadt trifft man z.B. auf den noch nicht fertiggestellten Eiffelturm und jede Menge andere Touristenmagneten.

Die durch die Stadt schlendernden Passanten sollte man aber möglichst nur dann ansprechen, wenn sie wichtige Hinweise für die Mission kennen (zu erkennen an einem Ausrufungszeichen). Wenn man mit gewöhnlichen Anwohnern redet, muss man nämlich schrecklich belanglosen Smalltalk wie „Ich gehe hier spazieren“, „Ich gehe früh nach Hause und backe einen Kuchen“ oder „Paris ist voller schöner Orte“ ertragen. Deutlich interessanter wirkt der Einsatz des 3D-Effekts: Sowohl die Cel-Shading-Abschnitte als auch die 2D-Kulissen mit mehreren Ebenen machen intensiv von der räumlichen Darstellung Gebrauch. Mitunter kann man richtig weit in den Hintergrund schauen, was meinen Augen auf Dauer aber zu anstrengend wurde. Später habe ich den 3D-Regler daher ein ganzes Stückchen nach unten geschoben.

Fazit

Auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht: Doktor Lautrec ist kein reines Professor-Layton-Plagiat. Konamis Rätselreise gestaltet sich sogar deutlich vielseitiger als das Vorbild. Offenbar hat der Genremix die Entwickler aber überfordert, denn keines der Elemente wirkt richtig ausgereift. Statt spannender Logik-Rätsel und geschickt formulierten Aufgabenstellungen bekommt man meist nur öde Wimmelbilder und Zahlenrätsel vorgesetzt. Auch die Rundenkämpfe, Schiebepuzzles und Stealth-Einlagen eignen sich zwar als Lückenfüller, haben mich aber nicht annähernd so gefesselt wie die cleveren Kopfnüsse in Professor Layton.  Dass mich der Trip durch die französische Hauptstadt trotzdem nicht gelangweilt hat, liegt an der professionellen Inszenierung: Obwohl die Aufgaben nicht besonders spannend ausfallen, habe ich es durchaus genossen, durch das idyllisch inszenierte Paris streifen, mich mit allerlei skurrilen, gut vertonten Charakteren zu unterhalten und neue Kerker zu erforschen.

Wertung

3DS

Die Erkundungstour durch Paris bietet hübsche Kulissen, aber nur einen durchwachsenen Mix aus Rätseln, Kämpfen und Schleichpassagen.

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