Micky Epic: Die Macht der Fantasie20.11.2012, Paul Kautz
Micky Epic: Die Macht der Fantasie

Im Test:

Micky Epic: Macht der Fantasie war mein Highlight der diesjährigen E3. Ja, da gab es auch Watch_Dogs, The Last of Us, Beyond und Tomb Raider zu sehen - aber kein „Ausstellungsstück“ hat mich beim Probespielen so sehr berührt wie der geistige Nachfolger von Castle of Illusion. Das Endresultat hingegen...

“The Castle of Illusion? I know this place! I’ve been here, before!”

Wer erinnert sich noch an das Ende des 1990er Mega-Drive-Klassikers Castle of Illusion? Micky hat die böse Hexe Mizrabel erledigt, Minnie Maus ist befreit, das glückliche Paar fliegt, von der geläuterten Mizrabel chauffiert, an einem Feuerwerk vorbei und tanzt anschließend einen glücklichen Walzer durch die Landschaft. Game Over gut, alles gut? Leider nein, denn Mizrabel ist eine Mistkröte, wie man im Intro vom herbei eilenden Oswald erfährt: Sie ist im aus Micky Epic bekannten „Wasteland“ gelandet, wo sie in ihrem Illusionsschloss jede Menge Disney-Figuren gefangen hält und ihre Essenz absaugt, um fliehen zu können. Oder kürzer: Ihr müsst Minnie befreien! Und, wenn’s nicht zu viel Mühe macht, die anderen bitte gleich mit.

Man merkt von der ersten Sekunde an, dass Entwickler Dreamrift mit Micky Epic: Macht der Fantasie (ME) einen echten CoI-Nachfolger auf die Beine stellen wollte.

Man trifft immer wieder auf andere Disney-Figuren, die man "befreien" muss - und die dann in der "Festung" einen Haufen Nebenmissionen für einen haben.
Man trifft immer wieder auf andere Disney-Figuren, die man "befreien" muss - und die dann in der "Festung" einen Haufen Nebenmissionen für einen haben.
Die Bewegungen von Micky Maus sind ähnlich, man erledigt Gegner, indem man einen wohlgezielten Hintern-Platscher auf sie macht. Es gibt immer wieder wohlklingende Referenzen zum damaligen Soundtrack zu hören, außerdem ist ein Großteil der Soundeffekte vom Vorbild übernommen - vom Gegner-Auflösungs-Klirren bis zum Holzkopf-„Plock“, wenn man irgendwo anstößt. So weit, so super, denn das Ganze spielt sich wunderbar gemütlich und einfach, die Steuerung ist eingängig und präzise. Die Probleme beginnen damit, dass Micky jetzt keine Äpfel oder Murmeln zum Schmeißen, sondern einen Pinsel in der Hand hat.

Die Illusion des Spaßes

Diesen Pinsel nutzt man nicht nur als Fernwaffe (trifft man einen Feind mit Farbe, lässt er meist Geld liegen, bewirft man ihn dagegen mit Verdünner, kassiert man Lebensenergie-Herzen), sondern auch, um Objekte auszumalen bzw. weg zu pinseln. Wieder. Und wieder. Und wieder. Und wieder. Immer die gleichen Kanonen, Dreizacks, Spinnweben, Tintenfische oder Plattformen. Ständig muss man zwischen Digipad und Stylus wechseln (das Zeichnen ist mit dem Finger sehr unpräzise - und Präzision ist leider sehr wichtig), was einem vernünftigem Spielfluss im Weg steht. Und mit „ständig“ meine ich tatsächlich „ständig“ - irgendwann habe ich mir den Stift zwischen die Zähne gepackt, weil er teils alle 20 Sekunden gezückt werden musste.

Das erinnert nicht ohne Grund an Drawn to Life, ist aber hoffnungslos übertrieben. Während man dort ein Mal einen Feind oder eine Plattform zu kritzeln hatte, muss man das hier dauernd machen, auf immergleiche Weise: Mit Farbe malt man die Ränder eines Objektes nach, wodurch es automatisch gefüllt wird, mit Verdünner schmiert man einfach das komplette Objekt weg, was genauso interessant ist wie es klingt.

Duck Tales! U-Wuuuu-Huuuuuuu!

Technisch ist das Spiel ein Hochgenuss für Liebhaber von Pixelkunst.
Technisch ist das Spiel ein Hochgenuss für Liebhaber von Pixelkunst.

Das Zauberschloss präsentiert sich als seitlich scrollender 2D-Hüpfspaß klassischer Bauart - mit teilweise fies platzierten Gegner und schmerzhaften Spitzen, großzügigen Geschicklichkeitstests und viel Erkundung. Jedenfalls, sofern man das möchte. Wenn man es eilig hat, dauert es kaum vier Stunden, bis Mizrabel besiegt ist. Seinen eigentlichen Reiz erfährt ME aber dadurch, dass man nicht direkt zum Levelende sprintet, sondern die Mausaugen nach verborgenen Plattformen offen hält, die nicht nur zu Boni, sondern auch weiteren Disney-Figuren führen. U.a. quatscht man mit Aladdin, Rapunzel, Simba, Arielle, Onkel Dagobert, Donald Duck, Mulan, Schneewittchen oder der wunderlichen Alice. Nach getaner „Befreiung“ werden sie automatisch in die „Festung“ gebeamt, wo sie dann in kargen Räumen auf den Besuch der Maus warten. Kaum ist Micky da, hagelt es auch schon Nebenmissionen: Finde mir dies, sprich für mich mit dem da, könntest du mir bitte das da besorgen, warum nutzt du nicht deinen Zauberpinsel, um mir jenes hier zu malen?

Das Malen ist der größte Schwachpunkt von Epic Micky - es stört den Spielfluss ganz erheblich und wird dauernd wiederholt.
Das Malen ist der größte Schwachpunkt von Epic Micky - es stört den Spielfluss ganz erheblich und wird dauernd wiederholt.
Man kann sehr viel Zeit mit diesen Miniaufträgen in der Festung verbringen, auch wenn man schon nach kurzer Zeit das Gefühl nicht loswerden dürfte, für all die Figuren der großohrige Wasserträger zu sein - hey, wenn du etwas Wolle haben willst, warum gehst du dann nicht nach nebenan und fragst selbst?

Aufwändiger sind da schon die Aufträge, für die man bereits gemeisterte Levels neu besuchen muss - wenn z.B. Aladdin-Gegner Jaffar seinen großmauligen Papagei Iago vermisst. Die grundsätzliche Idee, einen Level nochmal zu erkunden und dabei mehr Aufmerksamkeit walten zu lassen, ist sehr begrüßenswert. Aber auch hier haben es die Designer für meinen Geschmack deutlich übertrieben: Wieder und wieder wird man in die immer gleichen Levels gebeten (es gibt nur elf), wieder und wieder muss man sie in ihrer Komplettheit meistern, selbst wenn das Objekt der Begierde kurz nach dem Eingang herumsteht. Und wofür das Ganze? Zum einen werden durch erledigte Missionen nach und nach die Räume der Auftraggeber schöner, was dem Film- und Comicfan entgegen kommt. Zum anderen erhält man vor lauter Dankbarkeit Upgrades (wie mehr Lebensenergieherzen oder effizienteren Einsatz von Farbe und Verdünner), Geld oder „Skizzen“. Das sind entweder hilfreiche Objekte (wie frei platzierbare Plattformen) oder Figuren, die einem im Level tatkräftig unter die Arme greifen - Duck-Tales-Fans dürfen sich auf einen tollen Auftritt von Onkel Dagobert freuen. Wie auch immer: Wer die Idee hatte, das Geld „E-Tickets“ zu nennen, sollte geohrfeigt werden. Ich bin letzte Woche mit einem E-Ticket nach England geflogen, in einem Fantasieschloss hat dieser so technische Begriff meines Empfindens nach nichts verloren.

Hach, wie schön...

Mit Ausnahme der letzten paar Levels ist das Spiel ein Klacks - selbst die wenigen Bosskämpfe sind keine wirkliche Herausforderung.
Mit Ausnahme der letzten paar Levels ist das Spiel ein Klacks - selbst die wenigen Bosskämpfe sind keine wirkliche Herausforderung.

Die Levels sind in drei Flügel des Zauberschlosses unterteilt, die sich an Disney-Filmen wie Peter Pan, Aladdin oder Arielle die Meerjungfrau orientieren. Und bis zum dritten Flügel kaum eine Herausforderung darstellen. Erst zum Schluss wird plötzlich an der Anspruchs-Kurbel gedreht, wodurch gerade die Unterwasser-Abschnitte zum Teil erheblich nerven. Das liegt dann aber nicht nur an der garstigen Platzierung der Feinde und dem deutlich stärkeren Aufkommen von Spitzen, die Micky erheblich wehtun. Sondern vor allem auch an dem unnachgiebigen Checkpunkt-System: Es gibt nämlich keines. Jeder Level ist zweigeteilt, unabhängig davon, wo man draufgeht, wird man immer zum Anfang des Teiles zurückgesetzt. Okay, das kann man als Oldschool-Herausforderung durchgehen lassen, aber richtig nervend ist, dass dadurch auch alle bis dahin erwischte Boni, freigeschaltete Figuren und gemalte Objekte wieder futsch sind - alles muss neu gepinselt und aufgegabelt werden, inkl. aller nicht überspringbarer Dialoge. Nerv! Kein Wunder, dass mein Stylus mittlerweile abgekaut wie ein Hundeknochen ist.

Wenden wir uns schöneren Dingen zu: Die Präsentation ist ein Traum! Dass Dreamrift Meister ihres Faches sind, wenn es um 2D-Animation geht, haben sie bereits im (hierzulande leider nicht offiziell erhältlichen) DS-Abenteuer „Monster Tale“ bewiesen. Und von Disney-Power beflügelt heben die Grafiker richtig ab: Die Figuren sind niedlich und toll animiert, die Hintergründe ein Fest für Fans von Pixelkunst, das weiche Parallax-Scrolling erzeugt angenehme Raumtiefe, die im 3D-Modus super zur Geltung kommt. Und der Soundtrack? Er weckt nicht nur die bereits erwähnten angenehmen Erinnerungen an Castle of Illusion, sondern punktet auch ganz ohne Nostalgie.

Fazit

Macht der Fantasie könnte ein fantastisches Jump-n-Run sein, die Wurzeln für einen würdevollen Nachfolger von Castle of Illusion (das ich bekanntermaßen vergöttere) sind deutlich vorhanden: Die Präsentation ist exzellent, die handgezeichnete 2D-Grafik ist makellos und detailverliebt, der 3D-Effekt kommt durch die klar abgetrennten Parallax-Ebenen super zur Geltung. Der Soundtrack erfreut meine Ohren nicht nur mit vielen Anspielungen an das Mega-Drive-Vorbild, sondern weiß auch mit frischen Kompositionen zu gefallen. Die Spielmechanik ist simpel, aber eingängig, das Leveldesign zwar nicht fordernd, aber ideenreich - von seltenen nervtötenden Ausnahmen wie den Unterwasser-Abschnitten mal abgesehen. Okay, im Großen und Ganzen ist das Spiel sehr leicht, aber das war das Original auch. Und dennoch springt der Funke einfach nicht so über, wie er eigentlich sollte. Was hauptsächlich an dem Zeichnen liegt: Das ständige Wechseln zwischen Digipad und Stylus, und wieder und wieder und wieder und wieder immergleiche Formen aus- oder nachzupinseln, ist am Anfang noch ganz nett, entpuppt sich aber schnell als redundant - das vergleichbare Drawn to Life war in dieser Hinsicht wesentlich fokussierter. Es fühlt sich so an, als hätten es die Entwickler unbedingt einbauen müssen, weil „Micky Epic“ auf dem Cover steht, und es in der Serie um Farbe und Verdünner geht - in der Praxis wäre mir die Konzentration auf den Hüpfteil aber wesentlich lieber gewesen. Aber auch andere Elemente nagen am Zauber - wie das wasserträgerhafte Hin- und Hergerenne zwischen den Figuren in der Festung in Kombination mit der ständigen Wiederholung der bereits gemeisterten Levels. Oder das nervend unnachgiebige Speichersystem, das einen beim Fehlschlag immer zum Levelanfang zurückwirft. Die Macht der Fantasie hatte das Zeug zum Hüpfhit. Das Endresultat ist ein leider nur halbgarer Mischmasch aus Exzellenz und Fehlschlag. Ich bin enttäuscht.

Pro

zauberhafte Präsentation
liebevoll gestaltete und animiert Figuren
viele "Castle of Illusion"-Referenzen
satter Umfang...
edler Soundtrack
einfache Steuerung
sehr viel Erkundung
nette Bosskämpfe

Kontra

sehr viel immergleiches Malen
nervendes Checkpunktsystem
insgesamt sehr leicht
...sofern man mit viel Wiederholung leben kann

Wertung

3DS

Die Voraussetzungen für ein zauberhaftes Jump-n-Run sind da - und dann muss man sich mit nervtötenden Pinseleien herumschlagen! Sehr schade.

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