Im Test:
AR satt Horror
Im Kern baut Spirit Camera auf die gleichen Mechanismen wie die verwandte Project Zero-Serie, die in Japan unter dem Titel Fatal Frame veröffentlicht wird: Gefährliche Geister, die sich nur mit der so genannten Camera Obscura bekämpfen lassen. Dahinter verbirgt sich ein Fotoapparat, mit dem man übersinnliche Ereignisse sehen, beeinflussen und zerstören kann. Auf Konsolen (zuerst auf PS2, zuletzt mit Teil 4 nur noch exklusiv auf Wii) gehört dieses Konzept zu den stimmungsvollsten Horror-Erlebnissen der letzten zehn Jahre. Doch in der Unterwegs-Variante ist es zu einem Großteil nur noch ein Schatten seiner selbst.
Dabei ist die Story nicht mal schlecht: Man findet ein violettes Tagebuch, in dem die Geschichte einer "Frau in Schwarz" erzählt wird, die alle, die in diesen Seiten lesen, in das verfluchte Buch zieht, um sie dort zu quälen und ihnen das Gesicht zu entreißen. Man muss zusammen mit der freundlich gesinnten Erscheinung Maya versuchen, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. So weit, so gut. Das ist zwar nicht spektakulär, aber interessant genug, um neugierig zu machen. Zumal das violette Tagebuch dem Spiel physisch beiliegt und sogar zum Blättern auffordert. Über die so genannte „Augmented Reality“ (AR), also einer künstlichen Veränderung der Wirklichkeit (insbesondere das Tagebuch), wird versucht, dem Spiel eine neue Dimension hinzuzufügen.
Der Geist in meinem Haus
Und damit geht ein Großteil der potenziellen Spannung den Bach runter. Nicht nur, dass es für mich deutlich schwerer ist, mich in mir bekannten Umgebungen zu fürchten oder erschrecken zu lassen. Spielen im Dunkeln (was ich bei Horrortiteln liebend gerne mache) kommt ebenfalls nicht in Frage, da der 3DS es sonst nicht gewuppt bekommt, die verschiedenen AR-Seiten des Tagebuchs zu erkennen.
Zudem reicht es, sich einen Drehstuhl zu schnappen, um allen Anfeindungen gegenüber gewappnet zu sein, da man bis auf zu wenige Ausnahmen die Geister nur auf einer Ebene bekämpft und nur selten mal nach oben oder unten schauen muss.
Zero lässt grüßen
Die Auseinandersetzungen per se erinnern wiederum an die Ursprünge der Serie und sind durchaus unterhaltsam: Man muss versuchen, den jeweiligen Geist im Sucher der Kamera zu behalten und dann im richtigen Moment (während eines Angriffes des Gegners, wird durch eine rote Markierung angezeigt) abzudrücken, damit die Lebenspunkte der Erscheinung gegen Null gehen.
Mit ein paar Rätseln, von denen sich die meisten leider nur um das Finden der richtigen Seite im AR-Tagebuch drehen, sowie dem Wechsel der Linsen, die dann z.B. Dunkelheit durchleuchten oder das Bild in ein Negativ verwandeln, nutzt man ebenfalls einen der Stützpfeiler der stationären Project Zeros. Und in den Momenten, bei denen die Rätsel anspruchsvoller werden und man zudem noch über das Tagebuch in eine düstere Welt gesogen wird, entfaltet Spirit Camera seine Stärke und setzt auch den einen oder anderen Schockmoment - das passiert allerdings viel zu selten.
Kurzes Unvergnügen
Und zu alledem ist Spirit Camera auch noch kurz: Nach gut drei Stunden hat man das Geheimnis um das visuell meist spröde umgesetzte Tagebuch gelöst. Danach kann man zwar noch weitere Durchläufe in Angriff nehmen, um zusätzliche Geheimnisse Mayas zu entschlüsseln oder neue Kostüme freizuspielen, doch der Reiz hält sich in sehr überschaubaren Grenzen. Wie übrigens auch bei den Minispielen, die die sich entweder um Seiten im AR-Tagebuch drehen oder das Schießen von Fotos mit dem 3DS forcieren, um dann die darüber gefundenen Geister zu bekämpfen.
Angesichts des nur selten erbaulichen Spielerlebnisses wirkt die Akustik wie die sprichwörtlichen vor Säue geworfenen Perlen. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, um welchen Wirkungsfaktor das Stöhnen, Geisterjammern sowie die spärlich, aber effektiv eingesetzte Musik potenziert worden wäre, wenn aus diesem Titel tatsächlich ein Horror-Spiel und kein Reaktionstest mit erweiterter Realität geworden wäre.
Dementsprechend lohnt es sich auch kaum, Worte zur Kulisse zur verlieren. Die Momente in der Spielwelt sind tatsächlich gelungen, die sporadisch eingestreuten Filme ebenfalls, wobei in beiden Fällen der 3D-Effekt zu schwach ist, um nachhaltig Wirkung zu hinterlassen. Die deutlich häufiger vorkommenden AR-Situationen hingegen können nicht überzeugen: Weder die oberflächlich animierte Maya noch die Geister schaffen es, Akzente zu setzen.
Fazit
Das aus den Project Zero-Titeln bekannte Kameraprinzip passt wunderbar zum 3DS, doch das Potenzial wird nicht einmal ansatzweise ausgeschöpft. Nicht nur, dass der "interaktive" Roman mit seinen zu stark in den Vordergrund gerückten "Augmented Reality"-Elementen gerade mal drei Stunden dauert und damit viel zu kurz ist. Auch der stimmungsvolle Horror, den man mit der Serie auf stationären Systemen assoziiert, kommt nur sporadisch auf. Es ist einfach schwierig, sich in einem hell erleuchteten Zimmer zu gruseln. Dunkle Räume hingegen führen zu technischen Problemen. In Ansätzen ist spürbar, dass das Konzept auf dem 3DS gut aufgehoben ist. Doch anstatt den Spieler mit der Bewegung im Raum durch eine düstere und mit Geister-Gefahren gepflasterte Welt zu schicken, in der man sich verlieren kann, baut man weitgehend auf simple Reaktionstest. Die paar Momente, in denen man quasi in das Tagebuch abtaucht, zeigen wie es gehen kann: Sie sind ungleich stimmungsvoller und spannender als die Geschicklichkeitsübungen vor heimischer Kulisse. Auf die separaten Minispiele, die ebenfalls auf "Augmented Reality" beruhen, hätte man dementsprechend auch verzichten können. Schade, hier hat Nintendo eine Chance liegen lassen, dem kleinen System einen atmosphärisch dichten Horror zu spendieren, der der Project Zero-Verwandschaft gerecht wird.
Pro
Kontra
Wertung
3DS
Verschenkte Chance: Anstatt spannenden Horror für unterwegs zu inszenieren, setzt man auf größtenteils unspektakuläre "Augmented Reality"-Spielereien.
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