Es geht endlich los
Video:
Vier spielbare Figuren, eine fantastische Kulisse sowie sehenswerte 3D-Effekte - und dennoch fehlt Mirror of Fate das gewisse Castlevania-Etwas.
Ich hatte die Hoffnung beinahe schon aufgegeben. Nachdem das Spiel gut vier Stunden unterhaltsam, aber bar jeglicher Herausforderung vor sich hinplätscherte, wurden sowohl die Spannungs- als auch die Anforderungszügel angezogen. Gerade noch rechtzeitig! Denn ich war kurz davor zu sagen, dass die Entwickler von Mercury Steam (auch verantwortlich für das Original Castlevania Lords of Shadow sowie dessen Fortsetzung) die 3DS-Premiere der Serie lediglich nutzen, um ihre eindrucksvolle Mobilengine zu präsentieren als die seit 2008 wartenden Fans mit einem guten Abenteuer zu unterhalten.
Dabei klingt alles viel versprechend: Es soll eine Mischung aus klassischen seitwärts scrollenden 2D-Mechaniken sowie einem modernen Kampfsystem inspiriert von der Dynamik des stationären Lords of Shadow sein. Im Prolog ist man noch als Gabriel Belmont unterwegs, läuft von rechts nach links (oder umgekehrt) durch die stimmungsvollen Kulissen, die immer wieder mit gelungenen 3D- sowie guten Tiefen-Effekten punkten und schwingt seine mörderische Peitsche gegen allerlei Ungetier. Danach wechselt man jedoch die Rolle und schlüpft u.a. in die Haut seiner Nachfahren Trevor und Simon, die aus welchem Grund auch immer mit einem schottischen Dialekt sprechen, der für mich nicht zu den Figuren passt. Noch bedenklicher und vor allem relevanter ist allerdings, dass sich die Protagonisten bis auf die wenigen Spezialfähigkeiten alle sehr ähnlich spielen.
Erzählerisch gut, aber schwach inszeniert
Die dynamischen Kämpfe mit ihrem Block-/Kontersystem sind das Prunkstück von Mirror of Fate.
Das allein wäre nicht so schlimm. Aber ich habe darüber hinaus Probleme, mit der Geschichte warm zu werden. Nicht nur, weil Simon oder sein Vater lange nicht die charismatische oder gar geheimnisvolle Ausstrahlung ihrer Vorgänger haben. Und auch nicht nur, weil Mirror of Fate all denjenigen, die Lords of Shadow auf Konsolen (noch) nicht durchgespielt haben, das Ende und damit einen großen Twist spoilert. Sondern vielmehr, weil ich mich hier partout nicht an den Erzählstil gewöhnen kann. Dabei ist die grundsätzliche Idee ansprechend: In Form von animierten sowie gut (aber Englisch) vertonten Comic-Sequenzen, bei denen ebenfalls nette 3D-Effekte eingesetzt werden, wird die Geschichte vorangetrieben. Einzig die Motivation, mir alles anzuhören, wird nicht aufgebaut. Denn der Stil ist inkonsequent. Was in der Theorie gut klingt, nämlich durch überraschend inne gehaltene Animationen den Eindruck von "Comic-Frames" zu erzeugen, wirkt auf mich in der halbfertig, verspielt dadurch viel Atmosphäre und damit Aufmerksamkeit meinerseits. Warum hat man diese Szenen nicht komplett animiert oder konsequent als vertonte Standbilder präsentiert?
Da kann auch der überraschende Auftritt eines alten Bekannten nicht mehr viel retten, den man im zweiten Akt spielt, der jedoch in den letzten 16 Jahren viele seiner Fähigkeiten eingebüßt hat. Obwohl zumindest der Kniff funktioniert, Ereignisse zu spielen, die parallel zu denen ablaufen, die man zuvor mit Simon erlebt hat. Und mit ihm kommt nicht nur in der Erinnerung das alte Castlevania-Gefühl auf: Die Kämpfe werden nach etwa vier Stunden härter, die Bosse anspruchsvoller und endlich gibt es Rätsel.
Mehr God of War als Castlevania
Die Sprung- bzw. Kletterpassagen hingegen sind nur selten fordernd.
Doch bis dahin und leider auch mit wenigen Ausnahmen einen Großteil der Zeit danach bis zum Ende des etwa zehn bis zwölf Stunden langen Abenteuers, bleibt Mirror of Fate ein gewöhnliches Action-Adventure, das sich zu selten wie ein Castlevania anfühlt. Allerdings zählt Mirror of Fate dank sehr guten Gegnerdesigns, ausgefeilter Levelstrukturen sowie der visuell clever eingesetzten dritten Dimension derzeit zu den ansehnlichsten Titeln auf dem 3DS. Wenn man im zweiten und dritten Akt nach einem harten Bosskampf auf einem Vieh wie Gandalf auf Balrog reitend durch einen engen, sich schnell verbreiterenden Schacht nach unten stürzt und den 3D-Regler bis zum oberen Anschlag gestellt hat, kommt man gar nicht umhin, als die Engine von Mercury Steam in den höchsten Tönen zu loben.