Bravely Second: End Layer25.02.2016, Jens Bischoff

Im Test: Rückkehr nach Luxendarc

Anscheinend waren Square Enix und Nintendo mit den weltweit mehr als eine Million verkauften Exemplaren von Silicon Studios 3DS-Rollenspiel Bravely Default so zufrieden, dass man auch den Nachfolger Bravely Second: End Layer (ab 31,34€ bei kaufen) zusammen nach Europa gebracht hat. Ob der auf den Qualitäten des Vorgängers aufbauen kann, verrät der Test.

Zwei Jahre später

Bravely Second spielt zwei Jahre nach den Ereignissen von Bravely Default. Man schlüpft in die Rolle von Yew Geneolgia, einem der drei Kavalliere der Kristallwache, deren Aufgabe es ist, Päpstin Agnès Oblige mit Leib und Leben zu beschützen. Doch gegen die finstere Macht von Kaiser Verheer haben Yew und seine Kameraden keine Chance. Während einer nächtlichen Invasion macht er mit der päpstlichen Leibgarde kurzen Prozess, schnappt sich die Päpstin und flüchtet in seiner fliegenden Himmelsfestung.

Als Yew wieder zu sich kommt, schwört er, Agnès um jeden Preis aus den Fängen ihrer Entführer zu befreien. Doch zwischen ihm und seinem Ziel liegen weit mehr Stolpersteine als er ahnt. Er weiß ja nicht einmal, wo Verheer mit seiner Geisel hin ist oder was er mit ihr vorhat, denn eine Lösegeldforderung oder Ähnliches gibt es nicht. Allerdings dauert es nicht lange, bis Yew tatkräftige Unterstützung von vertrauten und neuen Gesichtern erhält und einen geheimen Kontakt zu Agnès herstellen kann.

Quer durchs ganze Land

Es beginnt eine Verfolgungsjagd durch ganz Luxendarc zu Land, zu Wasser und in der Luft, die nicht nur voller Überraschungen ist, sondern auch immer wieder Brücken zu den Ereignissen des Vorgängers schlägt. Die eingeflochtenen Rückblicke und Erklärungen verschaffen zwar auch Neueinsteiger stets einen guten Überblick, aber Veteranen erkennen natürlich wesentlich detailliertere Zusammenhänge.

Die Jagd nach dem Entführer der Päpstin führt Yew und seine Truppe durch ganz Luxendarc.
Andere Belohnungen gibt es aber nicht. Spieler der Demoversion können allerdings ihre Daten importieren und erbeutete Objekte transferieren.

In sich Schritt für Schritt automatisch füllenden Enzyklopädien kann man anschließend mehr über all seine Funde, Gegner, Errungenschaften und andere Dinge erfahren. Schön sind auch wieder die leider viel zu seltenen 3D-Spielereien, die dank Nutzung der Bewegungssensoren mitunter sogar einen Hauch Virtual Reality versprühen. Selbst die Darstellung der Schauplätze profitiert einmal mehr von der zusätzlichen Tiefenwirkung, auch wenn die Ausmaße der Städte, Dörfer und Dungeons nach wie vor überschaubar sind. Versteckte Schätze, Fallen, Schalterrätsel und Geheimpassagen halten jedoch bei Laune.

Zufall nach Maß

Klassische Zufallskämpfe stehen ebenfalls wieder auf der Tagesordnung. Deren Häufigkeit lässt sich aber schon nach kurzer Zeit frei regulieren, um sowohl ungestört erkunden als auch flott leveln zu können. Letzteres ist leider immer wieder lästige Pflicht. Vor allem, wenn man sich in punkto verfügbarer Ausrüstung nicht zu sehr einschränken möchte. Denn wie schon beim Vorgänger spielt das situative Wechseln von Charakterklassen, Fertigkeiten, Waffen und Rüstungen eine wichtige Rolle. Besonders auf hoher Schwierigkeitsstufe.

Allerdings lässt sich der Schwierigkeitsgrad wie auch die Kampfhäufigkeit jederzeit beliebig ändern. Wer will, kann sich sogar zusätzliche Handicaps wie Geld- oder Erfahrungssperren setzen oder die Kämpfe mit festgelegten Aktionsmustern automatisch und im Eiltempo ablaufen lassen. Der Spielfluss kommt aber trotzdem immer wieder ins Stocken, weil Anforderungen und Dramaturgie nicht aus einem Guss sind und regelmäßig abrupte Sprünge machen.

Die rundenbasierten Zufallskämpfe setzen erneut auf taktische Wechsel zwischen Defensive und Offensive.
Auch vor exzessiven Wiederholungen bleibt man wie schon im Vorgänger nicht verschont. Der New-Game-Plus-Modus wird quasi zum Pflichtprogramm...

Mut und Zurückhaltung

Die rundenbasierten Kämpfe laufen nahezu identisch wie im ersten Teil ab. Neuerdings lassen sich lediglich mehrere Konfrontationen in Folge bestreiten, um steigende Erfahrungsboni zu kassieren. Ansonsten sind neben dem Einsatz von Waffen, Spezialfertigkeiten und Verbrauchsgegenständen natürlich auch wieder die Titel gebenden Kommandos "Brave" und "Default" mit von der Partie, mit denen man man Bonuspunkte für zusätzliche Aktionen ansparen (Default) und auf einen Schlag ausgeben kann (Brave). Sogar Aktionsschulden sind erlaubt, bergen aber das Risiko bei einem anschließenden Notfall handlungsunfähig zu sein, da man erst wieder eingreifen darf, wenn die Schulden getilgt sind.

Zur Not steht aber auch wieder die heldenhafte Sekunde (Bravely Second) zur Verfügung, mit der man die Zeit, selbst wenn der Gegner am Zug ist, anhalten und sofort eingreifen kann. Zumindest wenn man über die dafür nötigen Seelenpunkte verfügt. Dass sich diese nach wie vor nur sehr langsam regenerieren und durch Mikrotransaktionen aufstocken lassen, sorgt erneut für einen faden Beigeschmack, auch wenn man die Option gänzlich ignorieren kann.

Virtuelle Rückendeckung

Weit unverfänglicher ist die erneute Unterstützung von echten oder virtuellen (KI-)Freunden, die man in bestimmten Intervallen im Kampf um Hilfe bitten oder ihnen selbst welche zukommen lassen kann. Egal, ob einfacher Angriff, klassenspezifische Zauberei oder verheerende Spezialattacke - alle Aktionen können gesendet und empfangen werden, um einander zu helfen. Auch spezielle Jagdeinsätze können wieder zugeschickt, Charakterverbindungen für Klassenboni eingegangen werden. Dieses Mal stehen ganze 30 Charakterklassen zur Auswahl (zum Video), von denen man natürlich viele schon aus dem Vorgänger kennt. Wie damals wurden auch dieses Mal wieder Kostümanpassungen für den Westen vorgenommen. Bei der Falkenaugen-Klasse wurde gar aus einer Squaw ein Cowgirl gemacht (siehe Bildvergleich ).

Nichtsdestotrotz ist das Aufgebot interessant und abwechslungsreich. Neben eher traditionellen Klassen wie Kämpfer, Dieb und Zauberer gibt es auch sehr exotische wie den Patissier, Performer oder Katzenbeschwörer. Einmal freigeschaltete Klassen können beliebig gewechselt, deren Fertigkeiten kombiniert und Talente transferiert werden. Besonders wichtige oder beliebte Kombinationen kann man auch als Vorlagen abspeichern. Spezialattacken lassen sich auch wieder individuell anpassen und mit persönlichen Kommentaren versehen.

Licht und Schatten

Dass Charakterdesign und Dialoge mitunter recht kindlich ausfallen, dürfte für Fans des Vorgängers nicht weiter schlimm sein. Der Mix aus 2D und 3D weiß nach wie vor zu gefallen. Ebenso wie die dynamischen Tagesverläufe, die mehr als nur optisches Gimmick sind. Der oft extrem schwankende Detailgrad zwischen Haupt- und Nebenfiguren sticht hingegen noch immer negativ ins Auge.

Der Mix aus 2D- und 3D-Grafik sowie deren Tiefenwirkung wissen nach wie vor zu gefallen.
Die wahlweise englische oder japanische Vertonung ist für 3DS-Verhältnisse erneut ungemein umfangreich, die deutsche Übersetzung meist vorbildlich. Lediglich bei den weiblichen Stimmen kommt es aufgrund der Absmischung immer mal wieder zu unschönen Lispeleffekten.

Erwähnen sollte man auch die durchdachte Steuerung, die nicht nur den Touchscreen sinnvoll einbezieht, sondern auch weitestgehend die Bedienung mit nur einer Hand und damit selbst ein Spielen auf Bus- oder U-Bahn-Stehplätzen erlaubt. Angenehm sind auch die vielen Shortcuts zur schnellen Menünavigation oder die automatische Speicherfunktion. Letztere kann einem aber auch übel mitspielen, wenn man z. B. versehentlich ein Story-Ereignis mit automatischem Ortswechsel auslöst, das gleichzeitig den Zugang zu noch nicht abgeschlossenen Nebenaufgaben versperrt. Die Funktion lässt sich aber auch jederzeit deaktivieren. Wer will, kann nebenbei auch wieder bei einem Siedlungsaufbau helfen oder sich als Puppenbastler verdingen. Klassenspezifische Sammelaufgaben sind ebenfalls wieder an Bord, so dass es auch abseits der Haupthandlung so schnell nicht langweilig wird.

Fazit

Mit Bravely Second: End Layer setzen die 3D-Dot-Game-Heroes-Macher ihr charmantes 3DS-Rollenspiel im Stil japanischer 16-Bit-Klassiker à la Final Fantasy oder Dragon Quest routiniert fort. Trotz frischer Story, Figuren und Charakterklassen werden sich Bravely-Default-Veteranen sofort heimisch fühlen und viele vertraute Orte, Gesichter und Spielelemente entdecken. An den Abläufen und Systemen hat man so gut wie nichts verändert, so dass die Symbiose aus Zufallskämpfen und freier Spielanpassung, Rundentaktik und Zeitmanipulation sowie Soloabenteuer und Koop-Vernetzung nach wie vor gut harmoniert. Allerdings sind auch fast alle Laster wieder mit an Bord. Neben fragwürdigen Mikrotransaktionen und durchwachsenem Charakterdesign fällt vor allem der zähe und wiederholungsintensive Spielfluss wieder negativ auf. So episch und wendungsreich die Handlung auch sein mag, Dramaturgie und Inszenierung lassen trotz üppiger Vertonung und gelungener Effekte erneut zu wünschen übrig. Dennoch: Wer dies schon dem Vorgänger verzeihen konnte, wird auch mit der Fortsetzung glücklich; Fans klassisch geprägter Japan-Rollenspiele sowieso.

Pro

riesige Klassenauswahl
individuelle Charakteranpassungen
motivierende Nebenbeschäftigungen
praktische Spielhilfen & Nachschlagewerke
regulierbare Kampfhäufigkeit & -schwierigkeit
umfangreiche Vertonung (englisch & japanisch)

Kontra

zäher Spielverlauf
durchwachsenes Charakterdesign
fragwürdige Mikrotransaktionen

Wertung

3DS

Abermals charmantes, aber auch zähes Rollenspielvergüngen im Stil japanischer 16-Bit-Klassiker.

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