Stella Glow14.03.2016, Jens Bischoff

Im Test: Letztes Werk der Luminous-Arc-Macher

Das bereits letztes Jahr in Japan und Nordamerika erschienene Stella Glow (ab 39,99€ bei kaufen) war das letzte Werk der insolvent gegangenen Luminous-Arc-Macher Imageepoch. NIS America hat das musikalisch angehauchte Taktik-Rollenspiel nun auch in Europa veröffentlicht. Wie uns der Auftritt der singenden Hexen gefallen hat, verrät der Test.

Gefährliche Lieder

Stella Glow spielt in einer Welt, deren Bewohnern der Legende nach die Gabe zu singen von Gott genommen wurde, nachdem sie sich vor tausend Jahren gegen den Himmel aufgelehnt hatten. Um so erstaunter ist Protagonist Alto, als er eines Tages menschlichen Gesang in den nahen Wäldern vernimmt. Doch das liebliche Lied stammt aus der Kehle einer Hexe und hat schlimme Folgen: Das Dorf Mithra, das er seit drei Jahren seine Heimat nennt, wird plötzlich von mysteriösen Kristallen überwuchert, die fast all seine Freunde reglos erstarren lassen.

Nur Alto und Freundin Lisette überleben die Katastrophe. Doch kaum in Sicherheit, erfahren sie, dass auch Lisette eine Hexe sein soll. Am Ende könnte aber genau das der Schlüssel zur Rettung Mithras und anderer Dörfer sein, deren Einwohner allesamt durch Hexenlieder zu Kristallen geworden sind. Zusammen mit Eliterittern der Königin reisen die die beiden fortan jedenfalls quer durchs ganze Land, um weitere Hexen ausfindig zu machen, die der fortschreitenden Kristallisierung der Welt vielleicht Einhalt gebieten könnten. Doch hinter den Kulissen bahnen sich noch ganz andere Konflikte und Dramen an.

Klassisches Dirigieren

Unterwegs wird auch Altos Rolle immer wichtiger, da er der Einzige zu sein scheint, der die musikalischen Talente der Hexen wie ein Dirigent entfachen und steuern kann - auch im Kampf. Generell stehen die taktischen Rundenschlachten ganz in der Tradtition klassischer Genrevertreter wie Tactics Ogre, Final Fantasy Tactics und Co.:

Stella Glow bietet klassische Rundentaktik à la Tactics Ogre, Final Fantasy Tactics & Co.
Man bewegt seine Recken Zug um Zug aus isometrischer Ansicht über gerasterte Landstriche und befiehlt ihnen, in Reichweite befindliche Gegner anzugreifen, Items oder Sonderaktionen zu nutzen sowie ihre Blickrichtung zu ändern.

Neben Höhenunterschieden, Terrainbeschaffenheiten und elementaren Zugehörigkeiten hängt die Effektivität der Kampfaktionen nämlich auch davon ab, aus welcher Richtung ein Ziel attackiert wird. Nicht weniger wichtig sind die Talente betroffener und benachbarter Einheiten. Diese können sogar effektiv kombiniert werden, wenn z. B. ein Angriff vom einem nahen Teamkameraden zuerst geblockt und direkt im Anschluss von einem selbst gekontert wird. Bei der Abstimmung helfen praktische Reichweitenanzeigen und Figurenprofile sowie Treffwahrscheinlichkeiten und Schadensprognosen.

Facettenreiches Ensemble

Jedes Gruppenmitglied beherrscht unterschiedliche Waffen und verfügt über individuelle Kampffertigkeiten - von verheerenden Attacken über Heil- und Angriffszauber bis hin zu Tarn-, Raub- und Fallenstellerfähigkeiten. So erfüllt jeder eine einzigartige Rolle. Darüber hinaus besitzen viele auch besondere Talente wie das Knacken von Schlössern, das Wechseln zwischen verschiedenen Körperhaltungen oder eben das Singen von Liedern, deren unterschiedliche Effekte sich mit Altos Hilfe über das gesamte Schlachfeld ausbreiten und mehrere Runden andauern, so dass sich selbst ein bereits verloren geglaubter Kampf noch wenden lässt.

Mehr als zwanzig Songs wurden von beliebten japanischen Synchronsprecherinnen eingesungen und nicht lokalisiert. Bei den Dialogen sind wiederum englische Sprecher am Werk, die ihr Handwerk mindestens ebenso gut verstehen. Eine Option auf japanischen Originalton oder deutsche Untertitel gibt es jedoch nicht. Dafür stammt der facettenreiche Soundtrack von Chrono-Trigger- und Xenogears-Komponist Yasunori Mitsuda. Auch die handgemalten Ortskulissen und Anime-Portraits können sich sehen lassen, obwohl Letztere oft übertrieben voyeuristisch wirken.

Mit Altos Hilfe breiten sich die Lieder der Hexen über das gesamte Schlachtfeld aus.
Der 3D-Effekt ist hingegen durchgehend mau, die Technik insgesamt stark angestaubt.

Ein Fall fürs Museum?

Übersicht und Bedienkomfort könnten ebenfalls besser sein: Die Spielansicht lässt sich weder kippen, noch drehen und lediglich in zwei Stufen  zommen. Zudem hat man während der gesamten Schlacht keinen Zugriff aus Optionsmenü, wo sich u. a. die Lautstärken regulieren lassen. Immerhin darf jederzeit gespeichert werden, wenn auch nur auf einem universellen Schnellspeicherplatz. Abseits der Kämpfe stehen zwei weitere Plätze für Spielstandsicherungen zur Verfügung, so dass bei Bedarf auch zwei Spieler eigene Kampagnen bestreiten können.

Der leider nicht veränderbare Schwierigkeitsgrad ist angenehme fordernd. Es gibt aber auch optionale Kampfeinsätze, über die man seine Truppe abseits der Storymissionen ebenfalls Beute und Erfahrung sammeln lassen kann. Hin und wieder hat man sogar frei und kann kleine Erkundungstouren unternehmen, sich mit Nebenjobs etwas dazuverdienen oder privat Zeit mit seinen Kameraden verbringen. Das Pflegen von Freundschaften kann sogar neue Talente und Fertigkeiten zum Vorschein bringen oder bestehene verstärken.

Auf Tuchfühlung

Mit den Hexen des Teams kann Alto sogar noch intimer werden und während spezieller Therapiekämpfe Ängste und Sorgen seiner Kameradinnen zu vertrieben. Das kann sogar romantische Formen annehmen und in Verbindung mit anderen getroffenen Entscheidungen zu unterschiedlichen Spielenden führen. Auch ein New-Game-Plus-Modus ist mit an Bord. Das Ausrüstungssystem ist eher einfach gehalten und beschränkt sich auf je einen Waffen-, Rüstungs- und Schmuckplatz. Zudem verfügt jeder Charakter über zwei Plätze für Verbrauchsgegenstände wie Heilkräuter, Energietränke oder Wurfgeschosse, die es je nach Lage taktisch klug zu füllen gilt.

Zwischen den Kampfeinsätzen kann man sich in der Hauptstadt mit Nachschub eindecken. Zudem können Waffen mit magischen Einsätzen, die sich auch selbst herstellen lassen, veredelt werden, um z. B. die Angriffskraft zu steigern, Resistenzen zu schüren oder Statusleiden zu verursachen. Da sich die Einsätze auch jederzeit wieder entfernen lassen, kann man sich so auf jede Situation passend vorbereiten. Die Gegner sind nämlich ziemlich schonungslos und forcieren ihre Angriffe fast immer auf das schwächste Glied - selbst wenn bei Flächenangriffen auch mal eigene Einheiten in Mitleidenschaft gezogen werden.

Knackige Beutejagd

Besonders bei Schutz- und Rettungsmissionen ist sowohl Eile als auch Vorsicht geboten. Taktikfüchse können sich neben dem Erreichen der allgemeinen Siegbedingungen aber oftmals auch an knackigen Bonuszielen wie dem Töten eines von mehreren Parteien bedrängten Anführers mit einem bestimmten Charakter oder der Unversehrtheit einer KI-gesteuerten Einheit versuchen.

Die zeitraubenden Kampfanimationen lassen sich auf Wunsch im Optionsmenü deaktivieren.
Schafft man es, diese zu erfüllen, winken oft einzigartige Belohnungen.

Beutejäger können aber auch direkt auf den Schlachtfeldern immer wieder etwas abseits stehende Schatzkisten plündern, via StreetPass Items anderer Spieler erhalten oder Spielmünzen in spezielle Bonuskämpfe investieren. Insgesamt gibt es über 50 Kampfschauplätze, auf denen man sich mehrere Dutzend Stunden verweilen kann. Auch Giftlachen, Treibsand, Aufzüge, verschlossene Türen, schwächende Nebel, regenerative Quellen oder nur mit Flugeinheiten überwindbare Hindernisse gilt es bei der Marschplanung zu berücksichtigen. Duelle gegen andere Spieler sind hingegen tabu.

Fazit

Auch wenn die Luminous-Arc-Macher von Imageepoch ihre Pforten bereits schließen mussten, haben sie ihren Fans mit Stella Glow noch ein packendes Strategie-Rollenspiel zum Abschied hinterlassen. In punkto Technik und Spielkomfort wirken manche Elemente zwar fast schon museumsreif, aber unterm Strich bekommt man auch heute noch schmackhafte Rundentaktik alter Schule serviert, die mit knackigen Herausforderungen sowie motivierender Charakter- und Beziehungspflege zu begeistern weiß. Darüber hinaus wird ein bewegendes, wenn auch stellenweise zu vorhersehbares und voyeuristisches Anime-Drama gesponnen, das von hervorragenden englischen Synchronsprechern und einem facettenreichen Soundtrack von Altmeister Yasunori Mitsuda (Chrono Trigger, Xenogears) gestützt wird. Schade nur, dass es trotz japanischer Originallieder bei den Dialogen keine Option auf japanischen Originalton gibt. Auch deutsche Untertitel oder ein veränderbarer Schwierigkeitsgrad haben es nicht mehr ins Spiel geschafft. Doch davon sollten sich Genreliebhaber nicht abhalten lassen!

Pro

bewegendes Anime-Drama
fordernde Rundentaktik alter Schule
motivierende Charakter- & Beziehungspflege
stimmungsvolle Vertonung
knackige Bonusziele

Kontra

angestaubte Technik & Spielkomfort
einheitlicher Schwierigkeitsgrad
Spiel komplett auf Englisch

Wertung

3DS

Altmodisches, aber packendes Taktik-Rollenspiel mit musikalischer Prägung.

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