Fire Emblem: Awakening25.03.2013, Jörg Luibl
Fire Emblem: Awakening

Vorschau:

Was sagt euch Tsurugi? Vielleicht Hikari? Oder Ankoku? Falls tatsächlich jemand an Fire Emblem denkt, dann gehört er zum Kreis der japanophilen Serienkenner. Der erste Teil der Mischung aus Rundentaktik und Rollenspiel erschien 1990 auf dem NES mit dem Untertitel "Ankoku Ryu to Hikari no Tsurugi". Erst der siebte Teil erreichte Europa dreizehn (!) Jahre später auf dem GBA. Und am 19. April schlägt Intelligent System auf dem 3DS das zwölfte Kapitel auf. Wir haben die deutsche Version gespielt.

Ein Schritt zu weit…

…kann schon der letzte sein: Da trifft der verdammte Pfeil des Bogenschützen mit tödlicher Präzision meinen Pegasusritter – autsch! Er heißt übrigens Sumia, ist also eine Sie. Ihre volle Lebenskraft hilft ihr nicht gegen den tragischen Absturz. Denn die clevere künstliche Intelligenz hat genau die fliegende Einheit anvisiert, die gegen Pfeile extrem verwundbar ist. Dafür hat sie tatsächlich die eine Lücke auf dem gerasterten Schlachtfeld ausgenutzt, um auf zwei Felder heran zu kommen. Hätte ich doch nur ein Feld weniger weit gezogen! Hätte ich den Weg blockiert oder den Schützen früher attackiert!

Was nun? Einfach weiter? Schließlich hab ich ja noch mehr als ein Dutzend anderer Helden – vom schlagfertigen Chrom über Heilerin Lissa bis hin zu Ricken, den kleinen Magier. Nur

Man koordiniert seine Heldengruppe rundenweise auf einem Raster.
Man koordiniert seine stetig wachsende Heldengruppe rundenweise auf einem Raster. Wer clever ist, bildet schlagfertige Paare!
wer im klassischen Modus spielt, muss sich die Frage der Trauer stellen. Denn nur hier bedeutet der Tod einer Einheit auf dem Schlachtfeld auch einen permanenten Verlust. Genau so spiele ich Fire Emblem seit Jahren, genau so steigt die Spannung in jeder Auflösung eines Kampfes. Außerdem verliert man hier keine anonymen Soldaten, sondern Charaktere, die einem auf dem Weg in diese Schlacht vielleicht ans Herz gewachsen sind und die später sehr nützlich sein können. Also starte ich das Gefecht neu, versuche taktisch effizienter vorzugehen. Manchmal mach ich das zwei, dreimal - wirklich selten viermal. Fünfmal wäre ja schon manisch perfektionistisch. Aber will man diesen einen Gestaltwandler wirklich verlieren?

Rundentaktik im Gelände

Sobald es zu einem Gefecht kommt, zeigt die Kamera in einer mehrfach zoombaren, leicht schrägen Perspektive das ansehnliche Gelände, von Landschaften bis hin zu Dörfern oder Innenräumen. Dort bewegt man in seiner Runde alle Helden und wählt aus zig Waffen, Magie oder heilenden Gegenstände, bevor der Feind an der Reihe ist, der oftmals klar in der Überzahl ist – sieben gegen vierzehn heißt es dann; wie viele eigene Krieger man entsenden darf, wird vom Spiel festgelegt, so dass man recht schnell die Qual der Wahl hat. Und nur derjenige, der kämpft, gewinnt natürlich Erfahrung! Es geht meist darum, alle Gegner zu besiegen. Beim Bewegen sollte man neben der möglichst effizienten Waffe auch auf Boni durch den Untergrund und noch viel mehr auf jene durch die Nachbarschaft zu Verbündeten achten. Steht man neben

Entwicklerinfo: Intelligent System

Nintendos hauseigenes Studio zeichnet für einige prominente Reihen verantwortlich: Neben Fire Emblem dürften die meisten Taschentaktiker auch Advance Wars kennen. Auch die 3DS-Knobler Pullblox und Fallblox stammen aus Kyoto. Zu den jüngeren Spielen gehören Game & Wario sowie Mario Kart für Wii U. einem befreundeten Kämpfer, kann der einem diesen kleinen Tick mehr Verteidigung oder Trefferquote verleihen, der einem zum Ausweichen oder direkten Sieg verhilft.

Noch wichtiger ist allerdings, dass eingespielte Paare auf einem Fleck stehen: Man kann zwei Helden quasi im Duett kämpfen lassen, wobei einer als aktive und der andere als unterstützende Figur betrachtet wird – jederzeit wechselbar. Die Boni sind so noch stärker als bei der einfachen territorialen Nachbarschaft und es kann im (wahlweise hübsch in 3D animierten, aber seltsamerweise ohne Füße inszenierten) Kampf nicht nur dazu kommen, dass beide Charaktere abwechselnd zuschlagen und so mehrere Treffer landen, sondern auch, dass man feindliche Hiebe im Team blockt. Dann reitet der tapfere Ritter schützend vor seine arkane Begleiterin! Oder umgekehrt, denn in Fire Emblem sind auch einige toughe Ladys unterwegs.

Starke Paarbildungen

Zu Beginn kann man einen Charakter erstellen und einige Vorgaben treffen.
Zu Beginn kann man einen Charakter erstellen und einige Vorgaben treffen, was das Äußere angeht. Auf die Werte hat man kaum Einfluss.
Zu Beginn ist es etwas gewöhnungsbedürftig, seine kleine Gruppe auch noch in Pärchen aufzuteilen – man ist doch schon in Unterzahl! Denn aus acht Helden werden ja quasi vier, was auch vier Attacken weniger bedeutet. Aber abseits der höheren Effizienz im Gefecht kann man sich so auch schneller fortbewegen: Wer den schwerfälligen Ritter Kellam mit seinen mickrigen vier Bewegungspunkten mit Pegasuslady Sumia verbindet, darf auch gleich sieben Felder weit mitfliegen. Und so lassen sich auch schwache Magier schützen, wenn man sie mit kräftigen Rittern verkuppelt. Der Feind kann immer nur die aktive Figur verletzen!

Und jetzt kommt der Kniff, der jeden Verlust eines Helden so schmerzhaft macht: Man kann Beziehungen in mehreren Stufen ausbauen, wobei jeder Schritt weitere Boni bringt. Je öfter man zwei Helden miteinander kämpfen lässt, desto höher ist die Chance, dass beide nach dem Kampf unterstützende Gespräche führen bzw. miteinander flirten können. Wenn sich mehrere bereit zeigen, darf man auswählen, wer mit wem quatscht. Bis hin zur Heirat kann das gehen: Auf dieser Ebene ist das Duett teilweise so effizient, dass es von gewöhnlichen Truppen fast nicht mehr getroffen wird - es entstehen regelrechte Powerpaare, die selbst Bosse mit einer Attacke vernichten. Ob das die Spielbalance auf lange Sicht negativ beeinflusst?

Kritische Begleiterscheinungen

Auf Wunsch werden die Kämpfe in dritter Dimension ausgetragen. Seltsam: Die Füße fehlen.
Auf Wunsch werden die Kämpfe in dritter Dimension ausgetragen. Seltsam: Die Füße fehlen - die Figuren wirken immer wie leicht im Boden versunken.
Was an Fire Emblem stört, sind die vielen Automatismen. Alle Helden, selbst der zu Beginn erstellte Charakter, der im Gefecht quasi als übergeordneter Taktiker agiert, steigern ihre Werte automatisch. Man hat beim Levelaufstieg keinen Einfluss auf die Erhöhung der Werte; lediglich über Tränke kann man Glück oder Magie permanent steigern. Erst auf der zehnten Stufe hat man die Möglichkeit über den Klassenwechsel in die Karriere einzugreifen - dann wird aus einem Kämpfer wie Vaike entweder ein Held (führt Axt und Schwert) oder ein Krieger (führt Axt und Bogen).

Man hat auch in den Gesprächen keine Wahl, sondern muss all den Smalltalk über sich ergehen lassen und kann nur dann Charaktere gezielt untereinander kommunizieren lassen, wenn ihre Icons blinken. Außerdem werden knallharte Taktiker bemängeln, dass unterstützende Schläge manchmal willkürlich erscheinen und dass das Gelände im Vergleich zur Beziehungspflege kaum eine Rolle spielt; Advance Wars ist rundentaktisch vielseitiger - dazu mehr im kommenden Test.

Mit der Zeit öffnet sich die Weltkarte, zeigt Orte mit Nebenquests, frische Händler sowie Herausforderungen.
Mit der Zeit öffnet sich die Weltkarte, zeigt Orte mit Nebenquests, frische Händler sowie Herausforderungen.
Aber wer sich einmal auf die Kampagne von Fire Emblem eingelassen hat, kommt trotz kleiner Defizite so schnell nicht davon los: Gefecht folgt Gefecht, Kapitel folgt Kapitel. Und das, obwohl man als erwachsener Fantasyfreund von kitschigen bis selten dämlichen Dialogen und Gut-Böse-Klischees nur so bombardiert wird. Dafür entschädigen wiederum die interessanten Wendungen und vor allem die stimmungsvollen Filme, die im erstklassigen Animestil inszeniert werden.  Und trotz der Automatismen greift recht schnell ein vielseitiges Charakter-Management, das einen Sog erzeugt, weil ständig jemand aufsteigt, neu hinzustößt, besser ausgerüstet oder in seiner Beziehung zu anderen Helden verstärkt werden kann. Hinzu kommt, dass sich die Spielwelt über die Karte immer weiter verzweigt, so dass man immer neue Händler und Nebenquests zur Verfügung hat.

Ausblick

Jeden Abend dasselbe Ritual: Ich verziehe ich mich für ein Stündchen (manchmal auch zwei, wirklich ganz selten drei) mit dem 3DS in einen einsamen Winkel. Dort spiele ich Fire Emblem. Mit einer Hingabe, die an Sturheit grenzt, ignoriere ich die kitschigen Dialoge und wiederhole mehrmals einzelne Gefechte, die für den großen Krieg innerhalb der liebevoll animierten Fantasywelt bedeutungslos sind. Warum? Ich will auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad möglichst ohne Verlust von Helden auskommen. Also brüte ich über jedem Zug wie bei einem Schachspiel. Mittlerweile bin ich netto bei etwas über acht Stunden in Kapitel 8 von 20 – brutto verrate ich nicht. Ich habe erst ein Paar meiner Heldengruppe über das Beziehungssystem verheiratet und zwei Kämpfer jenseits der zehnten Stufe spezialisiert. Und wer weiß, was noch kommt? Auf jeden Fall ein Test, bei dem ich auf zig bisher unerwähnte Aspekte dieser ebenso edlen wie tödlichen, manchmal etwas zu autoamtisierten Rundentaktik eingehe. Je nachdem wie es sich inhaltlich und erzählerisch entwickelt, könnte es das erste Fire Emblem werden, das unser Gold erobert.

Einschätzung: sehr gut

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