Test: Bionic Commando (Action-Adventure)

von Jörg Luibl



Bionic Commando
Entwickler:
Publisher: Capcom
Release:
22.05.2009
17.07.2009
22.05.2009
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ab 3,10€
Spielinfo Bilder Videos
Da sitzt man auf der Couch und lauscht. Es sind diese leisen Töne, die einen magisch anziehen. Wenn das Klavier behutsam, ja fast schon bedächtig im Hintergrund anklopft, will man zunächst nicht an ein rasantes Actionspiel denken. Schon gar nicht an die moderne Wiedergeburt eines Arcade-Hits längst vergangener Zeiten. Erst als die Akkorde vom sanften Dur ins dominantere und gleichzeitig düstere Moll fließen, schleicht sich eine Ahnung von Bedrohung, aber auch eine heroische Entschlossenheit ins Ohr. Es kribbelt im Nacken. Und man will endlich spielen.

Wenn die Erde bebt


Ein Mann, ein Arm, viel Seil: Nathan Spencer schwingt sich durch eine bedrohte Welt.
Erst sieht man nur ein dunkles Wölkchen. Und es grummelt ein wenig unter den Füßen. Aber dann vibriert sie, dann bebt sie und schließlich erzittert die Erde, bevor sie mit einem satten Krachen aufreißt: Ein gigantischer Wurm aus Stahl bohrt sich in die Luft, um sich kurz zu rekeln und glühenden Auges einen Winzling namens Nathan Spencer ins Visier zu nehmen. Der Mann ist wirklich klein. Aber er hat einen verdammt langen, 500 Millionen Dollar teuren Arm plus Stahlseil und Greifhaken - kann er damit auch Großartiges leisten? Jedenfalls Spektakuläreres als Tarzan und Anspruchvolleres als Spider-Man . Ein mechanisches Biest aus zigtausend Tonnen Stahl, dem ich Autowracks ins Gesicht schleudern kann? Das ist schon mal was.

Capcom steht seit jeher für gehobene Bosskampfkultur. Und auch in Bionic Commando trifft man auf Polygonriesen wie einen übergroßen Hubschrauber, eine wandelnde Metallplattform auf sechs Beinen oder diesen mächtigen Wurm -  unterm Strich allerdings zu selten. Natürlich gibt es andere, kleinere Highlights innerhalb des Abenteuers. Aber es ist schade, dass die schwedischen Entwickler nicht mehr Varianten dieses beeindruckenden, mehrere Stockwerke hohen Hightechmonsters auflaufen lassen, denn er sorgt für Spannung pur und ein packendes Arenagefühl. Wenn man sich einmal im Visier des Wurmauges befindet, muss man verdammt schnell sein, sonst wird man von seinem gleißenden Laser verbrannt. Und wenn er sich schüttelt, sendet er ein, zwei, drei oder gar vier Bodenwellen aus, die man am besten alle rechtzeitig überspringt. Timing heißt der Schlüssel, der nach etwa zehn knallharten Stunden das Tor zum Finale öffnet.

Die große Herausforderung

Bionic Commando kann sich sehen lassen: Vor allem der Übergang von der Trümmerstatdt in den Wald und die Parkanlagen sieht klasse aus.
Aber jedes Monster hat eine Schwachstelle. Und für jede Situation gibt es teilweise mehrere Lösungsmöglichkeiten; das ist eine große Stärke des Spiels. Zudem ist Nathan Spencer kein gewöhnlicher Mensch. Er ist ein Ex-Spezialagent mit bionischem Greifarm - selbst ganze Autos oder tonnenschwere Felsen lassen sich damit bewegen. Das sieht nicht nur richtig cool aus, sondern richtet auch jede Menge Schaden an. Nathan kann sein 20 Meter langes Stahlseil punktgenau auf Ziele schießen, diese einfach halten, um daran zu schwingen, oder Dinge wie einen Flugdrachen in die Luft heben, um sie als Geschosse über hunderte Meter zu schleudern. Gerade dieses "Kiten" ist unheimlich effektiv, wenn man es mit größeren Biomechs zu tun hat, die gegen normale Schusswaffen fast immun sind. Es gibt angenehm viel zu taktieren und zu experimentieren.

Trotzdem ist der Alltag des außergewöhnlichen Kämpfers, der nebenbei auch noch mit Projektilen, Schrot und Raketen schießen sowie Granaten werfen kann, kein leichter: An jeder Ecke lauert der Tod - mal ist es eine Übermacht, mal ist es Radioaktivität, mal ist es Wasser und sehr oft ist es ein Abgrund. Und nicht selten kommt der eigene Übermut hinzu, wenn irgendwo ein Bonusgegenstand über einer Schlucht baumelt. Nur erfahrene Zocker sollten sich an den zweiten der drei Schwierigkeitsgrade heran wagen. Oh ja, dieses Spiel ist knifflig, zumal die manchmal etwas weit zurück liegenden Speicherpunkte die Geduld strapazieren. Aber obwohl es zwischendurch immer mal wieder zum heiligen Fluchen und Gamepad-an-die-Wand-schmeißen animiert, bleibt es angenehm knifflig, weil es letztlich unheimlich befriedigt, wenn man in diesen Spielfluss aus Schwung, Sprung und Schuss kommt. Außerdem sieht diese futuristische Welt einfach klasse aus: Vor allem der Übergang von der diesigen, überaus engen Fels- in die offene Waldlandschaft ist ein atmosphärisches Highlight. Wenn man sich aus der dunklen Tiefe eines Canyons nach oben arbeitet und das erste Mal die Sonnenstrahlen sieht, die durch dieses üppige Grün jagen, kommt sofort Entdeckerlust auf. Und grafisch wird man immer wieder vom stimmungsvollen Lichteinfall überrascht. Zwar kommt die Kulisse hinsichtlich der Textur- und Partikeldetails bei Explosionen
Aber erst in schwungvoller Bewegung offenbart die Architektur mit ihren Schrägen und Vertikalen ihre Sogwirkung.
nicht an Resident Evil 5 , Killzone 2 & Co heran, aber dafür bietet sie einige herrliche Panoramablicke, sehr plastische Oberflächen an Felsen und Bäumen sowie eine klasse Beleuchtung. PlayStation 3 und Xbox 360 hinterlassen übrigens beide bis auf sporadische Pop-ups eine sehr gute Figur; Letztere profitiert lediglich von etwas satteren Farben und stellenweise etwas mehr Texturdetails  - aber das sind unterm Strich alles grafische Peanuts. Der optische Gesamteindruck ist auf beiden Systemen ein sehr guter; kommende Spiele wie Prototype oder inFamous müssen sich anstrengen.

Zumal Capcom das Ganze meisterhaft musikalisch inszeniert: Gerade die ruhigen Phasen des Spiels, in denen man nicht kämpfen muss, werden einzig und allein von Streichern begleitet, die im Gegensatz zu den treibenden Beats der Gefechte plötzlich mit ruhigen, fast schon wehmütigen Melodien für Entspannung sorgen; man schaut sich um und genießt - ich fühlte mich manchmal an das Thema von Arcanum erinnert. Schon das Hauptmenü fällt mit seinen Klavierklängen sofort angenehm auf, aber erst diese Momente verdeutlichen, wie wichtig ein dynamisch auf das Geschehen eingehender Soundtrack sein kann. Veteranen dürfen sich natürlich darüber freuen, dass das Thema des NES-Originals aus dem Jahr 1988 in leicht angepasster Komposition wieder ins Ohr fließt.                      
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Kommentare

lordfalcon schrieb am
Schönes Spiel, herrlich logisch und schön fordernd
Ich finde es persönlich sehr schade, dass diesem Game der große Verkaufserfolg vorgehalten geblieben ist.
Ich habe auch nie verstanden, weshalb das Spiel mit dem Kommerz-Killer "USK 18" versehen wurde - ich shee nirgends blut oder übertriebene Gewaltdarstellungen.
Für mich jedenfalls ist dieses Spiel eine erfrischende und mutige Alternative - ich finde es toll dass 4Players dies mit einer entsrpechenden Wertung würdigt!
Gamer Eddy schrieb am
kann man das game auch auf 1920x1080 zoggen ? also auf pc ?
KingDingeLing87 schrieb am
Kaufen werde ich es mir aufjedenfall, aber nocht nicht jetzt.
Ooipooi schrieb am
Ich hab' Anfang der Woche bei Steam zugeschlagen und mir das Bionic Commando Pack mit eben diesem Spiel und Bionic Commando Rearmed gekauft.
Ich zock' auch am PC aber lieber mit dem 360-Pad, damit komme bei diesem Spiel besser klar.
Großartig zielen muss man eh nicht, und die Schusswaffen benutze ich kaum. Das Kämpfen mit den diversen Moves des Arms macht sehr viel mehr Spaß :)
Ansonsten muss ich sagen dass der 4P-Test meine Meinung sehr gut wiederspiegelt: Tolle Musik, tolles Design, vor allem aber der Punkt mit dem befriedigenden Spielgefühl. Bei langen Schwungpassagen oder heftigen Gefechten gegen Gegnergruppen, Mechs oder Bosse hatte ich durchaus Kribbeln im Bauch und ein Grinsen im Gesicht. Das schafft heutzutage längst nicht jedes Spiel! ;)
Und es hat auch noch einen absolut angemessenen Schwierigkeitsgrad! Nicht so wie viele der "entschärften" Games von heute, die keine richtige Herausforderung bieten sondern "nur" Geschichten erzählen und Action liefern. Bei Bionic Commando kommt es ab und an sogar mal vor, dass man den Game Over Screen sieht! Das Frustpotenzial ist aber glücklicherweise ziemlich niedrig, Stellen die unschaffbar wären und an denen man sich ewig die Zähne ausbeißt gibt es zum Glück nicht.
Trotzdem glaube ich, dass der anspruchsvolle Schwierigkeitsgrad zu den Gründen gehört, warum sich der Spiel eher schlecht verkauft hat (nachdem was ich gehört habe).
Jeder Zocker der was auf sich hält sollte das Spiel testen und nach Möglichkeit unterstützen und kaufen. Ich hätte gerne eine Fortsetzung. :)
schrieb am

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