Gefangen im Kolosseum
Wie soll ich bloß aus diesem steinernen Kolosseum entkommen? Ich bin umgeben von steilen Felswänden. Aus ein paar hundert Metern dringen Lichtstrahlen durch ein Gitter von der Decke auf den Boden, bilden ein schachbrettartiges Muster im Staub. Aber ich erkenne keine Leiter, keinen Aufgang. Ich schaue mich in der Stille um. Alle Wächter sind tot, ihre Rüstungen liegen verstreut am Boden. Wie Golems erwachten sie plötzlich in ihren Nischen mit einem Glimmen in den Augen und verfolgten mich. Ob ich vielleicht wieder einen ihrer Helme einsetzen muss? Oder habe ich einen Hebel übersehen?
Es war schon längst abgeschrieben, wartende Fans wurden nur noch müde belächelt, aber am 7. Dezember ist es so weit: The Last Guardian erscheint exklusiv auf der PlayStation 4.
Immerhin bin ich nicht allein, sonst hätten ich keine Chance in diesen uralten, für Riesen in den Fels geschlagenen Fluren und Hallen. Diesmal ist man nicht wie in
Shadow of the Colossus der zu allem entschlossene Held mit dem Schwert, der ein Ungetüm nach dem anderen fällt. Oder der tapfere Beschützer eines Mädches wie in
ICO. Diesmal ist man einfach nur ein unbewaffneter Junge, der eine Bestie und darin einen Freund findet, wie ihn die Spielewelt nie zuvor gesehen hat.
An einer Mauer schnüffelt Trico. Er sieht aus wie ein Fabelwesen aus einem mittelalterlichen Bestiarium. Er erinnert an Hyäne, Katze und Vogel, hat zwei gestutzte Flügel auf dem Rücken und trägt ein Federkleid. Mein Streicheln hat ihn nach dem Kampf wieder beruhigt. Er scheint diese Steinwächter regelrecht zu hassen, zerfetzt sie voller Wut, ist danach immer so aufgewühlt, dass ich kaum an ihn herankomme. Er
Ein Jahrzehnt nachdem Shadow of the Colossus auf der PlayStation 2 weltweit begeisterte und auch unser Spiel des Jahres wurde, wird die Handschrift von Fumito Ueda nochmal sichtbar. Schon in ICO wurde seine spezielle Art von Spieldesign deutlich (
mehr dazu in diesem Special), das sich auf das Wesentliche beschränkt und in erster Linie das Visuelle erzählen lässt - daran knüpft er an.
ist Raubtier und Gefährte zugleich - selbst ich bin nicht vollkommen sicher. Irgendetwas in dieser Welt mit ihren seltsamen Symbolen und an Myst erinnerenden Apparaten kann ihn in eine Bestie verwandeln. Und vor allem vor diesen Buntglasaugen hat er so eine Angst, dass er sich fauchend zurückzieht.
Der Junge und das Monster
Wir sind eine ungleiche Schicksalsgemeinschaft, die ihre Fähigkeiten vereinen muss, um aus diesem Tal mit seinen labyrinthisch verwobenen Ruinen, Türmen und Burgen zu fliehen. Schon als ich Trico das erste Mal traf, war er furchterregend. Ich bin als kleiner Junge in einer Höhle erwacht, zunächst ohne Erinnerungen. Wie kam ich hierher? Warum war mein Körper voller Tätowierungen? Ich tapste auf Zehenspitzen umher, suchte nach Ausgängen, wollte nur in mein Dorf zurückkehren. Dann erwachte die von Speeren verwundete Bestie, ihre riesigen Augen fixierten mich und ich war froh, dass sie angekettet war. Dieser Respekt vor der Kreatur wurde umso größer, wenn sie wie ein Löwe brüllte.
Der Junge erwacht in einer Höhle mit der Bestie.
Eines war klar: Was da wie ein Berg aus Federn und Krallen in der Dunkelheit lauerte, war ein Menschen fressendes Fabelwesen namens Trico. Das erfuhr ich von der Stimme eines männlichen Erzählers, dem zum Mann gereiften Jungen, der sein eigenes Abenteuer rückblickend in einer indianisch klingenden Fantasiesprache mit deutschen Untertiteln kommentiert - so entsteht zwischendurch fast eine Art Lagerfeuerstimmung. Und diese Monologe sind zudem eine sehr elegante Methode, um dezente Hinweise sowie Hintergründe zur Spielwelt einzuflechten. Die Story bleibt bis zum Finale ähnlich mysteriös wie jene in ICO oder Shadow of the Colossus, aber gewinnt u.a. durch filmische Rückblicke klare Konturen, so dass viele Fragen beantwortet werden. Bis zum sehr guten Finale entsteht ein Bild von dieser archaischen Kultur.