Mittelalterliche Totschlagorgie
Ich bin ein sehr geduldiger Spieler. Deshalb habe ich meine Kampagne mit den "Rabenbrüdern" in den letzten Tagen stoisch immer neu geladen, wenn meine Söldner mal wieder totgeschlagen wurden. Ich konnte einfach nicht aufhören, noch einen Versuch zu starten. Es folgten jede Sitzung dutzende Gefechte, die ich bis tief in die Nacht wiederholt habe. Denn irgendwann, so sagte ich mir, erreicht man wie bei dem ähnlich gnadenlosen
Darkest Dungeon oder Rundentaktik à la
XCOM 2 trotz der personellen Verluste zumindest diese Ebene der stabilen Planung, die einen für das permanente Risiko mit neuen strategischen Möglichkeiten entschädigt. Eine Ebene, auf der der Tod des einen oder anderen Gefährten nicht gleich die ganze Kampagne killt.
In einer Siedlung kann man u.a. handeln, Gerüchte oder Aufträge aufschnappen.
Aber
Battle Brothers kann zu einer Totschlagorgie mutieren. Ohne die ruhige Basis eines Hauptquartiers reist man ähnlich wie in
The Banner Saga in ständiger Lebensgefahr durch das Land, während Vorräte und Männer schwinden. Auf Dauer vermisst man hier allerdings eine epische Story, spielerische Abwechslung und vor allem die Balance sowie nötige Entwicklung. Und ich spreche hier vom zweiten der vier Schwierigkeitsgrade, auf dem bereits der ewige Nachladeterror wüten kann. Nicht nur, weil vielleicht frühzeitig ein oder zwei wichtige Veteranen fallen, sondern auch, weil man zufällig keine wertige Beute oder lohnende Aufträge bekommt, die wiederum für die Bezahlung sowie den Unterhalt der Truppe zwingend notwendig sind. Wenn man Pech hat, wird eine Kampagne schon in den ersten Stunden auch zur finanziellen Sackgasse. Das Söldnerleben ist hier kein unsicheres, sondern ein nahezu selbstmörderisches.
Kein Tutorial, kein Deutsch
Auf die Plätze, fertig, tot: Schon kleine Fehler in der Positionierung oder Waffenwahl wirken sich gnadenlos aus. Auch Veteranen sterben auf einen Schlag.
Nicht falsch verstehen: Genau das gehört auch dazu, denn es geht hier nicht um heroische Fantasy mit der Prinzessin und dem Schatz am Ende. Der tägliche Kampf ums Überleben darf gerne inszeniert werden. Er ist auch gar nicht das Problem und ich mag gnadenlose Konzepte - aber man muss das Gefühl haben, dass man schrittweise an den Aufgaben wächst und dass sich daraus Perspektiven ergeben. Apropos: Die ersten Schritte werden einem nicht über ein Tutorial innerhalb der Kampagne beigebracht; man wird dafür aus dem Menü heraus auf Youtube geleitet, wo man sich drei Videos anschauen soll - das ist angesichts dieses kniffligen Spieles denkbar pump. Zumal es hier so viele wichtige Details gibt, die man einfach kennen muss, um überhaupt eine Chance zu haben, die ersten vier Stunden zu überleben.
Und warum verzichtet gerade ein Hamburger Studio auf deutsche Texte? Dass man das Englische favorisiert, ist ja aufgrund der internationalen Reichweite verständlich und voll in Ordnung. Aber angesichts des dünnen Drehbuchs, vieler teutonisch klingender Namen und Orte wie Dietmar, Arnulf, Krauchdorf oder Auenwacht sowie der heimischen Fans im Bereich der Rundentaktik hätte man doch ein patriotisches Wochenende in die Übersetzung investieren können. Ich mag dieses Spiel trotzdem...