Brettspiel-Test: Legend of the Five Rings (Sammelkartenspiel / Living Card Game)

von Jörg Luibl



Legend of the Five Rings (Brettspiel) von Asmodee / Heidelberger
Ehre, Ruhm & Schicksal
Spielinfo Bilder  
In den 90er Jahren sorgten Sammelkartenspiele im Zuge des bis heute anhaltenden Erfolges von Magic: The Gathering für Euphorie. Es folgten zig "Collectible Card Games" wie etwa Spellfire ab 1994 oder Legend of the Five Rings ab 1995. Während Ersteres mit seinem D&D-Hintergrund auch hierzulande populär war, kennt wohl kaum einer Letzteres mit seinem japanischen Szenario. Dabei konnte es einige Awards einheimsen, sich in Übersee lange Zeit auf Turnieren halten und 1997 auch als Pen&Paper-Rollenspiel überzeugen. Das soll sich dieses Jahr ändern, denn Asmodee veröffentlich den Klassiker erstmals auf Deutsch - im frischen Design sowie mit neuen Regeln als "Living Card Game". Wie spielt sich The Legend of the Five Rings?

Strategische Geduld

Wenn man sich in Legend of the Five Rings duelliert, sollte man es sich mit einem grünen Tee gemütlich machen. Und seinem Kontrahenten höflich im Sinne der sieben Tugenden der Bushi begegnen. Nicht nur weil der Titel vom gleichnamigen Buch „Gorin no Sho“ des legendären Samurai Miyamoto Musashi (1584 - 1645) stammt, sondern auch, weil man hier viel Zeit ebenso grübelnd wie ringend miteinander verbringen wird, bevor ein Sieger feststeht. Man kommt sich fast vor wie in einem Dojo für Strategen. Dabei fallen auch immer wieder Begriffe wie Ruhm, Ehre oder Aufrichtigkeit vor. Dieses Spiel nimmt seinen thematischen Kontext angenehm ernst - kein Wunder, dass 1997 auch ein sehr gutes Rollenspiel dazu veröffentlich wurde wurde.

Legend of the Five Rings ist komplett auf Deutsch bei Asmodee erschienen. Man spielt zu zweit gegeneinander. Die Grundbox kostet etwa 35 Euro.
Legend of the Five Rings ist komplett auf Deutsch bei Asmodee erschienen. Man spielt zu zweit gegeneinander. Die Grundbox kostet etwa 35 Euro.
Aber in dieser Neuauflage geht es nur um Kartentaktik. Es entsteht dabei jedoch kein schneller Schlagabtausch à la Magic: The Gathering oder gar Gwent, sondern ein strategischer Konflikt zwischen zwei Fürsten, der an die zwei Stunden dauern kann. Je nachdem, welchen der sieben Klans man anführt, ergeben sich etwas andere Möglichkeiten dank exklusiver Karten. Während z.B. die Kraniche eher diplomatische Stärken haben, setzen die Löwen auf militärische Schlagkraft. Hinzu kommen Krabbe, Drache, Phönix, Skorpion sowie Einhorn, die man mit der Grundbox ausprobieren kann.

Für alle gilt: Man kann einzelne Schlachten und sogar mehr Provinzen seines Reiches verlieren als der Gegner, aber trotzdem mit Geduld und Voraussicht den Krieg für sich entscheiden. Denn neben der Eroberung der feindlichen Festung kann auch der Gewinn oder Verlust von Ehre über den Sieg entscheiden - man hat also immer drei mögliche Ziele vor Augen. Es passt natürlich sehr gut zum Hintergrund dieses "Living Card Games", dass Ehre nicht nur ein Wort auf einer Karte, sondern tatsächlich ein wichtiger Teil des Spieldesigns ist: Man kann seine Samurai, Weisen und Gesandten ehren, damit sie stärker werden, und Feinde entehren, damit sie schwächer werden. Noch wichtiger ist die eigene Ehre in Form der roten Sechsecke, die wie ein Vorrat an Lebenspunkten vor einem ausliegen, der ständig in Bewegung ist: Man startet mit etwa einem Dutzend, verliert bei null und gewinnt bei 25.

Das Pokern um Ehre

Das dynamische Ehresystem ist angenehm vielschichtig mit Kampf, Ausrüstung sowie Zusatzaktionen verzahnt. Selbst das Aufbrauchen eines der beiden Nachziehstapel kostet fünf Ehre! Sprich:
Zwei Spieler wählen aus sieben Klans, um sich vor dem Hintergrund eines fiktiven japanischen Reiches zu duellieren.
Zwei Spieler wählen aus sieben Klans, um sich vor dem Hintergrund eines fiktiven japanischen Reiches zu duellieren. Man kann auf drei Arten gewinnen, wobei die Ehre sehr wichtig ist.
Zu viel Aktionismus kann einem letztlich schaden. Und genau das ist auch Teil eines kleinen Pokerspiels in der Nachziehphase. Hier bekommt nicht jeder pro Runde gleich viele Karten, sondern man stellt verdeckt auf einer Scheibe ein, ob man eine, zwei, drei, vier oder fünf ziehen will. Diese Konfliktkarten können einem natürlich in den nächsten Kämpfen enorm helfen, weil sie Waffen, Ereignisse etc. enthalten, mit denen man seine Helden stärken kann.

Das Interessante ist aber, dass der Höchstbietende die Differenz in Form von Ehre an seinen Gegner abgeben muss - hier kann sich also im Idealfall bei 1 zu 5 ergeben, dass man mit seiner Zurückhaltung vier Ehre gewinnt, während der andere mit seiner Gier vier verliert.

Aber es ist natürlich nicht so, dass diese Passivität der Königsweg ist! Auch Mut gehört bekanntlich zu den sieben Tugenden des Samurai und wird entsprechend belohnt: Man muss zur richtigen Zeit effektiv und mit aller Macht zuschlagen, um Provinzen zu erobern.

Allerdings reicht dafür nicht der einfache Sieg im Kampf, sondern es gilt abzüglich der Verteidiger den doppelten Wert der Provinzstärke zu erreichen, um das Land zu unterwerfen - dann wird es um 180 Grad gedreht, außerdem kann der Besiegte die Spezialfähigkeit des Landes nicht mehr nutzen. Erst wenn man drei von vier Provinzen unterworfen hat, darf man die Festung und damit die fünfte Provinz des feindlichen Klans attackieren, um das Spiel für sich zu entscheiden. Aber wie greift man überhaupt an? Auf zwei Arten und mit fünf Elementen, die jeweils andere Konsequenzen nach sich ziehen.

Kommentare

Jesses Maria schrieb am
@Der Herbert
Also erstmal finde ich es schon ein wenig...nunja, grenzwertig, vor einem Produkt zu warnen ohne (zumindest scheinbar) aus unmittelbarer Erfahrung zu sprechen sondern einfach nur zu mutmaßen.
Wo ich dir zustimmen kann ist das bei L5R einige Übersetzungen, meiner Meinung nach, etwas unglücklich gewählt wurden (z.B. Champion - Streiter, Bow - Beugen) hier hätten sich sicherlich elegantere Lösungen finen lassen bzw sollten bei professionellen Übersetzern selbstverständlich sein.
Mich stört es eher weniger da ich die englischen Begriffe vom TCG her gewöhnt bin und diese von daher automatisch übersetzte und benutze, trotzdem ein gerechtfertigter Kritikpunkt.
Von "unspielbar" kann jedoch nun wirklich nicht die Rede sein (gibt glaube ich 4 errattierte Karten) und ob jemand ohne TCG/LCG Erfahrung mit durchschnittlicher Englischkenntnis da so ganz einfach durchsteigt würde ich jetzt auch nicht als gegeben nehmen.
Edit: Soll jetzt niemanden davon abhalten sich die englische Version zuzulegen, zumindest in hinsicht auf (internationale) Tuniere würde ich es, der einfachheit für alle beteiligten halber, sogar in betracht ziehen.
Greetz
Der Ich
Der Herbert schrieb am
Ich kann nur jedem ambitionierten Spieler empfehlen die Finger von den deutschen Übersetzungen zu lassen. Letztlich steckt ja doch wieder die Truppe vom Heidelberger Spieleverlag dahinter und ich habe bisher keinen der größeren Titel ohne Übersetzungsfehler in den Händen gehalten.
Um beim Thema LCG zu bleiben. Warhammer Invasion war mein erster Titel in Deutsch und das "Targeting" war eine Katastrophe. Dann kam das Herr der Ringe - LCG, was wirklich so schlecht übersetzt war, dass ich es trotz zweier Grundboxen letztlich in eine Kiste gepackt und nie wieder hervorgeholt habe. Hierzu muss man nur mal den einschlägigen Foren bedienen, es war wirklich ein großer großer Witz!
Aufgrund meiner Erfahrungen rate ich somit wirklich dringlichst davon ab, das Spiel auf Deutsch zu erwerben. Englisch sollte in der heutigen Zeit ja eigentlich jeder können. Das einzige Spiel aus dem Hause, bei dem ich bewusst nochmal zu einer deutschen Version gegriffen habe, war Merchant of Venus, da hier eine Erweiterung eingearbeitet war. Ich hätte z.B. wirklich sehr gerne noch ein Fury of Dracula, aber bitte nicht auf Deutsch. Die englische Version ist mittlerweile extrem teuer, die deutsche Version will jedoch keiner haben. Grund, sie wimmelt nur so vor Grammatikfehlern (ok), aber es fehlen Textblöcke auf Karten und somit werden Funktionsweisen von Karten teilweise komplett verändert und dies nicht im Sinne der Designer. Wenn man nun bedenkt, dass dies in einem 50 Euro-Titel schon sehr ärgerlich ist, dann sollte man bedenken, dass ein Android Netrunner heute schon in der vollen Ausstattung bei über 1000 Euro liegt.
P.S.: Vielleicht ändert sich das nun ja mit dem Erwerb durch Asmodee, welche nebenbei bemerkt meist gute Lokalisierungen geliefert haben, die Spiele jedoch nicht an die Komplexität der FFG-Titel herangereicht haben. Wirklich guter Dinge bin ich jedoch nicht.
patmaro schrieb am
Anfang/Mitte 2000 das Erste und Einzige mal was von Legends of the five Rings mitbekommen. War auf der Spiel in Essen. Eigentlich ein Jammer, dass sich das im Freundes und Bekanntenkreis nicht etabliert hat.
Die freundlichen Mitarbeiter am Stand haben Eindruck hinterlassen. Nirgendwo sonst bekamen wir je ein Starter Set plus Promos und noch das Ausstellungsdeck, jedenfalls das, was wir Probegespielt haben.
Jesses Maria schrieb am
Wow, als mittlerweile (wieder) ambitionierterer L5R Spieler ein ganz großes Lob für den Test, kann ich persönlich in allen Punkten zustimmen!
Zu den (in der Tat recht hohen) Anschaffungskosten würde ich vielleicht noch hinzufügen das man mit 3 Starter Sets ZWEI volle* Decks bauen kann, also im Bedarfsfall am besten mit nem Kumpel zusammenlegen dann tut es nicht ganz so Weh im Portemonnaie ;-)
Die Erweiterungen halte ich, ausserhalb von Tunieren, erstmal nur für "nice to have".
Klar, wenn man gerne an seinem Deck rumbastelt und/oder seinen Clan mehr in eine bestimmte Richtung bringen will ist ein größerer Cardpool natürlich voraussetzung Nummer Eins, aber letztendlich bietet das (bzw die 3...) Grundspiel(e) mehr als genug taktische Möglichkeiten und Spielspaß für viele viele spannende Stunden in Rukogan.
Die Releasepolitik ist tatsächlich recht ärgerlich (logisch, Gewinnmaximierung und so...) auch wenn ich persönlich das Problem weniger bei den Clans (könnte man sich mit der Spielgruppe Teilen/Arrangieren) als viel mehr bei den Neutralen Karten sehe.
Dazu kann ich jedem wärmstens die Geschichte der Clans und der Spielwelt ans Herz legen (http://asmodee.de/l5r/) die teilweise auch durch die Spieler selbst (über offiziele Tuniere) mitgestalltet wird.
@ Jörg:
Was die fehlenden "Geister und Dämonen" betrifft bin ich guter Dinge das da noch (einiges) kommen wird, kann mir kaum vorstellen das DER Feind des Reiches einfach aussen vor gelassen wird.
Hat schon nen guten Grund das die ollen Krabben mit der Verteidigung ihrer Mauer beschäftigt sind ;-)
Dazu gabs in der Geschichte "Nach Süden" noch einen kleinen Spoiler auf einen anderen alten Bekannten aus dem TCG.
*Tunierlegal, voller Cardpool pro Clan + Neutral (3 Karten mit dem selben Namen) für beide Spieler (insofern nicht beide den gleichen "zweit Clan" ins Konfliktdeck splashen wollen)
Greetz
Der Ich
schrieb am