Magie ohne Allheilmittel
Nun gehört Geralts Geschichte (eine Romanreihe mit durchgehendem Namen gibt es ja nicht, nur eine der vielen Kurzgeschichten hatte Sapkowski „The Witcher“ genannt“) nicht zur eloquentesten Literatur, hat manche Längen und für mich auch Schwächen in der emotionalen Entwicklung des Protagonisten. Sie stellt aber eine Welt dar, die angenehm greifbar scheint – spielt etwa mit interessanten Parallelen zu realen Zuständen sowie historischen Ereignissen, ohne mahnend darauf hinzuweisen, nutzt Magie nicht als übermächtiges Allheilmittel und erweckt Charaktere zum Leben, deren Leid und Leben ebenso nachvollziehbar wie allgegenwärtig sind. Dazu zählt besonders Ciri, die ich mehr als fast alle anderen literarischen Figuren ins Herz geschlossen hatte. Umso gespannter, aber auch skeptischer war ich, ob die Serie meine Erwartung erfüllen würde.
Ein Collage aus Hochglanz-Schnipseln
Und tatsächlich fällt es ihr zunächst nicht leicht, diese vertraute Welt auf den Bildschirm zu bringen, denn sowohl erzählerisch als auch visuell wirkt gerade die erste Folge noch wie ein Fremdkörper in der Saga. Viele Charaktere agieren in Nahaufnahme vor unscharfen Hintergründen, während das Bild zwar in ausgewaschene Farben getaucht ist, gleichzeitig aber seltsam glatt wirkt – wie Schnipsel aus Hochglanz-Postern auf einer Collage.
Als leidenschaftlicher Spieler hatte Henry Cavill alles daran gesetzt Geralt zu spielen.
Dieser künstliche Eindruck wird durch Stimmen verstärkt, die so herausgelöst vor einem kaum hörbaren Hintergrund sprechen, dass man das Gefühl hat Menschen im Tonstudio zuzuhören. Und diese Akustik beißt sich mit der bodenständigen Welt, die Sapkowski beschreibt. Besser gefiele es mir, wenn Figuren akustisch und visuell stärker im Raum verankert wären, die Schauplätze dadurch Struktur und Charakter unabhängig vom unmittelbar Besprochenen bekämen. Das alles bezieht sich auf den englischen Ton, nicht die deutsche Lokalisierung.
Yens Bogen
Grandios ist hingegen vom ersten Ton an der Soundtrack! Dabei hätte er kaum besser sein können als die Mischung aus Folks- und Filmmusik in
The Witcher 3 – und so ist es vermutlich kein Wunder, dass die von Sonya Belousova und Giona Ostinelli geschriebene Untermalung ebenso frappierend wie wohltuend an das dritte Spiel erinnert. Sie ist der Grund, dass ich manche Abspänne mehrmals geschaut habe, in die Belousova und Ostinelli zusätzlich einen Hauch moderne Unterhaltungsmusik einbringen.
Und wie gesagt gilt das auch für Geralt selbst, dessen wortkarges Grunzen oft an die Spiele erinnert, die ihrerseits ja den Hexer schon sehr originalgetreu eingefangen haben. Dabei ist der Monsterjäger gar nicht der Star der ersten Staffel; für mich stiehlt ihm vielmehr die Zauberin Yennefer die Show, gespielt von Anya Chalotra. An Cavill liegt es nicht! Yennefers Geschichte schlägt einfach einen deutlich größeren Bogen als die aller anderen Hauptfiguren, weshalb Chalotra auch eine größere Bandbreite an Emotionen zur Verfügung steht, die sie auf beeindruckende Art widerspiegelt. Einige der stärksten Momente der ersten Staffel gehören ihrem getriebenen Alter Ego. Alleine ihr im Feuer glühender Blick der letzten Folge spricht Bände!