Einfach abhängen
Der Regen prasselt gegen die Scheiben, LoFi-HipHop säuselt aus den Boxen und meine Gäste umklammern ihre dampfenden Kaffeetassen. Coffee Talk ist ohne Frage das gemütlichste Spiel, das ich je gespielt habe. Schon nach wenigen Minuten sorgte das Szenario dafür, dass ich tiefenentspannt den Erzählungen meiner Kunden lauschte, als hätte jemand etwas THC in die Bohnen gemischt. Was ein tolles Kontrastprogramm zum ewigen Looten, Leveln und Kämpfen! Über ein Handy kann man Rezepte der verschiedenen Getränke nachschlagen, Informationen über seine Stammkunden einsehen und Lieder aus der umfangreichen Playlist auswählen. Diese wurde hervorragend von den Entwicklern zusammengestellt, so dass ich das Spiel manchmal nur anwerfe, um die Musik zusammen mit dem Regenschauer zu hören.
Feen, Orks & Vampire in Seattle
Im alternativen Seattle leben die unterschiedlichsten Wesen mit den Menschen zusammen.
Während ich einem Sukkubus einen Cappuccino inklusive selbstgezeichneter Latte Art servierte, berichtete ihr Elfen-Partner davon, dass seine Eltern gegen die Beziehung sind. Derweil bestellte eine müde Schriftstellerin ihren gewohnten dreifachen Espresso. In der alternativen Version von Seattle leben allerlei fantastische Rassen wie Orks, Katzenwesen, Vampire oder Werwölfe mit den Menschen zusammen. Doch so unterschiedlich sie auch sind, alle haben Probleme und lassen ihren Redebedarf bei mir aus: Das Katzen-Idol versuchte ihren Vater davon zu überzeugen, dass sie nicht zu jung für eine Musikkarriere ist, während der von Narben übersäte Werwolf sich von mir verzweifelt die richtige Mixtur für einen beruhigenden Ingwertee wünschte.
Neben dem Zuhören ist das die einzige Aufgabe im Spiel: Getränke mischen. Aus den Zutaten wie Milch, Kaffee, Matchapulver oder Honig darf man drei auswählen und durch die richtige Abfolge z.B. bestimmen, wie süß oder warm ein Getränk wird. Mit der Zeit kommen immer mehr Zutaten und Rezepte hinzu, so dass man auch einen Matcha Latte oder Ingwer-Zimt-Tee herstellen kann. Das Zubereiten ist jedoch relativ langweilig und man muss zu selten darüber nachdenken, welches das vom Gast geforderte Getränk sein könnte. Da war
The Red Strings Club mit seinem Mixen von Emotions-Cocktails anhand von Minispielen weitaus kreativer und man hatte eher das Gefühl, wirklich etwas beim Kunden auszulösen. Hier besteht das Feedback der Gäste meist aus einem einfachen "Lecker", oder "Das ist nicht das richtige Getränk".
Leichte Fantasiekost
Das Zubereiten der Getränke ist zu leicht und hat keine wirklichen Konsequenzen auf die Charaktere und ihre Gespräche.
Coffee Talk ist eine klassische Visual Novel, bei der man die Texte sogar automatisch ablaufen lassen kann, um sich das Klicken zu sparen. Immer wieder schneiten neue kuriose Fantasiewesen in den Laden, deren Geschichten teils lustig, teils berührend waren. Während die von Haruki Murakami und Neil Gaiman begeisterte Autorin über ihre Zukunft philosophierte, stolperte ein Alien im Astronauten-Anzug in den Laden, das mehr über die Menschheit erfahren wollte. Einige Wesen gaben zu verstehen, dass sie mit rassistischen Anfeindungen leben müssten und auch die Zeitung, deren Schlagzeile nach jedem erfolgreichen Arbeitstag erscheint, thematisierte die aktuellen Probleme eines alternativen Seattle. Die Gespräche plätschern genau wie der Regen und die gemütliche Musik überwiegend so vor sich hin, ohne wirklich etwas Spannendes zu erzählen. Wer Heißgetränke liebt und etwas entspannen will, wird aber wie ich solide von Coffee Talk unterhalten - irgendwas Neues oder Besonderes kann es allerdings nicht anbieten.