Test: Aviary Attorney (Adventure)

von Jörg Luibl



Aviary Attorney: Investigatives Vogel-Adventure
Vogelschmuckstück
Entwickler:
Publisher: Sketchy Logic
Release:
06.01.2016
30.01.2020
Erhältlich: Digital (Steam)
Erhältlich: Digital (Nintendo eShop)
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Gibt es Vogel- und Adventure-Liebhaber unter euch? Falls ihr zu dieser seltenen ludologischen Spezies gehört, wurdet ihr vor Jahren vielleicht auf Aviary Attorney aufmerksam, das auch aufgrund seines markanten Artdesigns sogar Gold erobern konnte. Ihr habt es auf dem PC verpasst? Kein Problem: Jetzt wurde das Detektiv-Abenteuer in einer "Definitive Edition" für 16,49 Euro auf Nintendo Switch veröffentlicht - inklusive leicht überarbeiteter Zeichnungen, einer angenehmeren Schrift für Legastheniker sowie Kunstgalerie und Jukebox.



Artdesign im Zeichenstil historischer Karikaturen

Ein Frosch liegt aufgeschlitzt im Garten, eine Katze sitzt unter Mordverdacht im Knast. Was geschah am 1. Januar 1848 auf dem Schloss von Baron Rorguil? Der Anwalt Jayjay Falcon und sein Assistent Sparrowson sollen die Lady mit den Schnurhaaren verteidigen. Aber bis zum Prozess haben die beiden Vögel nur drei Tage Zeit, um in Paris die Tatorte zu besuchen, Zeugen zu befragen und Hinweise zu sammeln. Aviary Attorney klingt nicht nur so wie Ace Attorney, sondern inszeniert ein Detektiv-Adventure wie man es vom forschen Junganwalt Phoenix Wright u.a. auf dem 3DS kennt - dabei ahmen die Briten auch einige Aspekte nach, wie etwa leicht animierte Gefühlsausbrüche oder die Struktur bis zum Prozess. Aber im Mittelpunkt stehen hier eher Story und Dialoge als spielmechanische Rätsel.

Und es gibt einen ganz großen Unterschied: Sketchy Logic Games nutzt keinen japanischen Animestil, sondern präsentiert Kulissen sowie Charaktere in der Tradition europäischer Zeitungen und Grafiken der Romantik. Die vermenschlichten Spatzen, Falken, Löwen, Schwäne oder Wöfe sehen so aus als wären sie gerade mit spitzer Feder gezeichnet worden - sehr realistisch, aber auch mit einem Augenzwinkern dargestellt. Dieser wunderschöne antropomorphe Stil wurde vom französischen Karikaturisten und Zeichner J. J. Grandville (1803 - 1847) inspiriert, der für seine markanten Mischwesen bekannt war. Das Spiel erschien 2016 in Episdoenform für den PC und wurde jetzt leicht überarbeitet und ergänzt für Switch veröffentlicht.

Spatz und Falke auf süffisanter Verbrecherjagd

Kann denn so eine Mieze ein Mörder sein? Falcon und sein kleiner Kollege Sparrowson sollen sie verteidigen.
 Kann denn so eine Mieze ein Mörder sein? Falcon und sein kleiner Kollege Sparrowson sollen sie verteidigen. An den dunkleren Hintergründen erkennt man die Switch-Version.
Realismus und Überzeichnung, Humor und Ironie werden nicht nur in den Charakterdarstellungen, sondern auch sehr schnell in der Geschichte des Detektiv-Abenteuers deutlich. Es ist einfach köstlich, die süffisanten Gespräche zwischen Falcon und Sparrowson auf ihren Recherchen zu verfolgen. Wer des Englischen mächtig ist, wird sich über den Wortwitz und auch die kulturellen Anspielungen freuen, bei denen nicht nur Amerika oder der Kapitalismus, sondern auch Facebook, CSI oder Twitter herhalten müssen. Ich habe mich selten so bei der Lektüre eines Spiels amüsiert - auf Nintendo Switch könnt ihr übrigens eine Kunstgalerie und eine Jukebox freischalten, aus dann Chopin & Co auf Knopfdruck erschallen.

Aber neben dem Schmunzeln kommt auch das investigative Grübeln nicht zu kurz: In vier Akten gilt es seine Mandanten zu verteidigen und dabei Verbrechen aufzuklären. Das läuft meist in zwei Phasen ab: Zunächst spricht man mit Zeugen in Dialogen, wobei man zwar oftmals alle möglichen Fragen durchgehen kann, aber auch mal die Wahl hat, ob man z.B. mehr Druck ausübt oder es auf sich beruhen lässt - wer nicht locker lässt, kann einen Gesprächspartner verscheuchen. Auf einer Karte des historischen Paris tauchen mit der Zeit immer mehr Orte auf, die man besuchen kann, um weitere Gegenstände von der Kamera bis zur Schokolade vielleicht im Louvre oder einer Taverne zu finden. Die Fundstücke kann man zwar nicht weiter untersuchen oder kombinieren, aber später in der Verhandlung sehr gut gebrauchen.

Erste die Recherche, dann das Kreuzverhör

Für Switch wurden die PC-Grafiken nochmal überarbeitet.
Für Switch wurden die PC-Grafiken etwas überarbeitet, außerdem wurde der Schrifttyp für Legastheniker angepasst.
Besonders knifflig ist diese Phase der Recherche nicht, aber man hat nicht alle Zeit der Welt, denn manche Orte verbrauchen einen ganzen Tag und die Uhr tickt. Irgendwann ist Verhandlungstag und man muss sich vor dem Richter samt seiner tierischen Jury beweisen, während der Staatsanwalt und Kommissar natürlich auf "schuldig" hinauswollen. Sobald sie ihre Aussagen zur Tat gemacht haben, darf man die Zeugen ins Kreuzverhör nehmen: Dann werden ihre Aussagen mit unterstrichenen Schlüsselworten als Text angezeigt, so dass man per Klick weiter nachhaken kann; die Touch-Funktionen der Switch werden übrigens nicht genutzt. Aber Vorsicht: Wer sinnlos insistiert und keine Indizien hat, der kann es sich mit der Jury verspielen.

Mit der zeit schaltet man weitere Orte in Parius frei.
Mit der Zeit schaltet man weitere Orte in Paris frei; auf der Switch übrigens auch eine Jukebox sowie eine Kunstgalerie.
Man kann also Sympathie verlieren oder gewinnen - je nachdem wie gut man sein Kreuzverhör führt. Und das wirkt sich dann auf das Urteil aus. Zwar ist es nicht sehr schwer vor Gericht zu bestehen, wenn man alle Indizien dabei hat, aber im Laufe der vier Kapitel steigt der Schwierigkeitsgrad zumindest sanft an. Außerdem gibt es auch mal strukturelle Überraschungen wie etwa eine abgebrochene Verhandlung, die Zeit zur weiteren Recherche bietet, oder erzählerische Wendungen, die die eigene Perspektive sowie die Moral von Sparrowson und Falcon gehörig ins Wanken bringen. Doch kaum hat sich der Falke nach einer Sauftour geschüttelt, kann es weiter gehen. Schön ist auch, dass die Fälle ab dem zweiten Akt auch in den politischen Kontext der Zeit eingebunden werden, in der die Revolution vor der Tür steht und selbst der König nicht mehr sicher ist. Last but not least muss man die Musikuntermalung ausdrücklich loben, die sich je nach Szene ändert und von Klavier über Violine bis Orgel nahezu alle instrumente abdeckt: Die klassischen Stücke wurden nicht neu komponiert, sondern stammen von Camille Saint-Saëns (1835-1921), der u.a. für seine musikalische Suite "Karneval der Tiere" bekannt ist

    Kommentare

    Jörg Luibl schrieb am
    Jup, ist ja ein reines Bilder-Adventure...
    master-2006 schrieb am
    4P|T@xtchef hat geschrieben: ?29.01.2020 16:57 Nope, nix in Sicht. Das läuft aber auch auf schwächeren Rechnern.;)
    Danke für die schnelle Antwort! Habe gerade bei Steam nach den System-Voraussetzungen geguckt, das schafft tatsächlich sogar meine Gurke :D
    Für alle anderen Interessierten:
    Minimum:
    Betriebssystem: Windows 7, 8, or 10
    Arbeitsspeicher: 2 GB RAM
    Speicherplatz: 500 MB verfügbarer Speicherplatz
    Empfohlen:
    Betriebssystem: Windows 7, 8, or 10
    Arbeitsspeicher: 3 GB RAM
    Speicherplatz: 500 MB verfügbarer Speicherplatz
    Jörg Luibl schrieb am
    Nope, nix in Sicht. Das läuft aber auch auf schwächeren Rechnern.;)
    master-2006 schrieb am
    Sieht richtig gut aus! Ist da zufälligerweise auch ein Release auf PS4/Xbox One geplant? Mit meinem Laptop ist da glaube ich sonst nicht viel zu wollen...
    Pixelex schrieb am
    Ich liebe das Spiel, freut mich für die Switch-Bunnies!! :D
    schrieb am