Vorschau: Phantom: Covert Ops (Action-Adventure)

von Jan Wöbbeking



Phantom: Covert Ops (Action-Adventure) von Oculus Studios
VR-Stealth trifft Feuchtgebiete
Entwickler:
Publisher: Oculus Studios
Release:
25.06.2020
25.06.2020
25.06.2020
Erhältlich: Digital
Erhältlich: Digital
Erhältlich: Digital
Spielinfo Bilder Videos
Nur eine Nacht, die Welt zu retten – und zwar im Kajak! Der von den Oculus Studios unterstützte Entwickler nDreams hat eines seiner erfolgreichsten VR-Experimente gegen Übelkeit in ein Schleichspiel verwandelt. Wenn man sich wortwörtlich mit den Armen voran rudert, trickst das Wackeln den Gleichgewichtssinn aus. Wir haben bereits das Ruder geschwungen und das Scharfschützengewehr gezückt.

Schnecken hassen diesen Trick

Da ich allgemein Probleme mit gleitenden Bewegungen in VR habe (all die schönen Weltraumspiele…) funktioniert nDreams Trick gegen die Simulation-Sickness bei mir nur bedingt. Beim ersten Anlauf mit der neuen Demo auf meiner Rift S musste ich noch relativ früh abbrechen, weil es mir flau im Magen wurde. Doch schon beim dritten Versuch hatte ich mein Gehirn genügend trainiert, um die widersprüchlichen Signale aus dem Gleichgewichtsorgan im Ohr zu ignorieren. Und schon war ich wieder Sam Schiffer persönlich! In einem Kajak - was sich zunächst natürlich seltsam anfühlt – aber irgendwie auch cool, ungewöhnlich und aufregend! Mein herrlich kitschig gehaltener Auftrag aus dem Pressetext bringt die Stimmung alter Actionfilme auf den Punkt: Ich bin ein Phantom, ein tödlicher Elite-Agent des Militärs, dem nur eine Nacht bleibt, um einen katastrophalen Krieg zu verhindern. Mit meinem taktischen Kajak werde ich in ein entlegenes Feuchtgebiet entsandt, wo ich mit topmodernen Waffen die feindliche Bedrohung neutralisieren muss. Der Tod kommt über das Wasser!

Jetzt nur nicht aus dem Schilf gleiten...
Jetzt nur nicht aus dem Schilf gleiten...
Konkret bin ich im verfallenen Marinestützpunkt „Voldat“ des kalten Krieges unterwegs, in einem ehemaligen Umschlagplatz für Chemiewaffen an der Schwarzmeerküste. Dort sorgen zwielichtige Gestalten für derart viel Zwielicht, dass sich russische und amerikanische Geheimdienste vor einem Aufstand fürchten. Es scheint so, als wäre der eigentlich eliminierte General Zhurov wieder auferstanden, um den Ausgang des kalten Krieges zu beeinflussen. Hier eine willkürliche Erschießung, dort eine Abfüllanlage einer chemischen Waffe, die ich mit möglichst wenig Aufsehen auskundschaften soll. Wie praktisch, dass ein früherer Luftangriff das Gebiet in ein Seenparadies voller gefüllter Kanäle verwandelt hat. So gelange ich bequem an alle wichtigen Anlagen, zu denen es oft alternative Abzweigungen gibt.

Schön übersichtlich

Das laut den Entwicklern rund sechs bis acht Stunden lange Stealth-Abenteuer spielt komplett im Kajak. Im Boot ist alles ordentlich um mich herum platziert. Ein Griff nach vorne hebt das Fernglas mit seinen diversen, grün glühenden Markierungs-Extras auf - ein Griff nach rechts das Scharfschützengewehr, das ich mir authentisch zweihändig ans Auge halte. An der Brust befindet sich das Halfter der Schalldämpferpistole, auf dem Rücken eine MP5. So sieht ein intuitives VR-Inventar aus, das übrigens verlässlich auf die Eingaben reagiert! Das wichtigste Utensil fehlt natürlich noch in der Aufzählung: Links klemmt das Paddel, mit dem sich der Spieler (ebenfalls intuitiv) voran rudert, sofern er die Bewegung von realen Bootstouren kennt. Je nach Winkel, mit dem ich es in die sich hübsch kräuselnde Oberflächen-Reflexion tauche, bewegt sich das Boot entsprechend voran. Von solchen Feinheiten abgesehen liegt die tendenziell schlichte Nachtkulisse aber weit hinter grafischen VR-Highlights wie Half-Life: Alyx. Das gilt auch für die eher einfach gestrickten Animationen der Wachen. Ein Grund fürs mediokre Gesamtbild dürfte sein, dass das Spiel neben der Rift-Plattform auch für Oculus Quest in Arbeit ist.

Finstere Machenschaften...
Finstere Machenschaften...
Eine kleine, aber sinnvolle Vereinfachung ist, dass ich mich doppelt so schnell drehe, sobald ich beim Rudern gleichzeitig einen Knopf drücke. Das wird vor allem dann nützlich, wenn wieder einmal ein Patrouillen-Boot mit Suchlichtern aufkreuzt. Dann rette ich mich auf den letzten Drücker in eine der zahlreichen Schilf-Deckungen – oder muss möglichst nah im Kielwasser eines einlaufenden Schiffs bleiben. All das sorgt im wahrsten Sinne für einen guten Flow: Wenn ich mich clever anstelle, muss ich mich gar nicht in Schießereien verwickeln lassen, um etwa ein paar Server lahmzulegen oder zu zerstören. Stattdessen mogle ich mich immer wieder durch kleine Seiteneingänge unter die auf Stelzen stehenden Plattformen und drehe die Sicherungen einfach händisch heraus. Ähnlich lassen sich auch Überwachungskameras kurzschließen, C4-Sprengsätze platzieren, Munitionskästen plündern und alberne Sammelobjekte wie ein Quietsche-Krokodil finden. Ab und zu entdecken meine per Funk zugeschalteten Auftraggeber zudem gesuchte Kriminelle, die ich als Nebenaufgabe auf dem kurzen Dienstweg liquidieren kann.

Probleme bei KI und Gadgets

Klingt in der Theorie fast alles prima, oder? Leider nicht wirklich: Als deutliches Problem hat sich wieder einmal die schwache KI der Wachen herausgestellt, die bislang nicht vernünftig auf die Gadgets zur Ablenkung und den Rest des Spieldesigns abgestimmt wurde. Die kleinen Krachmacher-Kugeln etwa lassen sich in den oft breiten Kanälen nicht weit genug und nur unpräzise werfen.

...in finsterer Kulisse.
...in finsterer Kulisse.
Das alternative Werfen von Magazinen brachte mich bislang ebenfalls nur in Schwierigkeiten: Die diensthabende Wache fand die Patronen bisher fast immer, was für Alarm in der Umgebung und eine Bestrafung in der Abschlusswertung sorgte – mit einer Entdeckung mehr auf der Liste. Auch die Wirksamkeit der Umgebungsmanipulation schwankt: Ein abgeschossener Feuerlöscher kann einen Gegner sinnvoll ablenken, bei einem ausgeschossenen Radio dagegen herrscht gleich wieder großes Tohuwabohu mit lokal geschlagenem Alarm. Etwas billig wirkt auch, dass die Schergen nach wie vor ähnliche Sätze herunterbrabbeln – teils sogar gleichzeitig. Waffeneinsatz wirkt sich meist ähnlich problematisch aus. Also ging ich irgendwann einfach dazu über, komplett pazifistisch vorzugehen und mich nur noch mit dem passenden Timing durchzumogeln (was übrigens zusätzlich belohnt wird). Wozu dann aber die Waffen und Gagdets? Bleibt zu hoffen, dass sie sich nach den zwei Demo-Missionen sinnvoller einsetzen lassen.
 

AUSBLICK



Tja, eigentlich bieten die düstere Stimmung und das sinnvoll umgesetzte Inventar bereits in den zwei Alpha-Missionen die passende Voraussetzung für spannende Infiltrationen mit dem Kajak. Die ungewöhnliche Fortbewegung sorgt allein schon für eine willkommene Abwechslung im Schleich-Genre. Das Level-Design mit einigen schlecht durchdachten Gadgets sowie den schwachen KI-Schergen könnte aber noch viel Feintuning vertragen, damit ein guter Spielfluss aufkommt. Bisher hatte ich nur Spaß am Spiel, wenn ich mich fast komplett lautlos und pazifistisch durch die Kanäle mogelte, um Schaltstationen und andere technische Anlagen zu manipulieren. Phantom: Covert Ops erscheint am 25. Juni für Oculus Rift und Quest (inklusive Cross-buy).

Einschätzung: befriedigend

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