Vom Chaos zur Idylle
Schon in den ersten Minuten wirkt die Präsentation eine ganze Ecke aufwändiger als im aktuellen
Harvest Moon: Eine Welt: Aus einer weitgehend festen Perspektive wiegen sich Bäume und Kirschblüten sanft im räumlichen Comic-Design. Leider trübt auch hier ein Dauerruckeln das Bild, zumal das Nachladen für lange Pausen, Bild-Hänger und sichtbaren Grafikaufbau sorgt. Trotzdem wirkt die etwas heruntergekommene Küstenstadt Olivingen schon bei der Ankunft um einiges liebevoller als Natsumes Welt.
Als Neuankömmling aus dem simplen Charakter-Editor macht man eben das, was man schon aus Dutzenden Vorgängern und Vorbildern kennt: Den überwucherten Hof mit Feldarbeit und Tierzucht auf Vordermann bringen. Dazu Baumaterial fürs verschlafene Städtchen liefern, damit auch dort neues Leben einkehrt, was wiederum Touristen anlockt. Alles also sehr austauschbar, aber dank der putzigen Präsentation und der Erfahrung des Teams wurde das weitgehend bekannte Thema immerhin relativ hübsch umgesetzt und dürfte daher auch einige Serienkenner mit Ermüdungserscheinungen anlocken.
Freiräumen und Zähmen
Wer nicht regelmäßig Bäume fällt, lässt seine Farm schnell wieder zuwuchern, sodass die Tiere hängen bleiben. In trockengelegten Teichen wartet übrigens mitunter ein Schatz.
Der Fokus aufs Freiräumen, Trockenlegen und die Reparatur des verfallenen Anwesens mit diversen erweiterbaren Ställen ist zunächst eine schöne Idee, zumal auch erste Nutztiere im Dickicht entdeckt und gezähmt werden. Auf Dauer strapazieren die schnell nachwachsenden Bäume und Steine aber schon mal die Nerven, da man sie immer wieder mühsam mit Axt und Hammer aus dem Weg schaffen muss. Die Nutztiere oder der Haushund haben ebenfalls ihre Probleme mit dem Wildwuchs: Mit ihrer schwachen Wegfindung bleiben sie schnell mal zwischen dem Gerümpel hängen und müssen sich dann erst einmal in die Freiheit bzw. den Stall teleportieren. Hier und da könnten die Eingaben allgemein ein wenig präziser umgesetzt werden, da man beim Ackern oder beim Aufbau von Zäunen nicht selten das falsche Quadrat anpeilt.
Wie gehabt lässt man in der vorindustriellen Bauernhofidylle morgens die Tiere aufs Feld, melkt und streichelt, sammelt gelegte Eier ein und ackert auf beliebig vielen umgegrabenen Feldquadraten. Das Saatgut aus dem benachbarten Lädchen wird je nach Fähigkeitsstufe auf mehrere Felder gleichzeitig geschleudert. Danach folgt das Gießen per Knopfdruck und ein paar Tage später die Ernte, die bequem per Versandbox verkauft wird. Die Konstruktion von Sprinklern erleichtert die irgendwann monoton werdende Routine. Um an die benötigten Erze zu gelangen, sind vorher aber etwas zu viele Ausflüge in diverse Minen nötig, wo das exzessive Hacken per Knopfdruck schnell ähnlich monoton wird.
Ratter, ratter!
Zeit für die Erdbeerernte zwischen wehenden Blütenblättern! Bei Regenwetter hat der Sprinkler dagegen Pause und auch das Vieh bleibt dann im Stall.
Außerdem wird mit Hilfe verschiedener Materialien ein ganzer Maschinenpark zur Veredelung aufgebaut: Robustes Holz wird ratternd zu Bauholz, Eier zu Mayonnaise, Gras zu Garn und dann zu Stoff. Letzterer lässt sich bei der Schneiderin mit Hilfe ausgepresster Farben in Kleidungsstücke verwandeln, darunter erstaunlich große Mützen.
Je nach Jahreszeit gedeihen nach ein paar Tagen unterschiedliche Feldfrüchte wie Rüben, Zwiebeln, Tee, Beeren, Blumen oder Reis – teils mit mehrfacher Ernte. Im Städchen oder dem Wald gibt es ebenfalls viel zu tun, etwa die Entdeckung wilder Früchte oder neuer Pflanzenarten, die Fotojagd auf Wildtiere oder das Abliefern diverser Erzeugnisse, um die Einwohner und den Bürgermeister glücklich zu machen. Großprojekte wie Straßen oder der Ausbau des Rathauses werden schließlich in schlichten, nicht vertonten Zwischensequenzen präsentiert. Dazwischen werden kleine Entscheidungen im Adventure-Stil eingestreut, die sich u.a. um das Ködern von Touristen und neuen Heiratskandidaten drehen. Apropos Köder: Mit speziellen Exemplaren an der Angel beißen auch die Fische besser an. Das entsprechende Angel-Minispiel mit dem nötigen Timing und zitternder Leine wurde gelungen umgesetzt; anderswo verlassen sich die Tätigkeiten aber zu oft auf fade Fleißarbeit und einfaches Knöpfchendrücken.