4Players: Aus meiner Perspektive war der Mehrspielermodus eine der enttäuschendsten Seiten an Rage. Das Herumgefahre war zwar nett und spaßig, aber ernsthaft: Da ist ein neuer Shooter von id Software und es gibt kein Deathmatch? Wie konnte das denn passieren?
Tim Willits: Jaaaa, dieser Entscheidung gingen harte Kämpfe voraus. Aber schlussendlich wollten wir einfach mal etwas komplett anderes machen. Es wäre natürlich viel einfacher gewesen, Deathmatch einzubauen. Zack, ist drin, die Leute werden garantiert Spaß damit haben. Aber das haben wir schon tausend Mal gemacht.
"Das Beste an Rage war, dass es der Welt gezeigt hat, dass wir keine Korridor-Shooter-Firma mehr sind." - Tim Willits
Die Ballerrennen in Rage waren etwas Neues und dadurch für uns auch eine Herausforderung. Es ist wichtig für uns, Grafiker, Designer, Programmierer, Musiker, immer etwas Neues auszuprobieren. Wenn wir uns immer nur auf das Bewährte verlassen, dann wird das zwangsläufig irgendwann langweilig. Und wir müssen auch Bethesda dafür dankbar sein: Sie haben von Anfang an an Rage geglaubt, obwohl es eine komplett neue Marke war, sie haben uns ermutigt, neue Wege zu gehen. Das war wichtig. Wir haben dadurch auch sehr viel gelernt, was uns, und damit hoffentlich auch den Spielern, in Zukunft nutzen wird.
4Players: Wenn das mal keine Rage-2-Ankündigung war.
Tim Willits: Hehehe. Nun, dazu werden wir etwas sagen, wenn der Zeitpunkt gekommen ist.
4Players: Aber zurück zum Thema: Es fühlte sich einfach merkwürdig an, einen neuen Shooter von id Software zu haben, und dann nicht mit der Kettensäge rumrennen zu dürfen.
Tim Willits: Das stimmt. Wir... hm, ja... stimmt, wir hatten tatsächlich keine Kettensäge in Rage.
4Players: Das war jetzt nur eine Parabel auf den fehlenden Deathmatch-Modus im Allgemeinen.
Tim Willits: Sagen wir es einfach mal so: Wir haben den Kram erfunden, wir dürfen uns auch mal eine Auszeit davon nehmen.
Grusel gefällig? Doom 3 ist auch in der BFG-Edition noch voller fieser Schreckmomente.
4Players: Das ist eine Sichtweise darauf. Eine andere würde sagen, dass du eine böse Person bist, die eine wichtige Tradition gebrochen hat.
Tim Willits: Quatsch, ich bin komplett harmlos. Aber apropos "böse Person": Hast du eine Ahnung, wie viele Hass-Mails ich allein im letzten Monat bekommen habe, seitdem wir verkündet haben, dass man die Taschenlampe dauerhaft benutzen kann? Es ist absurd!
"Wie könnt ihr es nur wagen? Sünde!" Ich habe ein paar dieser Mails an John weitergeleitet und ihn gefragt, ob er das glauben kann. Damals wurde uns die Hölle dafür heiß gemacht, dass wir die Benutzung von Waffe und Lampe getrennt haben - was u.a. an technischen Limitationen lag. Die gibt es jetzt nicht mehr, also machen wir das blöde Ding frei verfügbar. Und zack, schon gibt es wieder in die Fresse, vermutlich von den gleichen Leuten. Wie man’s macht...
Aber ich muss ja zugeben, dass es mir lieber ist, dass unsere Fans derartige Gefühle für unsere Spiele entwickeln, dass etwas so simples wie eine Taschenlampe bei ihnen für brodelnde Emotionen sorgt, als überhaupt keine Reaktionen zu erhalten. Leute wie du, denen die Kettensäge in Rage fehlt oder die ein IDKFA-Shirt tragen, sind verdammt wichtig für uns. Ich bin mittlerweile seit 18 Jahren bei id Software, die Industrie hat sich in dieser Zeit in vielerlei Hinsicht so überdeutlich verändert, sie ist erwachsen geworden, hat ihre Grenzen wieder und wieder erweitert. Und trotzdem gibt es noch so viel Leidenschaft. Das ist schön. Wenn auch gelegentlich natürlich nervend.
4Players: Was war für dich der wichtigste Sprung, den die Industrie in den letzten Jahren gemacht hat?
Tim Willits: Oha, das ist knifflig. Es gibt so viel: Mobile Gaming, Social Gaming, große Spiele, kleine Spiele, Free-2-Play-Spiele, die nicht wirklich Free-2-Play sind, Abo-Modelle und vieles mehr. Es gibt so viele neue Möglichkeiten sich auszutoben. Ich wünschte wirklich, wir hätten viel mehr Zeit und Geld, damit wir überall experimentieren könnten.
Die Taschenlampe sorgte damals wie heute für Kontroversen: Seinerzeit, weil sie nicht dauerhaft benutzt werden konnte, mittlerweile aus genau dem entgegen gesetzten Grund.
4Players: Klappt aber leider nicht, wie man ja auch bei euch vor Kurzem sehen konnte - als John Carmack verkündete, dass der Mobile-Bereich bei id Software vorläufig dicht gemacht wurde, um sich auf Doom 4 konzentrieren zu können.
Tim Willits: Das sollte ich vielleicht noch ein bisschen erläutern: In der Vergangenheit hatten wir immer Erfolg mit der Strategie, alle wichtigen Leute zur gleichen Zeit auf ein einzelnes Projekt zu fokussieren. Obgleich wir in den letzten Jahren als Firma gewachsen sind, versuchen wir trotzdem noch, diese Mentalität zu bewahren. Unsere Hierarchien sind flach, die Meinung jedes Einzelnen wird begrüßt. Das bringt aber natürlich mit sich, dass wir es uns gerade bei wirklich großen Projekten wie
Doom 4 einfach nicht leisten können, wichtige Köpfe anderweitig einzuspannen.
4Players: Was sehr schade ist, denn ich mag eure mobilen Spiele sehr. Wolfenstein und Doom (beide nicht im deutschen AppStore erhältlich; Anm. d. Red.) sehen zwar nicht mehr doll aus, spielen sich aber immer noch super. Ich hatte immer die geheime Hoffnung auf einen Quake-Port.
Tim Willits: Haben wir probiert. Die Steuerung war ein echtes Problem. Wolfenstein und Doom haben funktioniert, weil sie im Grunde 2D-Spiele waren. Quake dagegen bot echtes 3D, mit freier Rundumsicht, und das mit virtuellen Sticks zu kontrollieren war eine echte Pein.
4Players: Ich gebe die Hoffnung trotzdem nicht auf. Vielen Dank für das Interview!