Die verwaschene Meeresmetropole
Rapture! Wie formulierte es der Erbauer Andrew Ryan einst? "Es war nicht unmöglich, Rapture auf dem Meeresboden zu erbauen. Es war unmöglich, es an einem anderen Ort zu bauen." Der fiktive Visionär hat immer noch Recht: Die in kunstvolles
Art Deco gekleidete Stadt ist so einzigartig, dass sie selbst zwei Jahre nach ihrer Entdeckung noch den Großteil aller digitalen Schauplätze überragt. New York'sche Wolkenkratzer greifen über hohen Glaskuppeln nach der Meeresoberfläche, das Wasser des Ozeans verzerrt ihre Fassaden zu verträumten Märchenbildern. Doch was einst ein Sinnbild für menschliche Schöpferkraft war, ist längst zum Mahnmal für ihren Preis geworden: Wie verrottete Innereien brechen Kabel und Rohre aus den maroden Mauern hervor. Mit spielender Leichtigkeit erobert der Ozean durch zahllose Risse sein Revier zurück. Und die Menschen, die einst hehre Zielen hatten, sind längst zu Junkies mutiert - zu Abhängigen eines medizinischen Katalysators, der ihnen genetischen Fortschritt versprach.
Video: Schier endlose Wassermassen und kein Ausweg? |
Jetzt verstecken sie ihre verunstalteten Fratzen hinter Karnevalsmasken, wenn sie wie räudige Tiere ihr Adam jagen. Rapture ist eine traurige Ode an das Bezaubernde und die Bedrohung menschlichen Größenwahns.
So hatte es Ken Levine jedenfalls entworfen, als er BioShock als ungewöhnliche Paarung von Ego-Shooter und Rollenspiel vorstellte. Inzwischen arbeitet der Visionär an anderen Projekten. Inzwischen kümmern sich seine Nachfolger um die Metropole. Und die haben ihr einen fantastischen neuen Anstrich verliehen! Mehr noch als im Erstling zeigt die Fortsetzung den feuchten Schimmel, der die Mauern auffrisst. Mehr als damals wurde jede noch so kleine Ecke von Hand entworfen. Nicht nur in der Fiktion, sondern auch in Wirklichkeit waren Künstler am Werk, denen es über weite Strecken perfekt gelingt, Andrew Ryans Gigantonomie zwischen engen Mauern zu errichten. Inzwischen darf ich die schützenden Mauern sogar verlassen und über den sandigen Meeresgrund stampfen! Spielerisch bestanden diese kurzen Momente bislang allerdings aus reinem Sightseeing, und über weite Strecken erreichen die Designer auch keine technische Bestmarke. So eindrucksvoll die Kulissen auch wirken; viele verwaschene Oberflächen entsprechen im Jahr 2010 einfach nicht dem aktuellen Stand der Technik. Die Räume sind im Detail zwar aufwändiger gestaltet - der grafische Stillstand hat meine Begeisterung aber gedämpft.
Aller Anfang...
Ähnliches gilt für die Geschichte. "Rapture!" - als ich unter Andrew Ryans Worten zum ersten Mal die Silhouette seiner Stadt erblickte, war das einer jener Gänsehaut-Momente, die hängen bleiben. Und heute? Heute erwache ich mit übergestülpter Taucherglocke in einem stillgelegten Freibad, das ebenso gut eine Attraktion in Disneyland sein könnte. Schade: Wie sich schon beim ersten Anspielen vor drei Monaten zeigte, kommt der Nachfolger erzählerisch nur ausgesprochen schleppend in Gang. Dass ich diesmal nur aus den vom Publisher veröffentlichten Materialien genau weiß, wo, wer und wann ich bin, hätte einem BioShock nicht passieren dürfen. Stilistisch wahrt man zwar bewährte Tugenden und
Was haben wir gespielt?
Die Vorschau-Version umfasst fünf Abschnitte, von denen die ersten drei der Einführung dienen - in den weitläufigen Pauper's Drop und Siren Alley öffnet sich dann das Spiel. Wie viele Levels das fertige Spiel enthalten wird, konnte uns Publisher 2K Games noch nicht mitteilen.
Einen Ausblick auf die Mehrspieler-Gefechte findet ihr in unserer vergangenen Vorschau. |
vermittelt den Großteil der wichtigen Informationen über Tonbänder, die man entweder anhören oder wortlos wegstecken kann. Dennoch fühlte ich mich im Erstling bedeutend mehr wie ein Teil des "Uhrwerks" Rapture - diesmal komme ich mir vor wie ein fünftes Rad am Wagen. Hoffentlich werden Geschichte und Charaktere in der fertigen Version noch vertieft!
Für einen Trip wie BioShock könnte es zum gefährlichen Stolperstein werden, sollte die Erzählung ins Stottern kommen. Noch gefährlicher könnte es sein, wenn auch das Spiel lediglich seinen Vorvater imitiert. Genau das "versprach" nämlich der vor einem Vierteljahr präsentierte Abschnitt, Ryan Amusements: Dieselben Plasmide, dieselben Waffen, schmale Gänge - selbst visuell herrschte dort bestenfalls Stillstand. Und so sehr ich auch gehofft hatte: Der frühe, noch als Einleitung dienende, Level wurde beim zweiten Erkunden mit der ausführlichen Vorschau-Version nicht besser. Dass BioShock-Veteranen dort fast das gleiche Programm abspulen wie zu Beginn des Vorgängers macht es nur schlimmer. Tatsächlich ist Ryan Amusements die langweiligste Ecke, die ich in Rapture bislang entdeckt habe. Und das ist ein Riesenglück! Wie das sein kann? Ganz einfach: Das Spiel wird nach dem müßigen Einstieg bedeutend besser!