Alles neu für Rico
Omar Shakir, der Narrative Director von
Just Cause 3 und 4 brachte es schnell auf den Punkt: Mit dem jüngsten Teil hat der New Yorker Ableger der kürzlich von Nordisk Film übernommenen Avalanche Studios sein bislang ambitioniertestes Projekt in der Mache. Nicht nur, weil man in dem fiktiven südamerikanischen Land Solís versucht, viele erzählerisch offene Elemente rund um Rico Rodriguez, seine Familie und seine Freunde zu bündeln und zu einem packenden Ende zu führen. Sondern auch, weil man vieles renoviert oder komplett neu eingebaut hat: den Kampf, das Fahrzeugverhalten und vor allem das dynamische Wetter, das von der hauseigenen Apex Engine mit korrekten physikalischen Auswirkungen dargestellt werden soll. Und das alles nicht mehr in einer Insel-Welt wie in den bisherigen Teilen, sondern auf einer weitgehend durchgängigen Landmasse, die über die vier Biome Regenwald, Wüste, Gebirge sowie Grünland verfügt. Dass jede dieser Zonen mit spezifischen Wetterphänomenen wie Sandstürmen, Blizzards oder Tornados ausgestattet wurden, die auch spielerisch Einfluss nehmen sollen und eigene Missionsstränge haben, sorgt definitiv für Neugier.
Dass Avalanches Apex-Engine stimmungsvolle Panoramen sowie eindrucksvolle Explosionen abbilden kann, ist keine Überraschung.
Doch für mich viel wichtiger ist, ob man nicht nur die Kulisse aufgepeppt hat, sondern die Mankos des Vorgängers in Angriff genommen hat. Denn obwohl Just Cause 3 so gut aussah wie kein anderer Teil der Serie, hatte man den spielerischen Fokus verloren. Die Action war nach wie vor imposant sowie explosiv inszeniert. Doch sowohl bei der Geschichte als auch der Charakterzeichnung machte man einen bis mehrere Schritte zurück. Zudem verlief die Befreiung der einzelnen Gebiete beim Kampf gegen die extrem schwache KI stets zu gleichförmig, während die Nebenaktivitäten zwar spielerisch motiviert wurden, sich aber unter dem Strich nur als weitgehend belangloser Zeitvertreib oder Füllmaterial für Komplettierer etablieren konnten.
Doch nur Just Cause 3.5?
Da man spielmechanisch auf den Vorgänger aufbaut, dürften sich Veteranen schnell in die nahezu identische Steuerung einfinden. Der Wechsel von Fallschirm und Wingsuit sorgt zusammen mit der Greifhakenmechanik weiterhin dafür, dass man eine ansprechende Alternative für die Fortbewegung in dem riesigen Gebiet von Solís hat. Doch natürlich kann auch man auch das breite Spektrum an Fahrzeugen nutzen, das von Autos über Transporter und Motorräder bis hin zu militärischem Gerät wie Panzern, Kampfjets oder Helikoptern reicht. Klemmt man sich hinter das Steuer der Vehikel, stellt man fest, dass die Physik einen trägeren Eindruck hinterlässt als noch in Teil 3 – und das wirkt sich definitiv positiv aus. Das Gewicht der jeweiligen Fahrzeuge ist besser spürbar, so dass auch die unterschiedlichen Fahrmodelle bemerkbar sind und im Gegensatz zu Just Cause 3 das Geschwindigkeitsgefühl intensiver wirkt – vor allem, wenn man die Boliden bei einem Wechsel des Untergrunds nicht mehr so einfach unter Kontrolle halten kann.
Das Fahrverhalten wurde überarbeitet, präsentiert sich nun träger als in den Vorgängern und hinterlässt damit einen mechanisch besseren Eindruck.
In einem Punkt ist der mehrere Wochen alte Build, der auf dem Vorschau-Event zur Verfügung stand, allerdings nur unwesentlich weiter als der mittlerweile gut drei Jahre alte letzte Abenteuer-Urlaub von Rico Rodriguez: Der KI. Und da sind nicht einmal die weiterhin eher auf „Kanonenfutter“ eingestellten Gegner das Problem, da sie dies durch Masse wettmachen können. Es betrifft vielmehr die Kollegen, die mit einem unterwegs sind. Während sie hinsichtlich Verteidigung und Treffsicherheit durchaus eine Hilfe sind, sorgt ihre Wegfindung für Sorgenfalten. In Missionen, in denen man z.B. inhaftierte Rebellen befreien und sie zu einem Evakuierungspunkt begleiten muss, ist es ärgerlich, wenn sie auf halbem Weg irgendwo stehenbleiben, dadurch unter Beschuss geraten und dann nicht einmal eine Deckung aufsuchen. Das dadurch nötige Babysitting bremst die ansonsten angenehme Dynamik aus und ist definitiv ein Punkt, den Avalanche in den Griff kriegen muss – zumal man den Mitläufern auch keine Befehle geben kann. Noch gravierender ist es, wenn sie hinter dem Steuer eines Fahrzeugs sitzen und man das Vehikel wie z.B. einen LKW von der Ladefläche aus beschützen muss. Hier kann es nämlich passieren, dass sie nach einer Kollision massive Probleme haben, wieder auf die Straße oder die richtige Route zu finden, so dass sie einem mit Rumeiern die letzten Geduldsfäden abkauen, während man die verfolgenden Fahrzeuge eines nach dem anderen in gleißenden Explosionen aufgehen lässt. Zudem könnte die Zivilbevölkerung durchaus panischer reagieren, wenn ein Geschoss neben ihnen einschlägt oder ein Helikopter-Wrack beinahe auf ihnen landet.