Symphonic Fantasies15.09.2009, Michael Krosta
Symphonic Fantasies

Special:

Was waren das noch für Zeiten, als im Leipziger Gewandhaus die Games Convention mit einem orchestralen Spielemusikkonzert eröffnet wurde, bei dem nicht das laute Klang-Wirrwarr der Messe oder eine Pyrotechnik-Show das Geschehen dominierten, sondern die Soundtracks selbst im Mittelpunkt standen. Für die gamescom-Veranstalter wirkte das Konzept scheinbar zu uncool - hier wurden Künstler wie "Die Toten Hosen", "Ohrbooten" & Co verpflichtet, um der Spielemesse einen Festival-Charakter zu verleihen. Doch am vergangenen Wochenende schien wieder alles wie früher zu sein, als das WDR Rundfunkorchester in der Rhein-Metropole die "Symphonic Fantasies" anstimmte...

Im Zeichen von Square Enix

Schon mit dem Hülsbeck-Konzert "Symphonic Shades" hat sich das Orchester des WDR unter der Leitung von Grammy-Preisträger Arnold Roth erstmals der Spielemusik gewidmet und sich einen Namen gemacht: Das Konzert, das auch live im Radio übertragen wurde, erfreute sich einer durchweg positiven Resonanz und war ein großer Erfolg, der schließlich in der nachfolgenden CD-Veröffentlichung gekrönt wurde. In diesem Jahr konzentrierte man sich bei Symphonic Fantasies dagegen nicht einen bestimmten Komponisten, sondern veranstaltete weltweit erstmals ein Konzert, das der Musik von Spielen eines einzigen japanischen Herstellers gewidmet war: Square Enix. Gleichzeitig wurde zum ersten Mal ein Spielemusik-Konzert nicht nur weltweit über das Internet mit einem Audio-Stream, sondern auch einem Videobild live in die ganze Welt übertragen. Alleine die grandiosen Soundtracks der Final Fantasy-Serie, die nächstes Jahr in die vierzehnte Runde geht, dürften

Video: Mit dieser Fanfare, komponiert von Jonne Valtonen, wurde das Konzert eröffnet.schon mehrere Veranstaltungen beanspruchen. Um aber ein möglichst breites Spektrum abzubilden, entschieden sich die Organisatoren, für das Konzert vier große Suiten aufzuführen, wobei jede von ihnen eine bestimmten Square Enix-Spieleserie umfasste und damit quasi ein Medley verschiedener Stücke des jeweiligen Soundtracks darstellte.

Moderne Arrangements

Als Einstimmung wurde der Abend aber nicht von bekannten Melodien, sondern einer Fanfare ouverture eröffnet, die von Jonne Valtonen extra für Symphonic Fantasies komponiert wurde. Darüber hinaus zeichnete der Finne, der schon im vergangenen Jahr viele der Hülsbeck-Soundtracks für das Orchester umgeschrieben hatte, auch hier für die Arrangements verantwortlich und konnte dabei den Stücken auch eine individuelle Note verleihen, was besonders in der zweiten Suite zum Tragen kam, die sich der Musik aus Secret of Mana angenommen hatte. Dabei wurden mächtige Trommeln im Konzertsaal der Kölner Philharmonie verteilt, die für ein multidirektionales (Klang-)Getöse sorgten, bei denen selbst eine Surround-Anlage neidisch werden konnte. Zusammen mit der Lautmalerei des Chors sowie knisternden Notenblättern entstand so die perfekte Illusion eines Gewitters inklusive Regentropfen und Wind, mit denen die Melodien von Hiroki Kikuta atmosphärisch unterlegt wurden. Vor dieser eindrucksvollen Demonstration moderner Arrangements stand allerdings mit Ausschnitten aus "Dearly Beloved", "The Other Promise" oder "Hand in Hand" die nicht minder beeindruckende Musik aus Kingdom Hearts im Mittelpunkt, die von der Komponistin Yoko Shimomura stammt. Hier konnte auch der junge Konzertpianist

Das WDR Rundfunkorchester und der Chor haben sich perfekt ergänzt und sorgten für eine rundum gelungene Vorstellung.
Benyamin Nuss (*1989) in vielen romantischen Klavierpassagen sein Talent unter Beweis stellen und ließ seine Hände in unzähligen Läufen gefühlvoll über die Tasten gleiten.

Final Fantasy

Nach der etwa 20-minütigen Pause stand die dritte Suite im Zeichen von Chrono Trigger und Chrono Cross. Ursprünglich begonnen von Yasunori Mitsuda, musste ihm später aufgrund einer Krankheit Kult-Komponist Nobuo Uematsu unter die Arme greifen und den Soundtrack vollenden. Ein Genuss war hier die Einbindung von Rony Barrak, der seiner Darbouka - einer arabischen Handtrommel - wieder unglaubliche Klänge entlockte. Schon auf den Konzerten in Leipzig sowie bei Symphonic Fantasies konnte der Libanese mit seiner Aufführung begeistern und versank auch unabhängig von seinem Einsatz völlig in der Musik. Höhepunkt war jedoch die Final Fantasy-Suite, bei der schon das Prelude mit dem charakteristischen Harfenlauf und langsam einsetzenden Chor für Gänsehaut sorgte. Doch auch die folgenden Ausschnitte, die u.a. aus "Bombing Mission", "Battle at the Big Bridge" und "Phantom Forest" stammten, hatten es in sich und zeichneten sich erneut durch den enormen Abwechslungsreichtum aus, der dieses Konzert bestimmte. Auf leise, romantische Passagen folgte ein fließender Übergang zu bedrohlichen Klängen mit tiefen Bläsern oder pompösen Sequenzen mit Pauken und Trompeten. Selbst die mächtige Pfeifenorgel kam am Ende noch zum Einsatz und sorgte zusammen mit

Komponist Nobuo Uematsu war glücklich über die professionelle Darbietung seiner Werke.
dem Orchester für ein mitreißendes Finale, das vom Publikum mit tosendem Applaus, Standing Ovations und dem Ruf nach einer Zugabe gefeiert wurde. Dieser Wunsch wurde von den Musikern mit einem letzten Medley aus den Soundtracks aller vier Serien erfüllt, bei dem Rony Barrak außerdem ein unglaubliches Solo auf seiner Darbouka zum Besten gab.

Autogrammjäger

Nicht nur das bunt gemischte Publikum - vom Metal-Fan mit Metallica T-Shirt über junge Damen im schicken Abendkleid bis hin zu Hörern mit Schlips und Anzug war so ziemlich alles und in jedem Alter vertreten - zollten auch die extra aus Japan angereisten Komponisten dem Orchester, Dirigent Arnold Roth sowie Arrangeur Jonne Valtonen Respekt und Applaus, wobei vor allem der gut gelaunte Nobuo Uematsu das Bad in der jubelnden Menge sichtlich genoss. Vor der Aufführung konnten sich die Fans übrigens noch Autogramme ihrer Idole abholen, auch wenn man dafür eine lange Wartezeit auf sich nehmen musste.

Insgesamt war Symphonic Fantasies ein fantastisches Spielemusik-Konzert mit einem großartigen Orchester, Chor, Dirigenten, tollen Solisten sowie einer überzeugenden Akustik in der Kölner Philharmonie - nicht zu vergessen die traumhaft schönen Musikstücke aus den Square Enix-Spielen, die von Jonne Valtonen zu facettenreichen Suiten verwertet wurden. Einziger Wermutstropfen waren die lauten Lüftergeräusche der Scheinwerfer, die für die eher unspektakuläre Lichtshow im Saal montiert wurden. Saß man in ihrer Nähe, gingen leise Musikpassagen nahezu komplett unter und wurden von einem lauten Rauschen übertönt - ärgerlich. Bleibt trotzdem zu hoffen, dass der WDR und Organisator Thomas Böcker auch in Zukunft weitere Konzerte dieser Art in Deutschland aufführen und es wie bei Symphonic Shades erneut eine CD geben wird. Vielleicht erkennt man dann auch irgendwann bei der gamescom, dass man eine Videospielmesse mit einem solchen Abend sehr viel stilvoller und näher am Thema eröffnen kann als mit einem Rock- und Reggae-Festival. 

  

 
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