Special:
4Players: Die Beatles sind berüchtigt dafür, ihr Eigentum mit eisernem Griff zu verteidigen. Die knifflig war es für euch, diese prestigeträchtige Lizenz zu erhalten?
Alex Rigopulos: Es war natürlich kein Kinderspiel, und es hat sehr lange gedauert, mehr als ein Jahr, um zu einem Punkt zu gelangen, an dem sich alle Parteien in allen Belangen einig waren und man fortfahren konnte. Interessanterweise waren aber die wahren Herausforderungen keine, die im Business-Bereich lagen. Die Gespräche von Harmonix mit Apple Corps, also Sir Paul McCartney,
Ringo Starr, Yoko Ono-Lennon und Olivia Harrison drehten sich über weite Teile tatsächlich über den kreativen Teil der ganzen Geschichte. Die wahre Herausforderung lag also darin, eine gemeinsame Vision von dem zu bekommen, was das Spiel sein könnte und sein sollte. Alex Rigopulos, CEO von Harmonix Music Systems.
4Players: Waren die verbleibenden Beatles in irgendeiner Form am Spieldesign beteiligt?
Alex Rigopulos: Absolut! Genau genommen waren alle vier von Anfang bis zum Ende stark in die Entwicklung involviert. Sie hatten in jedem Bereich Mitspracherecht: Welche Songs im Spiel sein sollten, wie die Figuren und Dreamscapes aussehen sollten, wie sich das Spiel anfühlen sollte, in welcher Form die historischen Elemente implementiert sein sollten etc.
4Players: Gab es Spielelemente oder Songs, die ihr gern drin gehabt hättet, was aber aus dem einen oder anderen Grund nicht möglich war?
Alex Rigopulos: (denkt kurz nach) Nein, ich denke nicht. Dass wir so eng mit Apple Corps zusammenarbeiten durften, war tatsächlich ein Segen für uns - ich denke, dass das dafür gesorgt hat, dass wir am Ende genau das Spiel herausbekommen haben, das wir uns von Anfang an vorgestellt haben.
4Players: Das Spiel hat einen sehr einzigartigen Comicstil. War das von Anfang an so geplant oder hat es sich im Laufe des Designprozesses einfach dahin entwickelt?
Alex Rigopulos: Wir haben natürlich über viele Grafikstile diskutiert, und hatten am Anfang auch vor, auf Realismus zu gehen. Das Problem ist allerdings das des »Uncanny Valley«: Mit der gegenwärtigen Technologie ist Fotorealismus einfach nicht möglich, lediglich eine Annäherung. Das Resultat ist immer etwas das realistisch aussieht, aber eben nicht richtig realistisch - im schlimmsten Fall ist es künstlich und unangenehm. Das war für uns mit dieser Band also der völlig falsche Weg, ganz besonders, wenn man bedenkt, dass gerade die Beatles eine so visuell herausragende Band war! Also haben wir uns für diesen farbenfrohen Comic-Stil entschieden, der uns die Möglichkeit gab, Bühnen und Landschaften zu designen, die nicht nur frisch und einzigartig aussehen, sondern auch zu den einzelnen Songs passen.
4Players: Die Rock Band-Spiele gingen ja ebenfalls eher in eine Comic-Richtung. Habt ihr das neue Spiel darauf aufgebaut oder komplett neu entwickelt?
Alex Rigopulos: Es gab natürlich einige Elemente, die wir übernommen haben, aber grafisch gesehen haben wir das Spiel von Grund auf neu entwickelt.
4Players: Was eine ganze Weile gedauert hat. Was hat am meisten Zeit beansprucht: Das Lizenz-Hickhack oder die tatsächliche Spielentwicklung?
Alex Rigopulos: Es war eine Kombination aus vielen Faktoren, vor allem technischer Natur. Ich bringe mal ein Beispiel: Schon früh in den Verhandlungen mit Apple Corps war klar, dass wir uns nicht einfach ein paar Songs rauspicken können, sondern die gesamte Karriere der
Beatles wiedergeben müssten! Das Problem dabei war, dass die frühen Aufnahmen der Band in einer Zeit aufgenommen wurden, als es noch keine Mehrspur-Aufnahmetechnik gab. Sprich: Diese Songs bestehen aus einer einzigen Spur, auf der Schlagzeug, Gitarre und Bass aufgenommen sind! Für unser Spiel, für die Interaktivität und die verschiedenen Instrumente, benötigen wir aber Mehrspur-Aufnahmen, wo alle Instrumente separat abrufbar sind. Also hatten wir direkt zum Beginn der Entwicklung ein echtes Problem: Was machen wir mit den frühen Aufnahmen? Es gibt keine existierende Technologie, die mal auf Knopfdruck in einem Singletrack vereinigte Instrumente trennen kann. Zu dieser Zeit lernten wir über Apple Corps Giles Martin kennen, den Song von Sir George Martin (dem Producer und Soundingenieur der Band, der auch gerne mal der »fünfte Beatle« genannt wurde; Anm. d. Red.), der eng mit uns zusammenarbeitete. Er und Paul Hicks und weitere Abbey Road-Toningenieure haben es dann tatsächlich geschafft, maßgeschneiderte Audio-Filter für uns zu produzieren, mit denen wir die Singletracks tatsächlich soweit splitten konnten, dass wir damit arbeiten konnten. Diese Sache allein hat mehrere Monate gedauert, und zu dem Zeitpunkt konnten wir noch nicht mal mit der eigentlichen Entwicklung des Spiels beginnen. Der harmonische Gesang ist einer der wichtigsten neuen Features im Spiel.
4Players: Wäre es nicht weitaus einfacher gewesen, diese Songs einfach nochmal neu aufzunehmen?
Alex Rigopulos: Theoretisch ja, aber praktisch gehen uns dafür leider die Beatles aus, da Sir Paul und Ringo die letzten verbliebenen Mitglieder der Band sind. Und es stand für uns außer Frage, jemand anderes als die echten Beatles an die Songs zu lassen.
4Players: Ihr wolltet unbedingt die Original-Aufnahmen, ungeachtet der Qualität.
Alex Rigopulos: Ja, das war uns wirklich wichtig. Weißt du, die Fans kennen und lieben diese Musik schon so lange, es war für uns Ehrensache, uns an die Originale zu halten. You'll find the english version of this interview right here.
4Players: Ohne respektlos klingen zu wollen, aber die Beatles waren nie dafür bekannt, die technisch versierteste Band zu sein - die Songs sind einfach strukturiert, speziell die Passagen für Schlagzeug und Bass sind grundsätzlich sehr simpel aufgebaut. Ist so eine Band eine gute Wahl für ein Spiel wie Rock Band, in dem es doch in erster Linie um die musikalische Herausforderung geht?
Alex Rigopulos: Dazu zwei Punkte: Erstens denke ich, dass die Leute durch das Spielen schnell herausfinden werden, dass das durchaus eine Herausforderung vorhanden ist. Ich spiele die Drums bei Rock Band grundsätzlich auf Expert, und selbst ich war überrascht, wie schwer manche Passagen sind. Doch davon abgesehen haben wir für
Leute, die über die Instrumentenparts lachen, ein brandneues Feature: harmonischen Gesang. Ich denke, dass es für jeden Spieler eine Herausforderung ist, gleichzeitig ein Instrument zu spielen und harmonisch zu singen - das ist fieser, als man denken mag. Die »Dreamscapes« sind surreale, farbenfrohe Bühnen, die sich dem Text und dem Gefühl des gerade gespielten Liedes anpassen.
4Players: Schon, aber nicht richtig neu. Schon im ersten Rock Band konnte man gleichzeitig spielen und singen, das wurde sogar als Extra-Herausforderung in einem Ladebildschirm angeregt.
Alex Rigopulos: Dieses Mal stellen wir allerdings das gemeinsame, harmonische Singen in den Vordergrund, was sich komplett neu anfühlt.
4Players: Aber wie viele Leute werden das tatsächlich mitbekommen? Der typische Rock Band-Käufer, wenn es den gibt, hat ein komplettes Instrumentenset zuhause, wenn ihr Glück habt - also eine Gitarre, ein Mikrofon und ein Schlagzeug. Unter diesen Voraussetzungen wird es doch nicht viel harmonischen Gesang geben, oder?
Alex Rigopulos: Das stimmt wohl, aber zum einen betone ich gern, dass The Beatles: Rock Band nicht nur die neuen Instrumente, sondern ausnahmslos alle am Markt verfügbare Musikspiele-Hardware unterstützt - sei es von Rock Band, von Guitar Hero, von SingStar oder von Lips. Speziell auf dem europäischen Markt gibt es gefühlte zehn Millionen SingStar-Mikros in den Haushalten, die sich alle in unserem Spiel nutzen lassen.
4Players: Betrifft diese Kompatibilität alle Plattformen? Besonders PS3-Rocker werden oft außen vor gelassen, wenn es um die Nutzung spielefremder Instrumente geht.
Alex Rigopulos: Das ist alles vom Tisch, The Beatles unterstützt jede Hardware.
4Players: Abgesehen vom harmonischen Gesang: Was bringen die Beatles an neuen Spielelementen in die Rock Band-Spielewelt?
Alex Rigopulos: Nun, von einem musikalischen Standpunkt aus wäre da natürlich die Musik der Beatles. Immerhin sind sie durch uns zum ersten Mal in einem interaktiven Medium vertreten. In Sachen Spielprinzip ist die Harmonik in der Tat das wichtigste neue Feature. Außerdem haben wir mit dem Story-Modus eine Art Metagame geschaffen, denn wir nehmen den Spieler mit auf eine Reise durch die gesamte Karriere der Beatles - von den frühen Auftritten im Cavern Club bis zur Ed Sullivan Show. Danach geht es zur zweiten Hälfte ihrer Karriere, als die vier mit den Tourneen aufhörten und ihre Alben in der Abbey Road aufnahmen. Das war für uns eine einzigartige Chance, diese Periode grafisch besonders umzusetzen. Das Resultat sind die »Dreamscapes«, welche die Studio-Zeit repräsentieren: Du beginnst also in Studio 2, auf einmal verschwinden die Wände und du wirst in diese farbenprächtige, bizarre Landschaft versetzt, die sich den Texten und dem Songgefühl anpasst. All dies ist in eine Story gehüllt, die sich damit auseinander setzt, was im Leben der Band zu dieser Zeit vorging.
Je weiter man kommt, desto mehr Fotos und andere Erinnerungsstücke schaltet man frei. Wir sind durch die Bank große Beatles-Fans, für uns war es also ein besonderes Vergnügen, uns durch diesen reichhaltigen Fundus zu wühlen. Das ist übrigens auch der Grund dafür, dass sich dieses Spiel ausschließlich um die Beatles dreht - es kommen keine anderen Bands darin vor. Die Jungs haben mehr als 200 Songs veröffentlicht, sie hatten so ein aufregendes Leben, dass wir uns wirklich zu 100 Prozent auf die Beatles konzentrieren wollten. The Beatles: Rock Band bildet die gesamte Karriere der Fab Four ab.
4Players: Jetzt wo ihr damit fertig seid: Wie geht's nun weiter? Werdet ihr zukünftig vermehrt Band-spezifische Produkte machen oder können wir uns auf ein echtes Rock Band 3 freuen?
Alex Rigopulos: Oh, wir werden uns nicht nur auf Band-Spiele verlassen, obwohl die Wahrscheinlichkeit natürlich recht hoch ist, dass wir noch weitere machen werden. Die Liste der Bands, die für ein eigenständiges Spiel tatsächlich Sinn ergeben, ist recht überschaubar, aber mit der richtigen Gruppe machen wir das natürlich wieder gerne. Doch gleichzeitig machen wir natürlich mit Volldampf an Rock Band weiter, denn man darf nicht vergessen, dass gerade Rock Band 2 für uns der mit Abstand wichtigste Titel ist. Mittlerweile sind mehr als 800 Songs dafür erhältlich, jede Woche kommen neue dazu, mit zum Ende des Jahres werden es über 1.000 sein. Und dann ist da natürlich noch unser nächstes großes Ding, das Rock Band Network.
4Players: Die Plattform für eigene Musik, richtig?
Alex Rigopulos: Richtig. Wir veröffentlichen unsere Musik-Tools, mit denen jede Band, und damit meine ich von gigantischen Stationfüllern bis zu kleinen Garagen-Schrammlern wirklich alle, ihre Musik direct auf unserer Plattform veröffentlichen können. Ich bin sicher, dass das gigantischen Zulauf finden wird.
4Players: Das muss doch irre schwer zu kontrollieren sein.
Alex Rigopulos: Nun, tatsächlich wollen wir gar nicht so viel kontrollieren,im Gegenteil - wir wollen Harmonix als Flaschenhals da so weit wie möglich raushalten, so dass wirklich jede Art von Musik veröffentlicht werden kann. Aber natürlich wird es Qualitäts- und Inhaltskontrolle geben, wofür wir Microsofts Xbox Creators Club-Tools nutzen. So stellen wir sicher, dass keine Fehler in den Songs sind und natürlich auch keine anstößigen Inhalte verbreitet oder Copyrights Dritter verletzt werden. Und natürlich kann die Community jeden einzelnen Song bewerten.
4Players: Hast du eine Lieblingsband, die du gerne in deinen Spielen wiedersehen würdest?
Alex Rigopulos: Oooh, ich meine, ich kann da jetzt keine allzu spezifische Antwort geben (kichert), was an der vorhin erwähnten, recht kurzen Liste an potenziellen Bands liegt. Mit denen sind wir durch die Bank in Verhandlungen und haben hoffentlich in absehbarer Zukunft die Gelegenheit zur Zusammenarbeit. Allerdings kommen ein paar sehr große Namen in Kürze ins Rock Band-Land: Queen, The White Stripes, Iggy Pop, Nirvana - das sind nur ein paar davon.
4Players: Da wäre noch eine Frage, zu der ich von meiner Frau gezwungen wurde: Wird es jemals ein Rock Band: Bon Jovi geben?
Alex Rigopulos: Hehe, ich mag deine Frau. Songs von Bon Jovi sind absolute Party-Favoriten, sobald ein Track von denen loslegt, versammeln sich immer Leute um die Instrumente. Ich kann nur so viel sagen: Von Bon Jovi wird es noch mehr Material für Rock Band geben. In welcher Form das allerdings sein wird, bleibt noch abzuwarten.
4Players: Vielen Dank für das Interview!
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