Game Room25.03.2010, Paul Kautz
Game Room

Special:

Die Spielhalle für zuhause - das klingt nach etwas, das sich nur Multimillionäre leisten können, die den Platz sowie das Kleingeld für all die Automaten übrig haben. Alternativ wäre natürlich auch die eine oder andere Retro-Sammlung zu empfehlen. Aber ein Gamepad oder eine PSP können nicht das Gefühl ersetzen, in einer lärmenden Arkade mit den Sticks in der Hand zu verschmelzen. Das kann Microsofts Game Room auch nicht - aber er kommt dieser Vorstellung erstaunlich nahe.

Meins, alles meins!

Okay, der erste Eindruck des Game Room war nicht gerade der beste: Da steht der Ladebalken unverrückbar bei etwa 25%, und das schon seit einer Viertelstunde - das kann unmöglich so gedacht sein. War es auch nicht, ein garstiger Bug verhinderte direkt zum Start die Verbindung mit dem Spieleserver - was der Quintessenz

Willkommen in deiner Spielhalle: Game Room ist eine Art Arkaden-Sandkasten, den man gestalten und füllen kann, wie man möchte.
des Ganzen, nämlich dem Kaufen von Oldie-Automaten sowie dem Besuch der Arkaden meiner Xbox-Freunde, gehörig im Weg stand. Am frühen Nachmittag ging dann alles im Großen und Ganzen; auch wenn kleinere Fehler nach wie vor vorhanden sind (so werden bei anderen erspielte Highscores noch nicht korrekt angezeigt), so sind die Pforten des Game Room doch mittlerweile offiziell geöffnet. Kommt herein, es gibt Kekse!

Der Game Room ist nicht irgendeine virtuelle Spielhalle - er ist meine virtuelle Spielhalle. Drei Stockwerke hoch türmt sich mein Gebäude, in jedem Stockwerk warten vier Räume darauf, von jeweils acht Automaten gefüllt zu werden. Das macht summa summarum Platz für 96 potenzielle Groschengräber, die ich frei verteilen kann. Jeder Raum kann nach Belieben designt werden, ein Dutzend kostenloser »Themes« steht von Anfang an zur Verfügung: Atari-, Konami- oder Intellivision-Thema, ein Friedhof, eine 80er Disco oder einfach etwas Violettes sorgt für das Ambiente. So lange die Parkmöglichkeiten nicht mit Automaten besetzt sind, kann man sie auch mit einem Riesenhaufen Deko-Zeug zustellen. Die Auswahl reicht von Barhockern und Lavalampen über E-Gitarren, Mikrofonständern und übergroßen Lippen bis hin zu Münzhaufen, goldenen Statuen sowie einer Discokugel. Ein großer Teil der Themen und Einrichtungsgegenstände ist von Anfang an freigeschaltet, der Rest ist ab einem bestimmten Spieler-Level verfügbar, den man sich im Laufe der Zeit verdienen muss.

Der große Kistenkauf

So, die Räume sind schön eingerichtet und blinken erwartungsvoll, die ersten Avatare aus meiner Freundesliste tummeln sich auch schon darin - aber sie haben nichts zu tun! Ein Automat oder zwei müssen her: Direkt zum Start hat Microsoft zwei »Game Packs« veröffentlicht (74 bzw. 63 MB), wie, genau wie das Hauptprogramm (280 MB), kostenlos sind. Diese beinhalten Klassiker wie

Alle Automaten können einmalig kostenlos ausprobiert werden - danach muss man entweder für eine Einzelpartie zahlen oder gleich den ganzen Kasten kaufen.
Asteroids Deluxe, Centipede, Red Baron, Crystal Castles, Lunar Lander, Adventure oder Road Fighter. Geht man vom Hauptmenü aus in die »Showroom Arcade«, bekommt man einen Eindruck davon, wie sich die Entwickler das vorstellen: Alles glitzert und quietscht, es rappelt und knallt an allen Ecken und Enden, jeder Raum ist mit Automaten vollgestopft. Ich kann meinen Avatar von Raum zu Raum und von dort von Automat zu Automat schicken, um mir ein paar Infos über das jeweilige Spiel zu gönnen oder natürlich ein Probespiel zu genehmigen.

Pro Automat bekommt man ein Demospiel kostenlos, das allerdings maximal zehn Minuten dauert. Danach hat man drei Möglichkeiten, sein Geld los zu werden: Die erste kostet 40 MS-Points (entspricht 50 Cent) und ist das Pendant zum »mal ausprobieren« in der Spielhalle - man zockt eine Partie bis zum Game Over, danach schiebt man entweder eine weitere Münze ein oder geht seiner Wege. Wenn einem das Spiel so sehr zusagt, dass man den Automaten gerne in seinem eigenen Game Room hätte, macht das dann 240 Punkte (drei Euro) - nach dem Kauf wird man automatisch in die eigene Spielhalle geschubst, wo man den frisch erworbenen Automaten aufstellen und nach Belieben bedaddeln darf. Variante Drei nennt sich »Play Anywhere« und kostet gleich mal 400 Punkte (fünf Euro) - aber in dieser Version darf man die Kiste nicht nur auf der Xbox 360, sondern auch auf dem heimischen PC nutzen. Denn den Game Room gibt es nicht nur auf der 360, sondern eben auch unter Windows - die Funktionsweise ist auf beiden Plattformen identisch, nur muss man für das Vergnügen zahlen, wenn man alle Automaten überall nutzen möchte. Hat man einen Automaten gekauft, ist das Spielen daran selbstverständlich kostenlos. Und für den Fall, dass man an einem Spiel besonderen Gefallen gefunden hat und nach mehr sucht, haben die Entwickler eine »Das könnte dir ebenfalls gefallen«-Funktion eingebaut, die zumindest in meinem Fall eine erstaunlich hohe Trefferquote hatte - da geht sie hin, meine Monatsmiete...         

Da lacht der Avatar

Der wichtigste Grund in eine Spielhalle zu gehen, damals wie heute, hat im Normalfall drei Zeichen und befindet sich im Idealfall ganz oben auf der Liste - der Highscore mit den eigenen Initialen! Den gibt es im Game Room selbstverständlich auch, wobei er allerdings unterteilt ist. Es gibt zum einen lokale Highscores, die nicht nur

Am Anfang ist die Spielhalle noch sehr leer, aber mit entsprechendem Geld-Einsatz füllt sie sich sehr schnell: Dann stehen Automaten an jeder Ecke, befreundete Avatare laufen herum und probieren alles aus, Maskottchen schwirren durch die Gänge. Alles schön verspielt.
den eigenen Maßstab bilden, sondern auch eine Einladung an Freunde sind, mal vorbei zu schauen und einen selbst alt aussehen zu lassen. Zum anderen gibt es natürlich Online-Ranglisten für jedes Spiel. Was einem nicht nur vor Augen führt, wie schlecht man selbst tatsächlich ist, sondern auch noch den Vorteil hat, dass man sich das Replay jedes einzelnen Eintrags runterladen und damit den Profis bei der Arbeit zusehen kann - sehr praktisch, und vor allem sehr hilfreich!

Jedes Spiel lässt sich auf zwei Varianten spielen - im Ranked- und im Classic-Modus. Online-Ranglisten gibt es nur bei ersterer Variante, denn hier darf an den Spieleinstellungen nichts verändert werden. Das geht beim Zweiterem dagegen problemlos: Hier kann man nach Belieben an der Zahl der Leben, der Continues oder dem Abstand von Extraleben schrauben sowie, das ist mittlerweile scheinbar en vogue, nach einem Fehler frei die Zeit zurück spulen und eine knifflige Stelle neu versuchen. Außerdem ist nur hier gestattet, das Spiel im Betrieb zu speichern. Und nicht zuletzt haben die meisten Automaten auch einen lokalen Mehrspielermodus. Will man sich mit einem bestimmten Freund in einem speziellen Spiel messen, kann man ihm auch eine entsprechende Herausforderung schicken.

Jeder Automat beherbergt einen Batzen Herausforderungen, die entweder an Highscores oder die allgemeine Spieldauer gekoppelt sind. Schafft man diese, gibt es Bronze-, Silber- und Goldmedaillen, die wiederum Auswirkungen auf den Spielerrang haben - je höher der Rang, desto mehr Dekorationskram für den eigenen Game Room wird freigeschaltet (an die 1000 Gamerscore-Punkte sind die Ränge ebenfalls gekoppelt). Außerdem verdient man sich in Laufe der Zeit fröhlich verpixelte Tokens, mit denen man an noch nicht gekauften Automaten zusätzliche Probespiele bezahlen kann.

Da geht was!

Zum Start des Game Room hat Microsoft 30 Arcade-Spiele springen lassen, wobei ganz in der Tradition von Lips oder diversen Guitar Heros und Rock Bands ab sofort jede Woche neue Game Packs veröffentlicht werden sollen - laut Aussage von Major Nelson habe man bereits so viel Material in der Hinterhand, dass man weit bis ins Jahr 2011 hinein problemlos für Nachschub sorgen

Die einzelnen Räume können mit unterschiedlichen Themenpaketen verziert werden, außerdem darf man einen Haufen Dekorationskram darin verteilen.
kann. Mit Sicherheit wandern auch neue Einrichtungsgegenstände in das wöchentlich nachwachsende Portfolio, wobei in jeder Einführungswoche das zu jedem Spiel gehörige Maskottchen kostenlos sein soll: Das sind kleine 3D-Pixelfiguren, die wie befreundete Avatare durch den Game Room stromern und keine Funktion haben, außer nett auszusehen - normalerweise muss man dafür extra blechen; kauft man jedoch den Automaten, gibt's das Maskottchen (zumindest in der Startwoche) gratis dazu.

Die Präsentation ist die starke Seite des Game Room: Alle Spiele sehen exakt aus wie anno dunnemals, wobei allerdings keine verfälschenden Filter oder krumme Auflösungen ins Spiel kommen. Es wird halt nur ein kleiner Teil des Bildschirms als Spielfeld genutzt, der Rest der virtuellen Arkade tummelt sich weiter abgedunkelt im Hintergrund. Überall laufen Freundes-Avatare herum, die sich an den Automaten vergnügen, Maskottchen schwirren durchs Bild, alles glänzt und blinkt ansehnlich - und zu jedem Automaten gibt es ein paar historische Worte sowie Spielhinweise. Die Soundkulisse besteht in erster Linie aus dem wunderbar chippigen Titelthema sowie jeder Menge klackernder und jaulender Hintergrundgeräusche, die sich ganz Wahnsinnige sogar noch verstärken lassen können - ein entsprechender Punkt in den Soundoptionen sorgt für akustische Kriegsführung, die aber nach meinem Geschmack nicht ohne Grund standardmäßig deaktiviert ist. Die PC-Version ist im Großen und Ganzen absolut identisch zur 360-Variante (abgesehen davon, dass das Installationsfile knapp doppelt so groß ist) und funktioniert naheliegenderweise nur über Microsofts Games for Windows LIVE-Tool. Die Tastatursteuerung ist allerdings etwas unglücklich, ein 360-Pad wird mit Nachdruck empfohlen. Außerdem bleibt eine wichtige Frage offen: Wenn ich ohnehin mit meinem LIVE-Account eingeloggt bin, wieso kann ich dann nicht auch mit meinem persönlichen Avatar spielen? Es muss zum Start ein zufällig generierter ausgewählt werden - sehr merkwürdig!

Der Start war ernüchternd, aber nachdem endlich alles funktionierte, war ich hin und weg: Entwickler Krome Studios hat mich mit dem »Spielhalle zuhause«-Gefühl beeindruckt. Das Wandern durch die private Arkade, das Ausstaffieren der Räumlichkeiten, das Blättern im Automaten-Katalog - dieses schön verspielte Stöbern macht schon viel Spaß, obwohl ich noch nicht mal eine Maschine angefasst habe! Sobald es an den Kauf geht, kommt natürlich der Schotte durch: 240 Punkte für eine Oldie-Maschine mag auf den ersten Blick nicht nach viel klingen, aber wenn man, während die rosarot gefärbte Erinnerung den Verstand vernebelt, auf wilde Shopping-Tour geht, sind zehn, 20, 30 Euro ganz schnell weg - auf Dauer dürfte der Game Room ein teurer Spaß werden. Gegenwärtig wird der Kaufrausch in erster Linie dadurch gebremst, dass zwar einige Klassiker im Sortiment sind, aber die richtig fetten Arcade-Namen noch fehlen - ich denke dabei an Pac-Man, Arkanoid, Star Wars oder Missile Command. Nichtsdestotrotz finde ich den grundsätzlichen Ansatz der Plattform super: Es macht jetzt schon verdammt viel Spaß, einfach mal zwischendurch einen Uralt-Automaten anzuschmeißen und monochrom blitzende Polygone zum Teufel zu jagen - und das nach oben offene Potenzial für die Zukunft lässt sich noch nicht mal abschätzen. Für Retro-Fans ist der Game Room ein höchst empfehlenswerter Spaß, der mich sogar, und das schaffen zur Zeit nur wenige Spiele, vom Bad Company 2-Multiplayermodus ferngehalten hat.

       

 
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