Superbrothers: Sword & Sworcery07.04.2011, Benjamin Schmädig
Superbrothers: Sword & Sworcery

Special: Altmodisch und Ungeschliffen

Ein Independent-Musiker schreibt die Musik für ein Independent-Spiel - natürlich! Doch so einfach ist die Rechnung gar nicht. Denn Jim Guthrie schreibt keine Soundtracks zu Videospielen. Guthrie komponiert und textet sanfte Rockmusik. Er kann aber auch anders. In den vergangenen Jahren experimentierte er, wandte sich elektronischen Klängen zu und untermalte so u.a. einen Kurzfilm der Superbrothers. Danach wandte sich die Künstlergruppe den Videospielen zu - und nahm Guthrie mit sich.

Der Sound der 80er

Wer in Melodien versinkt, wie sie von Hülsbeck, Whittaker oder Hubbard geschrieben wurden, kennt die nostalgische Wehmut der schrägen Oktaven und knarzigen Beats. Viel interessanter ist aber, dass diese Klänge selbst heute interessant sind, weil sie einen

warmen Gegenpol zu den modernen, meist blitzsauberen Arrangierungen stellen. Nicht nur Portishead kehrten für ihr drittes Album zum unsauberen Klang alter Synthesizer zurück - auch Jim Guthrie entdeckt ein MIDI-Keyboard aus den 80er Jahren wieder.

"Ballad of the Space Babies" heißt der Titel, den er zum größten Teil auf einer alten Cassio-Klaviatur zusammenstellte . Ein undefinierter Ton wabert algorithmisch im Hintergrund, ein kurzes Sample singt sich immer wieder in den Vordergrund, gleichmäßige Klavieranschläge markieren den Takt - viel mehr braucht es nicht, um in den Nebel einer zauberhaft stillen Welt zu gleiten. Laut Guthrie war es dieses Stück, das nach vielen Experimenten endlich das Spieldesign für Sword & Sworcery definierte. Überhaupt war es übrigens Guthries Musik, die den Superbrothers als eine wichtige Quelle der Inspiration diente. Kein Wunder also, dass sich auf dem Album zahlreiche Stücke befinden, die der Komponist lange vorher geschrieben hatte.

Und die experimentelle Note merkt man seinem Werk an. Wer Sword & Sworcery laufen lässt, ohne hinzuhören, der verpasst die Musik. Denn ein bisschen ist der Soundtrack wie das Spiel: Wie die Suche nach dem großen Ganzen, nach der Lösung eines Rätsels. Was will dieser Song, der wie ein Lückenfüller in einem Gitarren-Riff festzuklemmen schein? Man muss aufmerksam dem Klavier folgen, das in "The Maelstrom" mit beinahe willkürlichen Akzenten eine Melodie erschafft, bevor es sich in einer einfachen synthetischen Klangfläche auflöst.

Hörproben & Verfügbarkeit

Der Soundtrack ist zwar auch bei iTunes verfügbar - bei Bandcamp darf man allerdings nicht nur das komplette Album in Ruhe probehören , sondern nach dem Kauf wahlweise als 320kbps-MP3, FLAC oder in einem anderen Format herunterladen. Dabei ist Sowrd & Sworcery mit weniger als sechs Euro auf Bandcamp umgerechnet mehr als zwei Euro günstiger als im deutschen iTunes Store.

Sammler können den Soundtrack übrigens für knapp 22 Euro als Schallplatte erwerben, auf der 14 Stücke enthalten sind. Die restlichen 13 erhalten sie als Download.

PC-Version: Die Songs findet ihr separat in diesem Ordner: Steam\steamapps\common\superbrothers sword & sworcery ep\soundtrack.

Wer hingegen dem unheimlichen Xylophon in "The Whirling Infinite" keine Beachtung schenkt, der verpasst das leise Klingeln des Telefons. Was passiert, wenn die Stimme am anderen Ende ungeordnete Zahlen aufsagt, bevor eine Explosion die unsägliche Spannung aufzuheben scheint?

Das Tor in eine neue Dimension

Guthrie errichtet plastische Bühnenbilder, die den Geist wandern lassen. Seine Musik ist ungemein vielsagend, ohne den Weg vorzuschreiben - jede Note spielt eine musikalische Geschichte, die im Kopf entsteht. Es beginnt mit dem magischen "Dark Flute", das nach langem Vorspiel endlich mit voller Band die Tore zu dem elektronischen Märchen aufstößt. Der vierte Titel, "The Prettiest Weed", führt den Rhythmus mit einer starken Hommage an längst vergessene Melodien fort. In "Doom Sock" knistern fremdartige Geräusche in einer Melodie zwischen "The Hole" und einem Carpenter-Film. In "The Cloud" weinen Flöte und Streicher hilflos zwischen den Takten.

"Unknown Geometry" bildet schließlich einen kraftvollen Höhepunkt: Es beginnt wie eine unscheinbare chemische Reaktion im Reagenzglas - als einsame Klangfläche, die bald von einem gleichmäßigen Tropfen getragen wird. Immer mehr Elemente ergänzen die vorsichtige Genesis, bis sie sich zur mächtigen Explosion aufbläht. Mag sein, dass hier mehr steht, als im Spiel steckt. Doch die Musik bietet eine so enorme Projektionsfläche - man muss Guthries Tor durchschreiten! Ob Absicht oder Zufall: Hin und wieder zitiert Guthrie dabei andere Künstler. Es ist keine bittere Pille - es fällt aber auf, wenn man mal Vangelis, mal Mansell, mal Glass heraushört. Auch fällt auf, dass die zahlreichen Bonustitel im zweiten Teil nicht ganz so intensiv beeindrucken wie die Stücke im ersten Abschnitt. Doch spätestens, wenn er mit den Rufen spielender Kinder und splitterndem Glas endet, bevor eine einsame Gitarre den wehmütigen Abschied anstimmt, ist der Klang des Gewöhnlichen längst verhallt.

 Worte und Bilder können nur beschreiben. Für die Emotionen - für die Arbeit, die hinter den Augen geschieht - dafür gibt es Musik. Musik wie sie Jim Guthrie für Sword & Sworcery geschrieben hat. Der Komponist und Songwriter erschafft mit altmodischen, bewusst ungeschliffenen Klängen intensive Kulissen, die den Weg in ein mysteriöses Märchen ebnen. Man muss diesen Soundtrack erst entdecken. Doch sobald man hinhört, entfaltet sich ein gewaltiges Universum prachtvoller Bilder. Nicht jedes Stück ist grandios - viele aber so einzigartig, dass man sie einzeln hervorheben müsste, um dem Gesamtwerk gerecht zu werden. Ein wenig wirken sie deshalb wie geschlossene Experimente, die nach drei oder fünf Minuten viel zu schnell vorüber sind. Ein wenig fehlt Sword & Sworcery der Rahmen, dem man folgen kann. Es scheint weniger Soundtrack als bunte Collage zu sein, was Guthrie hier skizziert. Allerdings: Wer so hervorragend skizzieren kann, darf sich diese kreative Freiheit erlauben!

Einschätzung: ausgezeichnet

 
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