Palm Pre26.04.2010, Paul Kautz
Palm Pre

Special:

Das iPhone (bzw. der iPod touch) ist allmächtig: Noch nicht mal drei Jahre im Handel, hat es die Art und Weise, wie kleine und große Spiele entwickelt und vertrieben werden, gehörig auf den Kopf gestellt und dominiert völlig den Markt für Handy-Spiele. Völlig? Nicht ganz: Es gibt immer wieder Vorstöße anderer Hersteller, Apple das Wasser abzugraben - einen Versuch davon, nämlich den Palm Pre, haben wir mal genauer unter die Lupe genommen.

Hoher Schubfaktor

Das Palm Pre ist sehr handlich und daher besonders für Telefonierer mit kleinen Händen geeignet - die dürften auch wenig Schwierigkeiten mit der winzigen Tastatur haben.
Palm geht's nicht gut, Palm geht's gar nicht gut. Einst waren die Geräte der Kalifornier wie der Palm Pilot unwegdenkbares Accessoire jedes Typen in einem Anzug, mittlerweile ist der Markt der Smartphones durch Blackberrys und das iPhone ein Minenfeld. Nichtsdestotrotz wird weiter an technischen Innovationen gearbeitet, was sich zuletzt im Palm Pre äußerte, der seit einiger Zeit auch bei uns erhältlich ist. Und spielen kann man darauf auch mehr als Snake und Pong, was das schnuffige Gerät natürlich auch für uns interessant macht.

Aber wenden wir uns erstmal dem Gerät selbst zu: Der ausgepackte Apparatus ist klein, schwarz und gewölbt wie ein flacher Stein, im zusammengeklappten Zustand passt der Pre in jede Handfläche - sehr schön. Um ihn aufzuklappen schiebt man die Oberseite mit dem Daumen nach oben, was aufgrund des beträchtlichen Widerstands einiges an Gewöhnung bedarf. Außerdem sitzt das Oberteil etwas wackelig auf der Basis; es gab schon einige Berichte von Geräten, die mit der Zeit einfach ausleierten. Außerdem ist die Oberkante des Unterteils im aufgeschobenen Zustand ungemütlich scharf, da hätte man ruhig die Feile ansetzen können. Das hat immerhin den Vorteil, dass man sich damit während des Telefonierens auch gleich rasieren kann.

Drauflosgetippt?

Nun wo das Telefon angeschaltet und aufgeklappt ist, ist es an der Zeit, einen genaueren Blick auf seine Daten zu werfen: Wie jedes moderne Mobiltelefon basiert auch das Pre auf einem Multitouch-Display, das zwar etwas kleiner als das des iPhones ist, aber über dieselbe Auflösung von 480x320 Bildpunkten verfügt, also insgesamt etwas schärfer ist - und dank TrueColor mehr Farben darstellen kann. Das Gerät verfügt über acht GB Speicher, von denen gut sieben verfügbar sind, sowie 256 MB RAM. Die CPU ist mit 600 MHz befeuert, wird aber standardmäßig nur mit 500 MHz betrieben. Es gibt einen Kopfhörerausgang sowie eine

Unter der unauffälligen Hülle verbirgt sich Grafikpower, die sich locker mit dem aktuellen iPhone messen kann - schnelle 3D-Spiele stellen für das Pre kein Problem dar.
3MP-Kamera, die wie bei Handycams üblich nur bei solider Beleuchtung etwas taugt. Bluetooth und WiFi-Unterstützung sind serienmäßig dabei, außerdem sorgt ein Bewegungssensor dafür, dass man nicht nur Bilder gekippt betrachten darf, sondern auch Spiele per Neigung kontrollieren kann.

Das auf Linux basierende Betriebssystem »Palm webOS« kommt erstmalig beim Pre zum Einsatz und verfügt über zwei Besonderheiten: Es kann Kontaktdaten aus fast jeder Quelle synchronisieren und beherrscht Multitasking - etwas, das beim iPhone erst ab dem 4er Update folgen soll. Als iFan war ich bislang der Meinung, an einem mobilen Gerät kein Multitasking zu brauchen, das darüber hinaus geht, dass ich im Hintergrund Musik hören kann, während ich primär etwas spiele, nachschlage, surfe oder Notizen mache. Und tatsächlich: Ich brauche es auch nicht. Aber cool ist es trotzdem! Laut Palm soll man bis zu 21 Applikationen gleichzeitig geöffnet haben können, bevor ein Performance-Verlust auftritt, in der Praxis war das bereits nach vieren spürbar soweit - zugegeben war eine davon das sehr systemhungrige Need for Speed Undercover. Um eine nicht mehr benötigte Applikation zu schließen, schnipst man sie einfach vom Bildschirm, was nicht nur effizient, sondern irgendwie auch befriedigend ist. Alles andere als befriedigend, zumindest für Menschen, die gerne Nahrung zu sich nehmen, ist das Tastatürchen, das enthüllt wird, wenn man das Oberteil nach oben schiebt: Wer auch immer über die virtuelle Tastatur das iPhone gemeckert hat, hat noch nie versucht, auf einem Palm Pre eine SMS zu schreiben. Die Tasten sind wirklich, wirklich mickrig klein und nicht nur für Leute mit dem Wurstfingersyndrom eine fiese Herausforderung!

      

Die Qual der Wahl

Zwar gibt es in Palms Online-Store genug spielerische Abwechslung, aber das Gesamtangebot lässt zu wünschen übrig - kein Vergleich zur schieren Menge von Apples AppStore. Gerade im Bereich der Indie-Games hat Palm keine Chance.
Das Palm Pre ist in erster Linie ein Business-Telefon: Man kann damit alles machen, was mit einem Handy möglich ist, Kontakte herumsynchronisieren, nativ doc- und pdf-Dateien ansehen, Musik hören (wobei zähes Rechteringen dafür sorgt, dass das Pre mal mit iTunes synchronisieren kann und mal nicht) sowie Videos schauen - wobei mehr Codecs als am iPhone unterstützt werden. Aber es ist auch ein Spielzeug, mit einem 3D-Kern, der sich vor dem iPhone nicht verstecken muss: Spiele wie Need for Speed Underground oder The Sims 3 sind beeindruckend detailliert, effektreich und flüssig. Allerdings existiert hier wie dort eine Einstiegshürde: Die Steuerung. Denn genau wie Apples Gerät kommt auch der Pre ohne Tasten aus, wenn man mal vom dem Keyboard-Methadon sowie dem Gesten-Knubbel unter dem Display absieht. Sprich: Alle Spiele werden über Berührungen oder Neigungen kontrolliert - wer das schon am iPhone nicht leiden konnte, wird auch am Pre kein Fan davon werden. Der Neigungssensor funktioniert zuverlässig und schnell, gerade bei Rennspielen wie NFS spürt man keine störende Verzögerung. Ton gibt's entweder über Kopfhörer oder den integrierten Lautsprecher, den man aber besser nicht allzu laut drehen sollte, da es sonst schnell scheppert.

Neue Anwendungen werden direkt über das Gerät (über die normale Leitung oder via WLAN) gekauft: Der integrierte App-Browser lädt ratzfatz, dann darf gesucht werden. Man kann zwar die Anwendungen und Spiele dezent filtern, aber richtig übersichtlich ist das Angebot nicht - wer auch immer über den AppStore meckert, wird hier erstmal tief Luft holen. Was schnell ersichtlich wird: Mit dem Angebot im Apfelladen kann Palm nicht mal ansatzweise mithalten. Zwar sind die üblichen Verdächtigen breitflächig abgedeckt (Twitter- und Facebook-Clients, Wetter, Radiosender, Reisen, Bücher, Lifestyle-Kram, Nachrichten, Aktien - es gibt sogar einen Emulator für ältere PalmOS-Software), aber in die Tiefe geht es kaum. Im Spielebereich hat Palm zwar die Unterstützung einiger BigPlayer wie EA, Ubisoft oder Gameloft, aber gerade der immens wichtige Markt der unabhängig entwickelten Spiele flackert hier auf Sparflamme, was nicht zuletzt auch an Palms restriktiver Entwicklungssoftware liegt. Ganz tot ist er nicht (es gibt u.a. eine voll funktionierende Version des id Software-Klassikers Quake), aber nur wenig aktiv. Exklusive Spieleentwicklungen für den Pre gibt es kaum, die erdrückende Mehrheit im Store beschränkt sich auf iPhone- oder sonstige Handy-Umsetzungen. Immerhin ist dabei für Abwechslung gesorgt: Es gibt Racer (wie Asphalt 5), Jump-n-Runs (wie Castle of Magic, Assassin's Creed: Altair's Chronicles oder Avatar), Shooter (wie Brothers in Arms), Knobelkram (wie Tetris oder UNO), Geschicklichkeitstests (wie Guitar Hero 5) oder sogar das sonst als beinharte Flugsimulation bekannte X-Plane. Kauft man ein Spiel (was zwischen einem und zehn Euro kostet, also vergleichbar mit dem Angeboten im AppStore), wird es runtergeladen und im Applikations-Ordner installiert, von wo aus es direkt benutzt werden darf.

Fazit:

Als Telefon wäre das Palm Pre nicht meine erste Wahl: Zwar mag ich die äußere Verarbeitung und die großartige Software (gerade das Multitasking ist hervorragend umgesetzt), aber die winzige Tastatur, die noch nicht mal von einem Wörterbuch begleitet wird, sowie die unpräzise Verarbeitung des Schiebeteils sind nix für mich. Technisch und aus Spielersicht allerdings ist das Pre ein mindestens kompetenter Herausforderer des übergroßen Apfels: Das Display ist super, die 3D-Fähigkeiten des kleinen Kastens sind beeindruckend - wenn man sich das Pre primär als Telefon und sekundär als Spielkiste holen will, fällt man mit Sicherheit keine schlechte Entscheidung. Umgekehrt jedoch hat Palms Handy das große Problem des geringen Software-Outputs: Die Games der großen Publisher sind spielerisch und technisch prima, aber die Auswahl im Online-Laden ist überschaubar - keine Chance gegen den AppStore, gerade im Bereich der Independent Software.     

 
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