Dragon Age 224.03.2011, Benjamin Schmädig
Dragon Age 2

Special: Fahrige Fantasy

Wer Soundtracks kennt, der kennt Inon Zur: Nach Baldur's Gate II schrieb der Komponist die Musik zu Spielen wie Crysis und namhaften Serien wie Prince of Persia oder Fallout. Rollenspiele scheinen dabei sein Markenzeichen zu sein, denn auch Champions of Norrath, Everquest 2, Lineage 2 und das erste Dragon Age wurden von seinen Melodien getragen. Kein Wunder also, dass Zur auch für Dragon Age 2 (ab 2,50€ bei kaufen) verantwortlich zeichnet. Verwunderlicher ist nur, wie er das tut!

Pop statt Klassik

Es ist ungewöhnlich, dass die stärksten Momente im Soundtrack eines erzählstarken Rollenspiels nicht durch ein eindrucksvolles Thema geprägt sind. Denn in Dragon Age 2 sind es zwei wehmütige Pop-Songs, die in Erinnerung bleiben. "Destiny of Love" und "Rogue Heart" heißen die Titel, mit denen sich Zur irgendwo zwischen Enya und Final Fantasy bewegt: Für "Rogue Heart" scheinen Gesang und Harfe ein großes Schicksal

anzukündigen, während in "Destiny of Love" ein langsames Schlagzeug und schwere Streicher von Abschied und Erinnerungen erzählen. Popmusik ist im Fall von Dragon Age 2 offenbar die Paradedisziplin des Komponisten - der Großteil seiner orchestralen Musik gehört jedenfalls zum Schlimmsten, womit ein großes Spiel zuletzt vertont wurde!

Selten klang orchestrale Musik so flach, so einfallslos und so emotionsarm wie dieser Soundtrack. Zur schafft es nicht, auch nur ein markantes Thema zu schreiben. Stattdessen klingen seine Melodien wie Aneinanderreihungen üblicher Versatzstücke. Ihr Wiedererkennungswert liegt bei Null. Eine echte Entwicklung der Themen findet weder innerhalb eines Titels noch über die Länge des Albums statt und anstatt in harmonischen Überleitungen miteinander zu verschmelzen, stolpern unterschiedliche Melodien immer wieder unbeholfen ineinander. Eins der zahlreichen Beispiele ist "Kirkwall Nights", in dem seltsam aus dem Takt fallende Bässe völlig unvermittelt den atmosphärischen Spannungsaufbau abbrechen. Spätere Übergänge klingen wie eine Schallplattennadel, die mitten im Stück eine Minute nach vorne springt.

Endlich vorbei!

"Fenris Theme" langt sogar schon in den ersten Sekunden daneben: Seltsam enthemmt lässt Zur eine Fidel so merkwürdig zittern, als wolle er ganz bewusst die ruhige Stimmungsmusik zerstören. Dabei gehört der ruhige Titel sonst zu den klangvollsten. Der Soundtrack ist nicht unhörbar - über weite Strecken aber ausgesprochen belanglos. Stellenweise erscheint er im Eiltempo zusammengewürfelt. Chor, Streicher und Bläser wirken geradezu verloren, wenn sie wie Stückwerk übereinander gelegt wurden.

Unbequeme Veröffentlichungspolitik

Auch wenn der Soundtrack auf iTunes knapp 4 Euro und auf Amazon nur 7 Euro kostet: Das so erhältliche Album ist gerade mal zwölf Stücke lang.

Nur der Signature Edition des Spiels liegt ein Download-Code für den vollständigen, 29 Titel langen Soundtrack bei.

In "Templars" ist es der männliche Bass, der ziellos seine Tonfolgen abspult, in "Enter Deep Roads" führt der Komponist auch die Sängerinnen in die Irre.

Es gelingt ihm kaum, die breiten Klangfarben eines Orchesters auszureizen. Meist begnügt er sich damit, dass eine Instrumentengruppe die Melodie spielt - gelungene Akzente sucht man über weite Strecken vergebens. Seiner Musik fehlt die Tiefe. Streicher, Bläser und selbst die Percussion klingen ungewöhnlich kraftlos. Ausgerechnet "Hero Combat" bemüht sich vergeblich, mitreißend zu sein. Die unauffälligen Trommeln wollen mit einem müden Rumpeln Spannung erzeugen, die Streicher schieben matte Bögen über schlaffe Saiten, irgendwo haucht ein Sopran und als die Bläser schließlich ideenlos eine kurze Tonleiter hinaufklettern, ist die lange Minute zum Glück vorüber.

Dass Versatzstücke wie große Lautstärke und langsame Violinen wenigstens die Grundbedürfnisse dieses Soundtracks befriedigen, muss man ihm schon zugute halten. Darüber hinaus versagt die Musik allerdings sowohl im emotionalen als auch im handwerklichen Bereich - einem großen Fantasy-Epos wird sie nicht einmal im Ansatz gerecht. Es ist erschreckend, wie ideenlos Videospiel-Veteran Inon Zur eine Handvoll gewöhnlicher Versatzstücke an- und übereinander reiht, ohne den geringsten Eindruck hinterlassen. Stellenweise wirken seine Kompositionen fahrig und fehl am Platz. In Anbetracht dessen muss man ihm zu den zwei hörbaren Pop-Stücken gratulieren. Dragon Age 2 ist ein Paradebeispiel dafür, wie ein moderner Soundtrack auf keinen Fall klingen darf!

Einschätzung: ausreichend

 
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