Gamedesign16.07.2010, Benjamin Schmädig
Gamedesign

Special:

Ihr seid ja schon lange aus dem Alter raus, in dem ihr auf die Frage nach eurem Berufswunsch ein Ausrufezeichen hinter »Feuerwehrmann«, »Fußballer« oder »Filmstar« gesetzt habt. Dass ihr auf die gleiche Frage mal mit »Klempner«, »Igel«, und »Master Chief« geantwortet habt, wisst ihr wahrscheinlich nicht einmal mehr. Aber was, wenn ihr - mit etwas bodenständigeren Vorstellungen - auch heute noch in die Spielebranche wollt? Wir schauen uns in Zukunft regelmäßig an deutschen Hochschulen, Universitäten sowie privaten Schulen um und zeigen euch die Wege zum Traumberuf.

Gamedesign?

Bemüht die weltgrößte Suchmaschine um den Begriff »Gamedesign« und ihr findet mehr Fragen als Antworten - eine Ausbildung im Bereich Video- und Computerspiele gehört noch längst nicht zum gut dokumentierten Repertoire des Arbeitsamtes. Kein Wunder: Im Gegensatz zu Nordamerika gibt es nur wenig etablierte Bildungsstätten und es fehlen einheitliche Richtlinien. In den kommenden Wochen und Monaten werden wir deshalb deutschlandweit Nachwuchsschmieden unter die Lupe nehmen.

So sehen die Master von morgen aus: Der erste Jahrgang einschließlich der Gastdozenten Sirko Rückmann (v.l.) und Christian von Duisburg (v.r.) beim Foto-Shooting.
Damit ihr euch ein Bild davon machen könnt, wo ihr was lernen könnt. Als Hamburger haben wir uns natürlich erst in der Umgebung umgesehen, genauer gesagt an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften , kurz: HAW. Im Masterstudiengang »Zeitabhängige Medien / Sound-Vision-Games« dreht sich dort alles um die Grundlagen der Spieleentwicklung.

Von PowerPoint aufs Papier

Draußen scheint die Sonne, aber hier wird gebüffelt: Ich sitze in einer Gruppe von zwölf Studenten, alle mit Laptop und Ideen bewaffnet. Denn heute herrscht kein Uni-Alltag, heute stellt das erste Semester des neuen Studiengangs die frühen Konzepte seiner Spielprojekte vor. Gunther Rehfeld, leitender Professor des Studienzweigs und Sirko Rückmann, Gastdozent im Fach Game- und Leveldesign, drücken ebenfalls die Bank, als die in Gruppen aufgeteilten Schüler ihre Projekte präsentieren. Man duzt sich - man sitzt ja nicht in BWL oder Philosophie. Was allerdings nicht darüber hinwegtäuscht, dass die jungen Entwickler noch einen weiten Weg vor sich haben. Denn obwohl sie am Ende der gerade mal anderthalbjährigen Studienzeit kein fertiges Spiel präsentieren müssen, sollen sie doch eine Version abliefern, in der die zentralen Spiel- und Designelemente klar erkennbar sind, einen so genannten Vertical Slice. Die große Abschlussarbeit, die Master Thesis, muss dabei auch in diesem Studium aus einer schriftlichen Ausarbeitung bestehen - die Erstellung des Prototyps könnte allerdings als Grundlage der Besprechung dienen.

Noch mehr zum Thema Studium erfahrt ihr in unserem ausführlichen Interview mit Julian Klücklick.

Vier Spielideen werden anhand von Stichpunkten, Referenzgrafiken, Zeichnungen oder einer frühen Version vorgestellt: darunter völlig unterschiedliche Genres wie ein Aquarium-Simulator und ein Echtzeitstrategiespiel. Die letzte Gruppe stellt ihren Actiontitel »Billy & Bob« auf ähnliche Art und Weise vor wie auch »The Deadline« an der Mediadesign Hochschule Design und Informatik in Berlin konzipiert wurde:

Die Stätte der Bildung: Mithilfe der gamecity:Hamburg entstand an der HAW der Studiengang Zeitabhängige Medien / Sound-Vision-Games.

Foto: HAW Hamburgindem sie einen kompletten Level in einem aus Papier erstellten Brettspiel nachspielt. Wenn die Studenten später nicht auf kostenlose Technik wie die Unreal-Engine zugreifen oder eine erste Fassung als WarCraft 3-Modifikation entwickeln, nutzen sie übrigens die von der HAW lizenzierte Unity Engine. Darauf basiert immerhin nicht nur die Konzeptstudie The Graveyard von den The Path -Machern Tale of Tales, sondern auch Tiger Woods PGA Tour Online  auf.

Deutsche Prominenz

Eine praxisnahe Ausbildung stand für Gunther Rehfeld an erster Stelle, als er das Lernfeld an der HAW aus der Taufe hob. Schließlich ist Gamedesign ein Handwerk, wenn auch mit künstlerischem Hintergrund. Ganz wichtig bei der Einrichtung des Studiengangs war auch die Nähe zur gamecity:Hamburg . Zur Erinnerung: Die gamecity gibt jungen Unternehmen der Spielebranche eine finanzielle Starthilfe - auch die Einführung von Zeitabhängige Medien / Sound - Vision - Games war nur mit Mitteln der Förderung möglich. So ziehen die Studenten neben der praxisorientierten Lehre noch einen anderen Vorteil aus dem Studium an der Elbe: Im Umfeld der gamecity knüpfen sie Kontakte zur Spieleindustrie. Zu diesem Zweck bietet Rehfeld seinen Studenten auch den Besuch der Game Developers Conference im Rahmen der gamescom an.                    

Nicht zuletzt ist es eine Reihe an Gastdozenten, die mit Erfahrung das notwendige Know-How vermittelt. Sirko Rückmann arbeitet z.B. als Gamedesigner für Ticking Bomb Games, Daedelics Carsten Fichtelmann lehrte im vergangenen Semester Game Production, Patrick Bandau von Bigpoint führte einen Workshop zu Concept Art und auch Christian von Duisburg, bis Anfang des Jahres Geschäftsführer beim Entwicklerstudio SnapDragon (The Kore Gang ), leitete ein Kolloquium.

Gunther Rehfeld war maßgeblich an der Entstehung des HAW-Studiengangs Gamedesign beteiligt.
Die kommenden Semester werden diese Tradition natürlich fortsetzen. Für dieses wünscht sich Rehfeld außerdem mehr Studenten - auch wenn die starke persönliche Betreuung in kleinen Seminaren natürlich ein großer Vorteil für die Teilnehmer ist.

Alle studieren alles

So bunt wie die Gäste, so vielfältig sind natürlich die Aufgaben, denn Gamedesign ist ein breiter Begriff. Kaum ein Studiengang dürfte inhaltlich so weit gefasst sein. Nordamerikanische Universitäten sind den deutschen dabei einen Schritt voraus: »Die Studiengänge dort sind viel differenzierter. Es gibt z.B. spezielle Masterangebote nur für Programmierung oder Sound. Und das schon seit 15 Jahren«, verdeutlicht Rehfeld die Unterschiede. Die Lehre zum Gamedesigner in Hamburg umfasst also zahlreiche Aspekte von der Programmierung über die Gestaltung bis hin zur Spielmechanik. Doch was genau studiert man dann?

Die kurze Antwort lautet: Alle lernen alles. Im Vordergrund steht natürlich immer die Frage: Wie entwickle ich aus einer Idee sinnvolle spielerische Mechanismen und wie füge ich Grafik, Sound, Code sowie alle weiteren Elemente innerhalb eines festen Zeitrahmens zu einem fertigen Spiel zusammen? Während die Studenten ihre Projekte vorstellen, fragen Rehfeld und Rückmann deshalb immer wieder, wie sie ihre Prioritäten verteilen und mit welchen Schwierigkeiten sie rechnen. Neben zu Kenntnissen auf den Gebieten der Konzeption, des Leveldesigns und der Spieletheorie vermittelt das Studium aber auch Hintergrundwissen, u.a. im Hinblick auf Community-Management oder in Bezug auf wirtschaftliche Fragen. Natürlich wird im Alltag nicht jedes Teilgebiet für jeden Lernenden von Interesse sein - das Studium will aber wichtige Kenntnisse zu allen Aspekten vermitteln. Es ist ein Grundlagen-Studium, das viele Türen in die Spieleindustrie öffnen kann. Zusätzlich bietet Zeitabhängige Medien / Sound - Vision - Games ein Wahlpflichtangebot, bei dem sich die Studierenden entsprechend ihrer Interessen für zwei von drei Fächern entscheiden: U.a. stehen hier Leveldesign oder Community-Mangement zur Wahl.

Dein eigener Chef

Der Masterstudiengang baut dabei auf vorhandenen Kenntnissen auf, denn unbedingte Voraussetzung ist ein abgeschlossener Bachelor- oder Diplomstudiengang in einem der Bereiche Medientechnik, Informatik, Media Systems/Medieninformatik

Was kostet das Studium zum Gamedesigner und wo erhaltet ihr weiterführende Informationen?

Die Summe aus Semester- und Studiengebühr beläuft sich im kommenden Semester auf ungefähr 640 Euro.

Die Studiendauer beträgt drei Semester.

Im Vordergrund steht die praxisnahe Ausbildung. Dazu gehört das Erstellen des Prototyps eines Spiels und das Knüpfen von Kontakten, vor allem über die gamecity:Hamburg.

Zugangsvoraussetzung ist ein Bachelor- oder Diplom-Abschluss in Medientechnik, Informatik, Media Systems/Medieninformatik oder Design/Kommunikationsdesign/Illustration. Für die Bewerbung muss außerdem eine Arbeitsprobe abgegeben werden

Wichtige Informationen findet ihr auch auf der Webseite der Fakultät Design, Medien und Information sowie im Forum der gamecity .oder Design/Kommunikationsdesign/Illustration. Jeder Bewerber muss zudem eine Probe seiner bisherigen Arbeit einreichen, ein Designdokument etwa, lauffähige Spiele oder Mods, Konzeptzeichnungen oder fertige Programmteile. Hat man Arbeitsproben und Studiennachweise erbracht, muss schließlich noch in einem persönlichen Gespräch geklärt werden, ob ein Anwärter die richtige Einstellung und die notwendigen Voraussetzungen mitbringt. Wer schon während des Abiturs mit dem Studium liebäugelt, muss seinen Studienweg also entsprechend vorausplanen.

Und was, wenn der Abschluss unterschrieben in der Tasche steckt? Auf welchem Gebiet wird jemand tätig, der nicht im klar abgegrenzten Bereich des Leveldesigners, Programmierers oder Grafikers arbeiten will? Neben den genannten Berufen führt Rehfeld dafür »leitende Personen in den Bereichen Design oder Konzeption« an. »Zudem ist das Berufsbild des Producers eines der angestrebten Ausbildungsziele.« Man muss sich dabei nicht schon vor dem Beginn des Masterstudiums festlegen. Eine genaue Vorstellung ist zwar hilfreich, die Spezialisierung kann aber noch während des Studiums erfolgen. Überrascht hat mich übrigens, dass den Studenten nicht unbedingt die vielleicht Prestige-versprechende Anstellung bei Activision, EA oder Ubisoft vorschwebt. Kein Wunder: Die Aussicht auf Fließbandarbeit im Schreibtisch-Kubus ist nur bedingt reizvoll. Die Entwickler von morgen sind vielmehr daran interessiert, wie sie ihre eigenen Ideen in einem kleinen oder gar in ihrem eigenen Team einbringen können. Auf dass aus diesen Ideen gute Spiele werden!   

 
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