Special: Kartentaktik & Risiko in Columbia
Die Dramaturgie der Ereignisse
Das Besondere an diesem Brettspiel ist die Symbiose aus territorialer Eroberung, Kartentaktik und einem Drehbuch mit Zufallsereignissen, das sich an Bioshock Infinite orientiert. Auch auf dem Tisch spürt man also die Story des Shooters, so dass Kenner nicht nur mit alten Bekannten wie Comstock, der Flucht aus dem Turm oder Elizabeths zerstörerischer Kraft einige Déjà-vus erleben, sondern auch mit der Zuspitzung der Ereignisse. Plaid Hat Games verbindet damit zwei Erlebnisse am Tisch: Das strategische Duell und das erzählerische Drama.
Aber muss euch das Schicksal der beiden stören? Muss man die Geschichte kennen? Nö! Ihr könnt dieses explosive Duo aber auf euren Gegner hetzen und auf das Wesentliche konzentrieren: Die Eroberung Columbias.
Komplexes Risiko in malerischer Präsentation
Auf den ersten Blick wird eine Art komplexes Risiko inszeniert, bei dem zwei Armeen auf einer wunderschön designten Weltkarte um Gebiete kämpfen – die 52 Miniaturen inklusive Luftschiff und Songbird sind zwar recht klein für eine Bemalung, aber dafür ausreichend fein ausgearbeitet. Spätestens mit Maus und Mystik haben die Brettspielmacher von Plaid Hat Games demonstriert, dass sie ein Händchen für Artdesign und wertige Ausstattung haben. Auch dieses Bioshock
Ziel ist es, als Erster zehn Siegpunkte zu erreichen, indem man entweder komplette Gebiete erobert, die aus verschiedenen Orten bestehen oder indem man für alle sichtbare Zusatzaufträge erledigt wie z.B. "Besitze drei Gebiete mit Alarm" oder "Besitze eine Einheit in jedem Gebiet."
Dabei gibt es viele qualitative Unterschiede zum Klassiker Risiko: Man kann z.B. sechs Truppentypen vom „Handyman“ bis zum „Sky Rider“ separat aufrüsten, indem man ihre Spezialfähigkeiten aktiviert und ihre Stärke, ihren Einfluss sowie ihren Geldwert anhebt.
Festgehalten wird das auf einem separaten Tableau über goldfarbene Schlüssel- und Zahlenmarker. So kann man seine Armee gezielt modifizieren und an seinen Spielstil anpassen - man kann z.B. über mehr Einnahmen auf Masse oder über freigeschaltete Fähigkeiten auf Klasse gehen. In jedem Zug darf man dann so lange Einheiten oder Gebäude bauen, bis der Vorrat an Silberadlern aufgebraucht ist. Mehr Geld bekommt man nicht regelmäßig oder über Produktion, sondern fast nur über ausgespielte Handkarten - alle haben einen unterschiedlichen Gegenwert.
Apropos: Das Kampfsystem ist denkbar einfach, denn die höhere summierte Zahl gewinnt letztlich das Gefecht um ein Gebiet. Aber es bietet einige taktische Optionen: Je nach Truppenarten in der Armee würfelt man mit einer unterschiedlichen Zusammensetzung der drei Würfel (rot, blau, weiß) – ein Anführer kann mit Rot maximal eine Acht erreichen, eine Spezialeinheit mit Blau eine Sechs und gewöhnliche Soldaten mit Weiß nur eine Vier.
Dazu zählt man den Kampfwert sowie den Bonuseffekt ausgespielter Handkarten: Der „Handyman“ bringt z.B. drei Punkte, aber wird er allein ausgelegt, erhöht sich das auf sechs. Der „Flak Man“ reduziert alle Würfe des Gegners um einen Punkt, wenn er verteidigt. Und wenn man den „Sharp Shooter“ abwirft, darf man irgendwo eine gewöhnliche Einheit vernichten.
Gefahr aus Nachbarschaft und der Luft
Da man in seinem Zug nur vier Einheiten bewegen darf, sollte man sich die Zusammensetzung und Angriffsziele gut überlegen sowie die Nachbarschaft einbeziehen. Hinzu kommen nämlich unterstützende Würfel durch militärische Gebäude in der Nähe: Eine Festung im Kampfgebiet gewährt einen roten, ein Geschütz einen blauen in allen angrenzenden Gebieten und ein Alarm einen weißen Würfel zusätzlich. Schließlich sorgen auch Generäle für permanente Boni: Wer Comstock vor sich liegen hat, darf in jedem Kampf als Angreifer z.B. zwei Punkte hinzuzählen; wer Jeremiah Fink besitzt, zahlt zwei Silber weniger für Gebäude. An dieser Stelle wird deutlich: Man muss sich viel an Modifikationen merken und addieren! Daher empfiehlt es sich, die ersten Runden sehr langsam zu spielen.
Ereignispoker mit verdeckten Karten
Ob sie stattfinden, liegt dabei immer in der Hand der Spieler: Nachdem man sie aufgedeckt und vorgelesen hat, darf man verdeckt Karten ablegen, um über deren Einflusswert zu bestimmen, ob etwas ausgelöst wird. Hier entsteht eine angenehme Qual der Wahl, denn man hat (meist) nur fünf Karten auf der Hand, die
Manche Ereignisse wirken sich nicht nur direkt auf das Kräfteverhältnis der Fraktionen aus, man spielt quasi parallel zur tatsächlichen Geschichte – so dass sich die Lage mit der Zeit immer mehr zuspitzt. Zwar gibt es auch banale Boni: Je nachdem, wer Elizabeth kontrolliert, bekommt derjenige z.B. zehn Silberadler. Aber es gibt auch fatalere Folgen: Elizabeth reißt z.B. Lücken auf und kann dabei so scheitern, dass ganze Gebiete zerstört werden. Luftschiff und Songbird tauchen nach speziellen Ereignissen auf und Booker wird gegen Ende aggressiver. Für erhöhten Wiederspielwert sorgen drei Zeitlinien mit leicht unterschiedlichen Auswirkungen, von denen jeweils eine für das Spiel ausgesucht wird.
Zwei Fraktionen, bis zu vier Spieler
Aufbau und Regelwerk werden nur leicht modifiziert, wenn man zu viert spielt. Es bleibt auch bei den beiden Fraktionen, die man dann allerdings kooperativ als Team spielt. Aufgrund der hellen und dunklen Varianten der
Was gefällt nicht so gut?
Es gibt mal wieder wenig auszusetzen an diesem Spiel von Plaid Hat Games. Einsteiger werden sich aufgrund der vielen Modifikationen und kleinen Faktoren vielleicht etwas überfordert fühlen und erst langsam in einen Spielfluss kommen und reine Wargamer dürfte der Zufallsfaktor stören. Aber mein einziger Kritikpunkt ist, dass an einer Stelle vielleicht die Klarheit im Regelwerk fehlt. Die Anleitung lässt bei den Weltereignissen z.B. mehrere Deutungen zu: Bewegt man Booker grundsätzlich oder nur, wenn sein Konterfei auf der Karte ganz unten abgebildet wird? Wir haben ihn schließlich immer bewegt, abhängig von der Position Elizabeths. Und falls man die Ereigniskarte über einen negativen Wert abwehrt, also nicht geschehen lässt – werden Booker und Elizabeth dann überhaupt
Fazit
Das ist mal Steampunk-Flair am Tisch! Schon das Aufbauen von Bioshock Infinite: The Siege of Columbia macht aufgrund des markanten Artdesigns und der Qualität des Materials richtig Spaß. Und das Beste ist: Unter der schicken Oberfläche steckt angenehme Spieltiefe für Eroberer plus genug Déjà-vu für Kenner des Shooters. Das Besondere an diesem Brettspiel ist die Symbiose aus territorialer Eroberung, Kartentaktik und einem Drehbuch mit Zufallsereignissen, das sich an Bioshock Infinite orientiert. Es wäre vielleicht einfacher für Plaid Hat Games gewesen, wenn man à la Doom einen Dungeon-Crawler mit Elizabeth und Booker in den Hauptrollen inszeniert hätte. Aber sie haben sich entschieden, die Perspektive für das Brettspiel zu wechseln: Man kämpft in einer komplexen Risikovariante mit seinen Truppen um Gebiete und Territorien. Und das macht richtig Laune! Ob es eine deutsche Version geben wird, steht noch nicht fest.
Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.
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