Catherine07.03.2012, Benjamin Schmädig
Catherine

Special: Jazz und Carpenter

Hätte Stanley Kubrik Spiele entwickelt, sein Eyes Wide Shut hätte vermutlich Catherine (ab 17,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) geheißen. Liebe, Heirat, Versuchung, Sex: Selten hat ein Spiel diese Themen so umfassend angepackt. In den virtuellen Kulissen spiegeln sich Ängste und Sehnsüchte - ein so breites Feld realer Emotionen vertonen Spielekomponisten nur selten. Aber Shoji Meguro kennt sich mit dem Menscheln aus...

Musikalische Spannungen?

Shoji Meguro steht seit vielen Jahren hinter den Shin Megami Tensei-Spielen und auch deren erfolgreichste Auskopplung, die Persona-Serie, wurde musikalisch von ihm geprägt. Es verwundert nicht, dass die Persona-Entwickler diese Zusammenarbeit vertiefen, denn ihr jüngstes Catherine dreht sich genau wie das Rollenspiel um Charaktere und ihre Beziehungen zueinander. Mit welchen Klängen fängt Meguro die Höhen und die Tiefen erotischer Spannungen ein?

Der Horror der Liebe

Es sind vor allem Jazz und der klassische Horrorfilm, den Meguro zitiert. Den Hörer des Soundtrack-Albums wähnt er dabei zunächst in Sicherheit: "YO" startet als Hip-Hop-Nummer für junge Spieler. Dass der Synthesizer schon leise im Hintergrund zittert so wie es später die ängstlichen Violinen tun, lässt das moderne Arrangement kaum durchblicken. Auch im folgenden "It's a Golden Show" erzeugen Streicher und sanfte Klavieranschläge ein Gefühl von Wärme und Sicherheit, das in der zweiten Hälfte in eine beschwingte Revue übergeht. Erst "Roux" schaltet konsequent einen Gang zurück - ein ruhiger Jazz-Titel, den eine Live-Band auf der flachen Bühne einer holzigen Bar spielen könnte. Dass Meguros Streicher auch hier schon Gefahr verheißen, versteckt er geschickt hinter der stilvollen antiken Theke.

Im gelassenen "Also Sprach Books" umschmeicheln Schlagzeug und Klavier ebenfalls den Dunst verrauchter Zigarren. Manche Stücke gleichen sich zwar sehr, laden aber zum entspannten Plausch ein - bis in den letzten Takten des noch immer sanft geschwungenen Pop-Stücks "Stray Sheep" plötzlich stampfender Bass und schrille Violinen die Stimmung kippen. In "Fear" ist die Musik schließlich mittendrin im Horror aus Hochzeit und Seitensprung: Bässe zittern angsterfüllt im Hintergrund, Geigen werden mit kurzen Schritten durch einen finsteren Gang gezupft und das eingeschüchterte Klavier klimpert verlegen aus seinem Versteck.

Kuschelpop

Die folgenden Titel spinnen den Grusel konsequent weiter: Mit "Non Title" gelingt Meguro endgültig der Wechsel, wenn das in „Roux“ vorgestellte Thema von schrägen Disharmonien getragen wird. Unter dem fast einsamen Piano in "Hitsujigamine" scheint hingegen eine geheimnisvollste Bedrohung zu schwelen. Das erinnert im besten Sinne an die starke Wirkung eines minimalistischen John Carpenter-Klassikers. Schade, dass Meguro in den starken jazzigen und gruseligen Stücken sehr viele Elemente für Streicher,

Verfügbarkeit

In Europa und Amerika ist der Soundtrack nicht erhältlich. Wer das etwas weniger als eine Stunde lange Album kaufen möchte, muss es deshalb aus Asien importieren oder einen Händler finden, der die Einfuhr übernimmt. Klavier und Schlagzeug wiederholt, ohne sie nennenswert zu variieren. Auf Dauer tritt die Musik deshalb auf der Stelle, ihre Wirkung versandet zwischen dem Zitat vertrauter Klänge und der Entwicklung ihrer Eigenständigkeit.

Viele erzählerische Übergänge überbrückt er zudem mit hörbarem, aber sehr belanglosem Pop. Seine Wurzeln in den Unterhaltungen eines japanischen Rollenspiels liegen in solchen Momenten praktisch blank. Besonders die zweite Hälfte des Albums ist davon geprägt. Wenn er zum Horror zurückkehrt, gelingt ihm mit "Woman's Hand" ein starker Höhepunkt, für den er ein schweres Orgelspiel anstimmt. So verschmust Kuschelpop wie "Game of Lamb" aber klingen und so sehr sich die matte E-Gitarre in "An die Freunde" um etwas Rock bemühen mag: Diese Töne klingen schon in sehr vielen virtuellen Welten.

Fängt der Persona-Komponist die bedrohlichen Facetten des Liebeslebens zielsicher ein? Eher nicht. Er untermalt Stimmungen, eine bestimmte Art Spielszenen . Er erzählt aber nicht von den Besonderheiten ganz bestimmter Entwicklungen. Dazu fehlen ihm einzigartige Momente und man hört zu viel gewöhnlichen Elektronik-Pop. Für sich genommen könnte man jeden der Jazz-Titel allerdings in einer stilvollen Bar hören. Die Zeitreise in die Ära der minimalistischen Filmmusik eines John Carpenter ist stellenweise fantastisch und die stilistische Abwechslung - nicht nur innerhalb des Soundtracks, sondern auch vom Rest der Spielewelt - tut der Musik von Shoji Meguro richtig gut.

Einschätzung: gut

 
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