Assassin's Creed: Revelations01.12.2011, Benjamin Schmädig
Assassin's Creed: Revelations

Special: Das gewohnt Ungewöhnliche

Jesper Kyd - der Mann braucht keine Einführung. Seit Hitman ist er als Soundtrack-Schreiber nicht mehr wegzudenken, spätestens mit Assassin's Creed komponierte sich der Däne in die A-Klasse. Doch wer ist dieser Lorne Balfe, aus dessen Feder mehr als die Hälfte der Musik zu Revelations stammt? Nie gehört. Doch schon gehört! Denn als Produzent zeichnet der Schotte u.a. für Inception und Sherlock Holmes verantwortlich, als Komponist steuerte er Musik zum Fluch der Karibik bei. Einmal mehr musiziert also Hollywood in der Spielewelt...

Elektronische Experimente

Gerade in Anbetracht der Klangexperimente in Inception durfte man gespannt darauf sein, was der damalige Produzent (die Musik schrieb Hans Zimmer) im Team mit Jesper Kyd hervorbringen würde. Denn Kyd hat sich selbst als Grenzgänger zwischen orchestralen und elektronischen Klängen einen Namen gemacht. Gerade seine Musik zu Assassin's Creed: Brotherhood, dem Vorgänger zu Revelations, war ein fantastisches Beispiel für die Verknüpfung beider Klangwelten.

Eine einsame Stimme

So ist es ebenso ungewöhnlich wie bezaubernd, dass der Soundtrack mit den leisen Noten einer Sopranstimme beginnt. Balfe hat dieses Stück geschrieben und spielt damit viel stärker auf Gefühle an, als es Kyd in drei Vorgängern gelang. Minute für Minute baut er das Thema mit Violinen, Gitarre und Synthesizer aus, bis auch Bässe, Percussion und schließlich der gesamte Chor hinzukommen. Ein gelungener  Einstieg!

Tatsächlich ist Balfe das Thema so wichtig, dass er es das gesamte Abenteuer über nutzt: Dem kraftvollen The Road to Maysaf dient es als wehmütiger Einstieg, bevor das volle Orchester Ezios schwere Schritte zu untermalen scheint. In The Mentors Return zeigt es auf vom Schicksal gezeichnete Gesichter und auch Of Life and Death nutzt die Melancholie der Solostimme. Bei Everything Changes wird die Traurigkeit von einer Flöte getragen, in You Have Earned Your Rest von einem Cello. In Passing the Torch ist es erneut ein Chor, in Altair and Darim wieder die Sopranistin. Man muss nicht alle Stücke aufzählen - es verdeutlicht aber, wie häufig Balfe das Thema für den gleichen Zweck zitiert. Und leider hält es der Dauer des Albums nicht ganz stand. Um die emotionale Kraft eines ganzen Abenteuers zu tragen, ist die Melodie zu schwach. Die unterschiedlichen Instrumente geben ihr nicht genug Farbe.

Hollywoods Pop-Sinfonien

Es ist ein Problem, dem sich Balfe generell nicht erwehren kann: Seine Melodien klingen harmonisch - aber auch unauffällig. Sie bleiben nicht im Kopf. Sie verlieren sich in Wiederholungen, sind vorhersehbar und mit überschaubaren Mitteln arrangiert, kurz: es sind die bekannten Pop-Sinfonien des Zimmer-Hollywood. Das soll allerdings nicht überschatten, dass Balfe durchaus bezaubern kann, z.B. mit dem sanften Sofia Sartor. In A Familiar Face blitzt sogar durch, dass er mit Musik Geschichten erzählen kann! Warum unterstreicht er diese Fähigkeit so selten? Gerade seine Stücke für die Mehrspieler-Action rattern stur durchs elektro-orchestrale Mittelmaß - ein Jammer.

Und Kyd? Als Vater der Assassin's Creed-Musik konnte er sich immerhin auf Ezios Abenteuer konzentrieren, das Onlineschleichen übernahm allein Balfe. Nein, trotz des günstigeren Schwerpunkts kann auch Kyd das Niveau seines Vorgängers nicht halten. Denn ähnlich wie Balfe verlässt er sich auf seine bewährte Routine. Zum Teil hat er damit natürlich Recht. So öffnet das altmodische Synthesizer-Quäken bei On the Attack das Tor in eine andere Dimension und auch Notorious schreitet mit eigenwillig verzerrter Elektronik durch eine fremdartige Welt.

Verfügbarkeit

Der Soundtrack zu Assassin's Creed: Revelations ist derzeit nur in digitaler Form erhältlich. Das komplette Album umfasst drei "CDs", wobei die letzte ausschließlich Titel der Mehrspieler-Action enthält.

Der Soundtrack, welcher der Signature Edition beiliegt, umfasst übrigens nur eine CD. Darauf befindet sich eine Auswahl der von Jesper Kyd geschriebenen Revelations-Musik.

Die vollständige Ausgabe, "The Complete Recordings", kostet zwischen 15 und 20 Euro bzw. Dollar - der Preis hängt vom Anbieter ab. Die Technik beherrscht der Däne nach wie vor am besten.

Gewohnt ungewöhnlich

Nur erzeugt er nie so intensive Momente wie für Brotherhood. Damals war z.B. das unheilvolle Borgia Tower ein exzellentes Argument für den Einsatz künstlicher Instrumente - so stark klingt heute keines seiner Stücke. Am besten lassen sich die beiden Soundtracks mit den inhaltlich sehr ähnlichen Borgia Occupation aus Brotherhood und Templar Occupation aus Revelations gegenüberstellen: Was damals wie der langsame Marsch durch eine verstörende Spießrutengasse anmutete, ist heute nur noch ein geheimnisvolles Wabern: stimmungsvoll, aber ohne bleibenden Eindruck.

Gelegentlich wirkt Kyd diesmal sogar lustlos. Galata Tower klingt etwa wie eilig zusammengestellter Elektro-Pop aus dem Magix Music Maker, während Ambush das gewöhnliche, über sich selbst stolpernde Schlagzeug auf den Plan ruft. Insgesamt hinterlässt die Musik des Serienkomponisten den besseren Eindruck, denn Kyd erzeugt über weite Strecken ungewöhnliche Bilder, wo sich Balfe im Gewöhnlichen ausruht. Das Versprechen einzigartiger Klangwelten können beide aber nie einhalten.

Beide Komponisten - Serien-Urgestein Jesper Kyd und Neuzugang Lorne Balfe - verstehen es geschickt, Teile ihrer Musik für Soloinstrumente zu arrangieren. Sie setzen Cello, Gitarre, Flöte oder Hackbrett wirkungsvoll in Szene und verleihen damit dem oft durchschnittlichen Klangteppich besondere Noten. Insgesamt verlassen sie sich aber zu sehr auf ihre Routine. So schwebt das Abenteuer fast unmerklich vorbei. Kaum ein Titel bleibt im Ohr. Und leider sind nicht einmal die Höhepunkte so eindrucksvoll wie die des Vorgängers: Balfe untermalt den wehmütigen Abschied von Ezio zwar mit einer stimmungsvollen Melodie, drumherum fällt ihm aber nicht viel ein. Und Kyd öffnet mit seiner Elektronik erneut einen faszinierenden Cyberspace, bleibt im Vergleich zum mehrschichtigen Brotherhood aber zweidimensional. Seltsam: Die Musik zu Assassin's Creed: Revelations (ab 4,25€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) hinterlässt einen richtig guten Eindruck. Schade, dass sie so routiniert, so glatt, so belanglos vorüber zieht.

Einschätzung: gut

 
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