Dungeon Master13.01.2011, Jens Bischoff
Dungeon Master

Special:

Ende der 80er Jahre zog mich ein Rollenspiel in seinen Bann wie kaum ein anderes - und das, obwohl es eigentlich nur aus einem 14stöckigen Kerker bestand, in dem jede Etage gleich aussah, kein einziges Wort gesprochen und die Handlung nur über sporadische Schriftrollen sowie Wandgravuren erzählt wurde. Trotzdem war es ein Spiel, das Standards setzte und bis heute einen Ehrenplatz in meiner Software-Bibliothek einnimmt: Dungeon Master.

Neue Elemente

Während andere Titel wie The Bard's Tale, Wizardry oder Ultima weiterhin unbeirrt die Tradition rundenbasierter Kampfabläufe pflegten und sich grafisch eher schlicht gaben, setzte Dungeon Master erstmals auf Echtzeit-Geschehen in konkurrenzlos gut aussehenden 3D-Labyrinthen. Echte 3D-Grafik in Rollenspielen gab es zwar erst fünf Jahre später mit Ultima Underworld, aber die räumlichen 2D-Kulissen von Dungeon Master waren damals eine wahre Augenweide und überraschten sogar mit dynamisch wechselnden Lichtverhältnissen - ebenfalls ein Novum.

Getragene Fackeln brannten mit der Zeit ab und tauchten die Umgebung schrittweise in Dunkelheit, bis sie völlig erloschen und man kaum mehr die Hand vor Augen sehen konnte. Das sorgte vor allem während eines Kampfes für panische Hektik, da das Spiel selbst beim Zugriff aufs rettende Inventar nicht pausiert wurde. Licht konnte man allerdings auch per Magie wirken, wo

In den Kerkern trifft man auf unfreundliche Gesellen.
In den Kerkern trifft man auf unfreundliche Gesellen.
Dungeon Master ebenfalls neue Wege einschlug: Zauber wurden nicht einfach ausgewählt und per Knopfdruck aktiviert, sondern mussten jedes Mal über eine mehrstufige Runentabelle manuell zusammengesetzt werden, während das Geschehen um einen herum munter weiter lief.

Von Ninjas und Zauberern

Zuerst bestimmte man die Stärke des Zaubers, dann dessen Element und danach gegebenenfalls noch Form und Ausrichtung. Der Aufbau war meist logisch nachvollziehbar: Für einen Feuerball musste man z. B. das Element Feuer mit der Form Flug kombinieren, für einen Entgiftungstrank das Element Wasser mit der Form Hilfe, während man eine leere Phiole in der Hand hielt. Anfangs konnte man nur einfache oder schwache Zauber wirken. Je öfter man Magie einsetzte, um so potenter wurde man jedoch im Umgang mit ihr.

Dieses System wurde auch für das Trainieren körperliche Fähigkeiten genutzt. Klassische Erfahrungspunkte gab es nicht. Stattdessen stiegen der Rang als Krieger und die damit verbundenen Attribute, in dem man immer wieder Nahkampfattacken ausführte, während Ninjas ihren Rang durch den Einsatz von Wurfwaffen oder das Knacken von Schlössern verbesserten. Fest gelegte Charakterklassen gab es dabei nicht - jeder der insgesamt vier Gruppenmitglieder konnte durch beharrlichen Einsatz entsprechender Fertigkeiten sämtliche Klassen (Krieger, Ninja, Zauberer, Priester) meistern.

Dieses Verfahren ließ sich auch leicht ausnutzen, da man im Prinzip keine Gegner benötigte, um stärker zu werden. Es reichte, sich vor eine Wand zu stellen und immer wieder Wurfsterne dagegen zu schleudern, mit seinem Schwert ins Leere zu schlagen oder sein automatisch regenerierendes Mana ständig für irgendwelche sinnlosen Zauber zu verbraten, um die Charakterentwicklung voran zu treiben. Die Sache hatte nur einen Haken: Man musste regelmäßig Essen und Trinken, um in den Gemäuern nicht zu verhungern oder zu verdursten.

Quälender Hunger

Das Inventar ließ sich zwar gut füllen, war aber auch begrenzt und das Gewicht beeinflusste die Charaktere.
Das Inventar ließ sich zwar gut füllen, war aber auch begrenzt und das Gewicht beeinflusste die Charaktere.
Nahrung war jedoch knapp - ein Stück Brot hier, ein herrenloser Apfel da, ein Eckchen Käse dort und alle paar Etagen ein Brunnen zum Nachfüllen der Wasservorräte. Es gab jedoch ein, zwei Stellen, an denen immer wieder Monster entstanden, an deren Überresten man sich satt essen konnte. Ich weiß noch gut, wie ich hierher zurückgekehrt bin, stundenlang kreischende Pilze zur Proviantbeschaffung geplättet sowie sämtliche Schläuche und Phiolen mit Wasser gefüllt hatte, um es auch mit dem Drachen im letzten Stockwerk aufnehmen zu können, der sich über eine Stunde erbittert zur Wehr gesetzt hatte. Zu viel mitschleppen konnte man aber nicht, da Inventar und Traglast der einzelnen Charaktere begrenzt waren und überladene Helden nicht nur deutlich langsamer agierten, sondern auch schnell an Ausdauer und bald darauf an Lebensenergie verloren.

Kam ein Gefährte zu Tode, musste man sein Hab und Gut aufteilen oder vorerst zurücklassen und seine knochigen Überreste zurück zu einem Wiederbelebungsaltar schleppen. Die Kämpfe gegen Mumien, Skelette und Golems liefen eigentlich immer gleich ab: Man versuchte die Gegner auf Abstand zu halten oder zu umkreisen und immer wieder Attacken zu landen, bevor man selbst Ziel eines Angriffs wurde. Teilweise konnte man seine meist deutlich langsameren, aber mitunter sehr zähen Kontrahenten auch auf Fallen auslösende Bodenplatten locken. Besonders effektiv war auch die Möglichkeit, sich tapfer vor einer Türe mit Fallgitter zu positionieren und seinem Gegenüber das schwere Metallgestänge immer wieder auf den Schädel fahren zu lassen, um massiven Schaden zu bewirken, was man mitunter auch am eigenen Leib erfahren konnte.

Bahnbrechende Interaktivität

Die Interaktivität mit der Spielumgebung in Echtzeit war damals in der Tat bahnbrechend: Von in Stein gemeißelten Hinweisen, Wasser spendenden Brunnen und plünderbaren Fackelhaltern über versteckte Druckknöpfe, mit Gegenständen beschwerbare Bodenplatten und bewegliche Falltüren bis hin zu imaginären Wänden oder verwirrenden Drehfeldern, die nicht nur die Blickrichtung, sondern auch die Flugbahn von Geschossen und Zaubern beeinflussten, sprühten die Entwickler vor Ideen. Auch umgebungsbezogene Rätsel waren Bestandteil des Abenteuers. Ich weiß noch, wie ich damals jedes Stockwerk akribisch mit Fineliner und Lineal kartografiert und als Tipps-Beitrag an Zeitschriften wie ASM oder Power Play geschickt hatte...

"Hände hoch, grausame Mumie!"
"Hände hoch, grausame Mumie!"
Erzählerisch bot das Kerkerabenteuer nur wenige kleine Infohäppchen, die man in Form von Schriftrollen oder Wandgravuren unterwegs aufschnappen konnte, während die eigentliche Story um ein misslungenes Experiment eines Magiers, der sich versehentlich in ein gutes und böses Ich gespalten hatte, im Handbuch als 20seitige Kurzgeschichte nieder geschrieben war. Diese stammte übrigens von der Frau des Dungeon Master-Produzenten Wayne Holder, die später als Autorin für TV-Serien wie Buffy, Sabrina oder Smallville tätig wurde.

Die Soundkulisse gab sich ähnlich minimalistisch und beschränkte sich auf digitalisierte Schreie, Schläge, Schmerzbekundungen, knurrende Mägen sowie diverse Zauber- und Umgebungsgeräusche. Die ein Jahr später nachgereichte Amiga-Version spuckte diese sogar in richtungs- und entfernungsabhängigem Stereo-Ton aus, was für ein bisher nicht gekanntes akustisches Raumgefühl sorgte. Es folgten weitere Umsetzungen für PC, Apple, SNES und weniger bekannte Plattformen. Zudem gab es eine Erweiterung namens Chaos strikes back und Mitte der 90er sogar einen reichlich verspäteten zweiten Teil, der aber im Gegensatz zu Nachahmern wie Black Crypt oder Eye of the Beholder nicht an den Erfolg des Originals anknüpfen konnte...   

Jens Bischoff

 
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