Brettspiel-Test: Das Halsband der Königin (Kartentaktik & Aufbau)

von Jörg Luibl



Wettkampf der Schmuckstücke
Entwickler:
Publisher: Days of Wonder
Release:
07.07.2003
Spielinfo Bilder  
Gibt es typisch männliche Brettspiele? Vermutlich schon, denn die meisten Frauen verdrehen die Augen, wenn sie von Armeen, Kriegen und Strategien im Gelände hören. Und weil wir von dieser Sorte schon genug vorgestellt haben, ist es jetzt an der Zeit für ein typisch weibliches Spiel. Jedenfalls auf den ersten Blick, denn es geht in dieser kurzweiligen Kartentaktik um Mode und Edelsteine am französischen Königshof.


Der beste Schmuckverkäufer

Das Halsband der Königin ist 2003 bei Days of Wonder erschienen und kostet knapp zehn Euro.
Das Halsband der Königin ist 2003 bei Days of Wonder erschienen und kostet heute knapp zehn Euro. Das Spiel stammt von Bruno Faidutti, der auch "Ohne Furcht und Adel" sowie "Schatten über Camelot" entwickelt hat.
Bis zu vier Spieler schlüpfen in die Rolle von Juwelieren, die um die Wette Edelsteine anfertigen, Moden ändern und Konkurrenten ärgern. Allerdings nicht in der schnöden Gegenwart, sondern in der glanzvollen Zeit des Absolutismus: Es geht letztlich darum, die Gunst der französischen Königin für sich zu gewinnen. Denn ihr verkauft man über drei Runden all die teuren Kreationen. Das Artdesign der farbigen Karten und dick gestanzten Plättchen sorgt mit seinen Zeichnungen von Musketieren, Dieben und Kardinälen auch umgehend für einen Hauch von Mantel und Degen. Kein Wunder, denn der Titel des Spiels basiert auf dem gleichnamigen Roman von Alexandre Dumas (1802 - 1870).

Aber keine Bange: Man muss sich weder mit Marie Antoinette noch mit Ludwig XVI auskennen, um sich in den spannenden Wettstreit zu stürzen. Das Spiel ist schnell erklärt und lebt auch vom Zugglück. Allerdings bietet es genug taktische Rafinesse und fiesen Charme, um es von gewöhnlichen Kartenspielen abzuheben. Zunächst geht es lediglich darum, aus  den vier Edelsteintypen Diamanten, Rubine, Smaragde und Bernstein eigene Schmuckstücke zu fertigen, indem man eine der fünf Karten kauft und eine oder mehrere Sorten verdeckt vor den anderen in seiner Hand sammelt.

Sehr schön: Der Wert der ausliegenden Karten sinkt nach jedem Spielzug, indem man die goldenen Ringe ein Feld auf den Restkarten nach unten bewegt. Die Edelsteine und Charaktere werden also immer günstiger - wer länger wartet, kann vielleicht mehrere Karten auf einmal erwerben. Andererseits ist die Gier natürlich groß, wenn wirklich mächtige Karten aufgedeckt werden.

Der taktische Werteverfall

Es gibt 110 Karten, darunter vier Edelsteinsorten und Charaktere, die man entweder sofort oder beim Verkauf spielen kann.
Es gibt 110 Karten, darunter vier Edelsteinsorten und Charaktere, die man entweder sofort oder beim Verkauf spielen kann.
Der Reiz des Spiels beruht auf seiner Bewegung, denn nichts ist sicher: Die aktuell angesagte Mode der Edelsteine wird zufällig bestimmt und später noch über die Seltenheit ergänzt, so dass ein finaler Wert erst noch entsteht. Es kann z.B. sein, dass gerade Smaragde am Hof der Königin in sind und deshalb 30 Dukaten wert sind - die anderen fallen dann mit jeweils 20, 10 und 0 ab. Wer ein Schmuckstück aus drei Smaragden anfertigt, könnte also einen Profit von 90 Dukaten machen. Aber ganz so einfach lässt sich das nicht planen, denn bevor es zum Verkauf kommt, wenn die erste von drei Händlerkarten aufgedeckt wird, geht es auch noch um den Seltenheitswert! Alle Spieler decken dann ihre heimlich angefertigten Colliers auf und es wird nachgezählt, wie häufig die vier Edelsteinsorten vorkommen - falls auf dem Tisch am häufigsten Smaragde glänzen, bekommen sie keinen Bonus. Die anderen hingegen werden um 10, 20 oder 30 Dukaten aufgewertet, weil sie seltener sind: So kann selbst ein einsamer Bernstein ordentlich abräumen.

Die Spannung entsteht gerade angesichts der schwankenden Werte. Hinzu kommt, dass man seine Mitspieler gezielt bluffen und kontern kann. Zum einen zählt natürlich jeder mit, wer wohl welche Edelsteine hortet, denn bei einem Verkauf darf letztlich nur derjenige abrechnen, der von einer Sorte die meisten gesammelt hat - und manchmal reicht es aus, gerade mal das Nötigste zu investieren, um den Zuschlag zu erhalten. Aber das ist kein reines Schätzspiel, denn es gibt auch Charaktere mit Eigenschaften - und die haben es in sich. Sie werden zufällig mit dem Schmuck vom Stapel gezogen und sorgen für Handlungsspielraum und gemeine Intrigen: Mit dem Dieb darf man Karten stibitzen, mit dem Beichtvater in andere Hände spicken, mit dem Höfling mehr Geld ausgeben und mit dem Fälscher kann man einen Spieler dazu zwingen, alle Edelsteine einer Sorte abzulegen - autsch! Kann man sich gar nicht wehren? Doch, wenn man einen Musketier gegen ihn spielt! Aber davon gibt es nur vier im ganzen Stapel. Aber kaufe ich die edlen Retter auch, wenn neben ihnen lukrative Steine liegen, die ich unbedingt brauche? Man muss ständig zwischen Defensive und Offensive abwägen.

Noch spannender wird es mit dem Favoriten: Er darf mal eben die Mode ändern und schiebt die angesagten Smaragde nach rechts, um vielleicht den Bernstein von null auf 30 zu katapultieren! Wer hat zu diesem Zeitpunkt wohl die meisten davon gesammelt? Selbst ein bisschen Magie ist dabei: Alchimisten können während des Verkaufs die Edelsteinsorten ändern. Noch mächtiger ist der König: Wer ihn in einer Verkaufsrunde an einen Edelstein heftet, boykottiert tatsächlich den kompletten Verkauf dieser Sorte. Wenn man diese Karte zusammen mit einem grünen Stein aufdeckt, nachdem ein anderer Spieler gerade sein mehrteiliges, mühsam angesammeltes und vielleicht noch per Ring aufgewertetes Smaragdschmuckstück ausgelegt hat, ist die Schadenfreude wunderbar. Falls man sich nicht zu früh gefreut hat: Denn es gibt noch eine Karte, die selbst den König kontern und böse bezahlen lassen kann - das Halsband der Königin. Sobald man es zieht, muss man es symbolisch anlegen, damit jeder sehen kann, in wessen Gunst man steht. Männer mit Stiernacken können es natürlich vor sich auslegen.

Ausblick

Jörg Luibl (44)  Wir spielen das Halsband der Königin seit Jahren immer wieder gerne. Dabei war es ein reiner Instinktkauf auf der Spielemesse 2004 in Essen, weil es gerade so günstig war und irgendwie interessant aussah. Das Artdesign ist charmant, das Spiel hat Stil (auch wenn die deutsche Übersetzung in der ersten Auflage leider auf einigen Karten hanebüchen war - "Halsbänd der König"), aber wichtiger ist diese überraschend kurzweilige Mischung aus Planung und Glück, Bluff und Angriff. Das ist eines der wenigen Kartenlegespiele, die wir immer wieder rauskramen, wenn wir für ein spannendes halbes Stündchen sammeln, absahnen und kontern wollen. Es ist schnell verstanden und klar strukturiert: Drei knackige Runden, ziehen und kaufen, abwerten und aussspielen. Natürlich macht es mit vier Leuten am meisten Spaß, weil es dann so richtig hin und her geht. Aber auch zu zweit lohnt sich das Spiel um die Gunst der Königin. Ach so: Ist das jetzt ein typisches Frauenspiel? Es macht den Ladys jedenfalls deutlich mehr Spaß als dreistündige Hexfeldtaktik mit Panzern.

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir haben keine Zeit für Verrisse. Das ist zunächst ein Angebot, das wir euch zusätzlich bieten. Deshalb konzentrieren wir uns auf die empfehlenswerten Vertreter und die kreativen Geheimtipps, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

Weitere
Brettspieltests im Archiv!

Kommentare

Schreckofant schrieb am
Ach schau mal an ^^ hab ich gar nicht mitbekommen...
Schreckofant schrieb am
Bei der Menge der Kommentare hier scheinst du wohl doch wieder zu den Machomännerbrettspielen zurückkehren zu müssen :P teste mal Small Worlds, überlege mir das zuzulegen..
schrieb am