Indiana Jones and the Fate of Atlantis03.11.2011, Paul Kautz
Indiana Jones and the Fate of Atlantis

Special:

Letztes Jahr habe ich im Rahmen unseres Oldies des Monats meine immerwährende Liebe zu Day of the Tentacle beschworen. Ich muss allerdings ganz offen sein: Treu war ich nicht. Aber wie hätte ich das auch sein können, hatte doch Lucas Arts in den 90ern fast ausschließlich Großes im Adventure-Schrank!

Ramtamtam!

Das Adventure-Dreamteam: Indy und Sophia. Was sich liebt, das neckt sich. Dauernd.
Das Adventure-Dreamteam: Indy und Sophia. Was sich liebt, das neckt sich. Dauernd.
Im Juni 1992 schmeichelte es wohlfeil aus dem Ausgang meiner Soundblaster Pro: Daam-Daram-Daaaam! Daaam-Daraaaaaam! Daaam-Daram-Daaaaaaam! Dam-Daraaam-Daaaaaam-Daaaaaaaaaam! Da schwang er sich klirrend durch das Fenster, wischte sich den Staub von der Hose und stand vor mir: Dr. Indiana Jones, pixelig, mit Hut. Mein Held. Mit 16 hat man noch Träume, und wenn man kurz davor erst die Indy-Trilogie gesehen hat, dürfte der Traum der meisten 16jährigen wohl recht ähnlich gewesen sein: »Ich werde Archäologe und jage Nazis!«

Habe ich schlussendlich dann doch nicht gemacht, was aber nichts an meiner Liebe zur Welt der coolen Archäologen änderte - selbst der vierte Indy-Film konnte daran nichts ändern. Aber wie enttäuscht war ich, als klar wurde, dass Steven Spielberg für seine Helden-Ausbuddelei eine andere Geschichte als die Suche nach Atlantis wählen würde. Denn mal ganz, ganz ehrlich: Diese Handlung war Millionen Billionen mal besser und cooler als das Blabla um Kristallschädel und atomexplosionssichere Kühlschränke! So.

Die Nazis mal wieder

Hier dreht sich alles um ganz weltliche Probleme: Indiana Jones und eine alte Liebschaft, aus der mittlerweile ein spirituelles Medium geworden ist. Hitlers Suche nach einem mysteriösen Metall namens »Orichalcum«, das die Vorzüge der Kernkraft ohne die lästige Radioaktivität bietet und damit optimal für die Weltherrschaft scheint. Eine Maschine, die Götter machen kann. Sowie natürlich das verschollene Atlantis. Okay, vielleicht doch nicht ganz so weltlich. Aber die der Feder von Hal Barwood und Noah Falstein entsprungene Handlung (ursprünglich sollte ein nicht verwendetes Filmskript genutzt werden, das aber aus gutem Grund abgelehnt wurde - zwei Mal) ist mitreißend geschrieben und pointiert dargeboten, was vor allem Sophia Hapgood zu verdanken ist. Der Rotschopf ist eine reizende Begleitung, die immer einen schnippischen Spruch auf den Lippen hat, eine wichtige Seance leitet und sogar immer wieder mal Tipps zum Weitermachen gibt, wenn man sie danach fragt.

Was soll es sein, Dr. Jones? Der Weg der Faust, der des Hirns oder der mit der Rothaarigen zusammen? Du musst dich entscheiden...
Was soll es sein, Dr. Jones? Der Weg der Faust, der des Hirns oder der mit der kratzbürstigen Rothaarigen zusammen? Du musst dich entscheiden...
Trotz aller geschliffener Dialoge, ironischer Untertöne und Albernheiten zwischen Indy und Sophia  ist Fate of Atlantis ein ernstes Abenteuer - nicht ganz so seriös wie das später veröffentlichte »The Dig« , aber auch jenseits alberner Ausflüge auf affige Inseln. Die Suche nach dem verlorenen Dialog von Plato und dem damit verbundenen Eingang nach Atlantis führt die beiden nach Island, Tikal, Monte Carlo, Algerien, Kreta, in ein U-Boot sowie zum großen Finale in die untergegangene Stadt selbst.

Drei Wege sollst du gehen

Lucas Arts-typisch bietet auch Indy 4 das bewährte SCUMM-System zur Steuerung: Neun Verben, Icons zur Visualisierung der Gegenstände im Inventar, eine einfache Maussteuerung - mehr braucht es nicht, um das Gehirn qualmen zu lassen. Und das tut es auch, denn das Spiel gilt als eines der härtesten des Entwicklers. Ganz nebenbei ist es auch eines der ganz wenigen, in denen der Held tatsächlich sterben kann.

Wie bei Monkey Island 2 durch die Wahl des Schwierigkeitsgrades hat man auch hier die Möglichkeit, sich das Leben bewusst schwerer oder leichter zu machen - denn es gibt drei verschiedene Lösungswege, die einen Großteil des Spiels komplett unterschiedlich gestalten. Da ist zum einen der Weg der Faust, der Indy allein gen Atlantis schickt, die Puzzle-Quote zurückkurbelt und dafür mehr Actioneinlagen in den Vordergrund stellt. Und Prügeleien: Nur hier sind sie nicht optional. Wie schon beim Vorgänger »Indiana Jones and the Last Crusade« kommt man nicht drum herum, immer wieder die Fäuste gegen Nazi-Schergen zu erheben und Letztere bewusstlos zu klicken. Faulnasen können sich das Leben durch Druck auf die Einfg-Taste einfach machen, durch die ein Suckerpunch-Cheatschlag den Gegner sofort zu Boden schickt. Aber erstens ist das doof, zweitens funktioniert das beim dicken Nazi in der Höhle nicht und drittens gibt es dafür Abzug beim IQ - dem »Indy-Quotienten«

Nach einem Ausflug in einem Heißluftballon landen die beiden in einer (fast) verlassenen Ausgrabungsstätte - der Weg nach Atlantis ist nicht mehr weit!
Nach einem Ausflug in einem Heißluftballon landen die beiden in einer (fast) verlassenen Ausgrabungsstätte - der Weg nach Atlantis ist nicht mehr weit!
Das genaue Gegenteil ist der Weg der Knobelei: Hier gibt es mehr und deutlich härtere Kopfnüsse, allerdings ist Dr. Jones auch hier auf sich allein gestellt. In der Mitte davon befindet sich der Teamweg, die beste aller Varianten. Denn hier gibt es eine gesunde Mischung aus Rätselei und Action, außerdem sind Indy und Sophia zusammen unterwegs - in dieser Konstellation gibt es die meisten Lacher. Schlussendlich führen alle drei Wege zu einem Ziel, zwischendrin hat man aber völlig unterschiedliche Indy-Erlebnisse, andere Rätsel, Umgebungen, Aufgaben und Personen, die man trifft: Drei Spiele zum Preis von einem! Es gibt sogar verschiedene Enden, die alle mit Sophia zu tun haben.

Ich bin Indy!

Der hohe Anspruch des Spiels ergibt sich nicht nur aus den Puzzles - diese sind LA-typisch teilweise sehr fies, aber in sich immer schlüssig und nachvollziehbar. Gemein wird es dadurch, dass oftmals ein Zufallselement ins Spiel kommt: Die Suche nach Platos Buch ist insofern zeitaufwändig, weil sich der olle Wälzer an drei Orten befinden kann, die bei jedem Durchspielen zufällig gewählt werden. Auch der Gegenstand, den man gegen die Taube am Spieß in Algerien tauschen kann - zufallsbedingt. Außerdem nutzen die Entwickler ein paar Mal zu oft das ärgerliche Element der Bildschirmsuche nach pixelkleinen Gegenständen. Immerhin dauert diese aufgrund der mickrigen VGA-Auflösung (320x200 Punkte) nicht allzu lang…

Dieser aus heutiger Sicht lächerliche Standard war aber genug, um einige der schönsten Pixelkunstwerke der damaligen Zeit auf die flimmernden Monitore zu bannen: Wunderschöne, handgezeichnete, detailverliebte Hintergründe, satte Farben, viel Abwechslung (es gibt mehr als 200 Szenen) - The Fate of Atlantis ist auch heute noch ein echter Hingucker, angefangen beim herrlich slapstickigen Holterdipolter-Intro bis zum Happy End im Sonnenuntergang. Sehr bemerkenswert waren auch die Animationen, denn sie wurden komplett rotoskopisch erfasst: Sam&Max-Erfinder Steve Purcell setzte sich den Schlapphut auf, die Lucas Arts-Zeichnerin Collette Michaud schwang ihre Lockenpracht als Sophia. Die Bewegungen der beiden wurden per Videokamera aufgezeichnet, diese Bewegungen wurden anschließend von Michaud (die ganz nebenbei im Jahr danach Purcells Ehefrau wurde) verpixelt und nachkoloriert - fertig waren die coolen, flüssigen Bewegungen, die in allen Zoomstufen gleich abgespielt wurden.

Euch kenne ich doch!

Die Entwicklung des Spiels hat fast zwei Jahre in Anspruch genommen, wobei allein die Implementierung der drei Pfade über ein halbes Jahr dauerte. Ein Jahr nach Veröffentlichung der Disketten-Fassung wurde auch eine CD-ROM-Version auf den Markt gebracht, die durchgehende Sprachausgabe bot. Im Nachhinein ist sie aber echt nicht gut: Doug Lee als Indiana Jones ist nicht übel, auch Jane Jacobs als

Dort angekommen geht das Abenteuer erst richtig los: In Atlantis warten die härtesten Kopfnüsse!
Dort angekommen geht das Abenteuer erst richtig los: In Atlantis warten die härtesten Kopfnüsse!
Sophia macht eine solide stimmliche Figur. Und Nick Jameson als Dr. Ubermann sollte LucasArts-Fans vertraut vorkommen, verlieh er doch z.B. auch Dr. Fred Edison in Day of the Tentacle oder Max in Sam&Max: Hit the Road sein wunderbar knarziges Organ. Andere jedoch wie der überkandidelte Marcus gehen einem ebenso schnell auf die Nerven wie das omnipräsente Rauschen - damals war durchgehende Sprachausgabe noch Neuland, und die Qualität dementsprechend bescheiden. Trotzdem: Cool war es, die knapp 8000 Dialogzeilen vorgelesen zu bekommen, auch wenn die Darstellung der Untertitel und die Sprache oft asynchron waren. Eine deutsch gesprochene Version gab es übrigens nie.

Neben dem PC wurden auch Macs sowie nach langer Wartezeit auch Amigas mit dem Besuch von Dr. Jones beehrt. Wobei letztere Fassung berüchtigt ist: Elf Disketten, die wahllos im Minutentakt gewechselt werden mussten, machten aus gebeutelten Amiga-Fans mit nur einem Laufwerk hoffnungslose DJs. Die darüber hinaus mit einem deutlich farbärmeren und langsameren Abenteuer leben mussten. Etwas besser war da schon die Version für Wii, die als Bonus dem mäßigen 2009er Abenteuer Indiana Jones und der Stab der Könige beilag - aber auch diese Fassung hatte ihre Macken. Echte Indy-Fans greifen daher einfach zum Original nebst ScummVM und erleben den Spaß so, wie er ursprünglich mal gedacht war: Mit der Maus in der einen und dem grübelnd gekneteten Kinn in der anderen Hand. Man trifft auf wunderbar abgedrehte Figuren, fliegt mit einem Heißluftballon über die afrikanische Wüste, fragt sich von Nomadensiedlung zu Nomadensiedlung weiter, steuert ein U-Boot und eine bizarre atlantische Maschine, gewöhnt sich in düsteren Räumen grafisch innovativ umgesetzt an die Dunkelheit - und macht treffsichere Witze über Figurenprobleme von Frauen. Alles begleitet von einem umwerfenden dynamischen Soundtrack. Es ist Liebe, nicht wahr? Ist es!

Paul Kautz

Dr. Pixel im Bild: Screenshots aus »The Fate of Atlantis«

 
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